Beschluss vom 07.04.2004 -
BVerwG 4 BN 73.03ECLI:DE:BVerwG:2004:070404B4BN73.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.04.2004 - 4 BN 73.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:070404B4BN73.03.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 73.03

  • Hessischer VGH - 11.09.2003 - AZ: VGH 4 N 2325/99

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. April 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und G a t z
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. September 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Normenkontrollurteil leidet nicht an den geltend gemachten Verfahrensmängeln.
Zu Unrecht hält die Beschwerde die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrages, die Zeugen B., D. und N. zu vernehmen, für verfahrensfehlerhaft. Die Zeugen waren vom Antragsteller zum Beweis für die Behauptung benannt worden, dass Bürgermeister W. auch der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin auf ausdrückliches Befragen, ob mit der vorgesehenen Beibehaltung der Festsetzung "Allgemeines Wohngebiet" für den Bereich nördlich der Mühlstraße die Erweiterung bzw. die Ansiedlung des Weinbaubetriebs des Antragstellers möglich sein werde, dies bestätigt hat. Das Normenkontrollgericht hat diesen Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellten Tatsachen seien für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich. Wie sich aus der Zurückweisung der Anregungen und Bedenken des Antragstellers durch die Stadtverordnetenversammlung ergebe, habe sie die von dem Antragsteller vorgeschlagene Ausweitung des südlich der Mühlstraße festgesetzten Mischgebiets auch auf die nördlich der Mühlstraße gelegenen Flurstücke 98 bis 100, zumindest jedoch auf sein Grundstück Flurstück 100/1 sowie die Einbeziehung seines Flurstücks 101/1 in den Geltungsbereich des Bebauungsplans und seine Ausweisung als Mischgebiet abgelehnt und ausgeführt, dass an den bisherigen Festsetzungen für allgemeines Wohngebiet und Mischgebiet festgehalten werde und weder eine stärkere gewerbliche Nutzung noch eine Erweiterung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans beabsichtigt sei. Die von dem Antragsteller behauptete Erklärung des Bürgermeisters für das Festhalten an der Art der bisherigen Nutzung sei mithin für die Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung nicht maßgeblich und daher rechtlich unerheblich gewesen.
Mit dieser Begründung für die Ablehnung des Beweisantrags hat das Normenkontrollgericht nicht, wie die Beschwerde meint, gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO), gegen das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffes, gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder gegen den Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes verstoßen. Die Pflicht zur erschöpfenden Sachaufklärung knüpft an die materiellrechtliche Auffassung des Gerichtes an. Nur solche Tatsachen, die auf der Grundlage dieser materiellrechtlichen Auffassung entscheidungserheblich sind, bedürfen - falls erforderlich - einer Aufklärung durch Beweiserhebung oder durch sonstige Ermittlungen. Das Normenkontrollgericht hat in Würdigung der Begründung der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin festgestellt, dass diese die Festsetzungen auf dem Grundstück des Antragstellers so hat beschließen wollen, wie sie im Bebauungsplan zum Ausdruck kommen, nämlich als Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets gemäß § 4 BauNVO einschließlich der damit verbundenen Regelung über die generell oder ausnahmsweise zulässigen Vorhaben in einem solchen Gebiet. Demgegenüber sei, so die Feststellung des Normenkontrollgerichts, die behauptete Erklärung des Bürgermeisters für die Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung nicht maßgeblich gewesen. Der Sache nach hat das Normenkontrollgericht mithin die unter Beweis gestellte Behauptung des Antragstellers als wahr unterstellt. Was die Beschwerde im Gewand einer Verfahrensrüge hiergegen vorbringt, stellt sich als eine Urteilskritik dar, die der Sachverhaltswürdigung im angefochtenen Urteil eine davon abweichende eigene Würdigung entgegensetzt. Mit einem derartigen Vorbringen könnte die Beschwerde in einem Berufungsverfahren gehört werden, nicht hingegen im Rahmen einer auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützten Beschwerde. Dass sich die Beschwerde in Wahrheit gegen die rechtliche und tatsächliche Würdigung im Normenkontrollurteil wendet, wird auch daran deutlich, dass sie in diesem Zusammenhang auch eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend macht. Verstöße gegen diese Vorschrift sind - von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen - Verstöße gegen materielles Recht und nicht gegen Verfahrensrecht.
Ohne Erfolg wirft die Beschwerde dem Normenkontrollgericht einen Verstoß gegen das Gebot vor, rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Sie bezieht sich auf die Ausführungen im Normenkontrollurteil, wonach die abwägungserheblichen Belange des Antragstellers gesehen und in nicht zu beanstandender Weise abgewogen worden seien. Insbesondere rügt die Beschwerde, dass das Normenkontrollgericht in für die Verfahrensbeteiligten nicht vorhersehbarer und damit überraschender Weise die Akten über die Baugenehmigung für die in den 80iger Jahren errichtete Lagerhalle auf dem Grundstücke des Antragstellers verwertet habe. So habe dieser sich nicht zu der Annahme des Normenkontrollgerichts äußern können, die Lagerhalle sei nur als Ausnahme zugelassen worden (UA S. 11). Auf dieser Erwägung beruhe das Urteil, weil sie für das Normenkontrollgericht die einzige Rechtfertigung dafür gewesen sei, die Einhaltung des Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 6 BauGB) in Bezug auf die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes zu bejahen.
Die Gehörsrüge ist bereits nicht ordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Hierzu hätte insbesondere die Darlegung gehört, was der Antragsteller bei Gewährung des vermissten rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte und welche Bedeutung dies für den Ausgang des Rechtsstreits gehabt hätte. So unterlässt die Beschwerde bereits jede Äußerung dazu, ob die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die Lagerhalle sei im Wege der Ausnahme zugelassen worden, sachlich zutrifft oder nicht. Auch sonst macht die Beschwerde nicht deutlich, welche entscheidungserheblichen Ausführungen ihr durch das beanstandete Vorgehen des Normenkontrollgerichts abgeschnitten worden wären.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.