Verfahrensinformation

Die Rechtsstreitigkeiten betreffen die Beamtenbesoldung in Berlin für die Jahre 2008 bis 2015. Die Kläger begehren die Feststellung, dass die ihnen gewährte Alimentation (in den Besoldungsgruppen A 9 bis A 12) verfassungswidrig zu niedrig bemessen war.


Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht haben die Klagen jeweils als unbegründet abgewiesen. Zwar ergäben sich teilweise aus einer Gegenüberstellung der Anpassung der Besoldung mit der Entwicklung der Einkommen der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst und dem Vergleich mit der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes Indizien für eine evidente Unteralimentierung. Für keines der maßgeblichen Besoldungsjahre seien aber mindestens drei von fünf zur Konkretisierung des Evidenzkriteriums herangezogenen Parameter erfüllt, sodass bereits keine Vermutung der Unteralimentierung vorliege. Anlass für eine Korrektur der Daten zum Nominallohnindex bestehe nicht. Unbeschadet möglicher regionaler Besonderheiten spiegele der Nominallohnindex für Berlin eine gesamtgesellschaftliche Situation, in die auch die Landesbeamten einbezogen seien. Schließlich könne offen bleiben, ob die Nettoalimentation für die Beamten der untersten Besoldungsgruppen den nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderlichen Mindestabstand zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau aufweise. Selbst wenn dies nicht der Fall sei, folge hieraus nicht der zwingende Schluss einer Verfassungswidrigkeit der streitgegenständlichen Bezüge.


Die Kläger verfolgen mit den bereits vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revisionen ihr Begehren fort.


Pressemitteilung Nr. 65/2017 vom 22.09.2017

Berliner Besoldung nicht amtsangemessen

Die Besoldung der Beamten des Landes Berlin in den Besoldungsgruppen A 9 bis A 12 war in den Jahren 2008 bis 2015 in verfassungswidriger Weise zu niedrig be­messen, für die Richterbesoldung in den Besoldungsgruppen R 1 bis R 3 gilt dies jedenfalls für die Jahre 2009 bis 2015. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden und dem Bundesverfassungsgericht insgesamt acht Verfahren zur Besoldung im Land Berlin zur Entscheidung vorgelegt.


Die Kläger sind Polizei- und Feuerwehrbeamte sowie Richter im Dienst des Landes Berlin. Sie hatten in den Jahren 2008 bis 2010 erfolglos eine verfassungswidrige Unteralimentation bei ihrem Dienstherrn gerügt. Klage- und Berufungsverfahren sind erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat angenommen, dass nur zwei der fünf vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Parameter für die Vermutung der Verfassungswidrigkeit der Besoldung erfüllt seien; deshalb bestehe kein Anlass für eine weitergehende Prüfung. Das Bundesver­waltungsgericht ist dem nicht gefolgt.


Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts erweist sich die Besoldung schon bei Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen relativen Vergleichsmethode als nicht angemessen. Dabei kann offen bleiben, ob der Nominallohnindex für Berlin trotz regionaler Besonderheiten eine hinreichende Aussagekraft besitzt. Dahinstehen kann auch, ob für den Quervergleich der Besoldung eine Betrachtung allein mit der Bundesbesoldung anzustellen ist. Denn jedenfalls für zwei wesentliche Parameter (Vergleich der Besoldungsentwicklung zu den Tarifergebnissen der Angestellten im öffentlichen Dienst und zum Verbraucherpreisindex) sind die Schwellenwerte in besonders deutlicher Weise überschritten. Damit liegen ausreichende Indizien vor, die eine umfassende Betrachtung und Gesamtabwägung der Verfassungsmäßigkeit des Alimentationsniveaus erforderlich machen.


Die danach anzustellende Gesamtbetrachtung ergibt ein einheitliches Bild und lässt vernünftige Zweifel am Vorliegen einer verfassungswidrigen Unteralimentation nicht zu.


Zunächst zeigt der Vergleich mit den durchschnittlichen Einkommen sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit entsprechender Qualifikation und Verantwortung, dass die Beamten und Richter des Landes Berlin deutlich geringere Einkünfte erzielen. Für die Richter ist zudem die vom Bundesverfassungsgericht geforderte qualitätssichernde Funktion der Besoldung nicht mehr gewährleistet; dies zeigt sich an der Absenkung der Einstellungsanforderungen bei gleichzeitiger deutlicher Verbesserung der Berliner Examensergebnisse.


Bei der Besoldung der Beamten hat der Berliner Gesetzgeber schließlich auch die absolute Untergrenze einer verfassungsgemäßen Alimentation unterschritten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss sich die Beamtenbesoldung vom Niveau der sozialrechtlichen Grundsicherung jedenfalls um 15 % abheben. Diese Anforderung ist im Land Berlin nicht eingehalten worden. Die Fehlerhaftigkeit des Besoldungsniveaus in den unteren Besoldungsgruppen führt zwangsläufig auch zu einem Mangel der hier in Rede stehenden Besoldungs­gruppen. Da der Gesetzgeber keine bewusste Entscheidung zur Neustrukturierung des Abstands zwischen den Besoldungsgruppen getroffen hat, führt die erforderliche Anpassung der untersten Besoldungsgruppe notwendigerweise zu einer Verschiebung des Gesamtgefüges.


BVerwG 2 C 56.16 - Beschluss vom 22. September 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, OVG 4 B 38.12 - Urteil vom 12. Oktober 2016 -

VG Berlin, VG 26 K 255.09 - Urteil vom 21. November 2012 -

BVerwG 2 C 57.16 - Beschluss vom 22. September 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, OVG 4 B 37.12 - Urteil vom 12. Oktober 2016 -

VG Berlin, VG 26 K 112.10 - Urteil vom 21. November 2012 -

BVerwG 2 C 58.16 - Beschluss vom 22. September 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, OVG 4 B 2.13 - Urteil vom 12. Oktober 2016 -

VG Berlin, VG 28 K 5.12 - Urteil vom 06. November 2012 -

BVerwG 2 C 4.17 - Beschluss vom 22. September 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 4 B 4.13 - Urteil vom 14. Dezember 2016 -

VG Berlin, 26 K 485.11 - Urteil vom 11. Dezember 2012 -

BVerwG 2 C 5.17 - Beschluss vom 22. September 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 4 B 35.12 - Urteil vom 14. Dezember 2016 -

VG Berlin, 26 K 30.11 - Urteil vom 09. November 2012 -

BVerwG 2 C 6.17 - Beschluss vom 22. September 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 4 B 5.13 - Urteil vom 14. Dezember 2016 -

VG Berlin, 26 K 18.11 - Urteil vom 14. Dezember 2012 -

BVerwG 2 C 7.17 - Beschluss vom 22. September 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 4 B 6.13 - Urteil vom 14. Dezember 2016 -

VG Berlin, 26 K 39.11 - Urteil vom 11. Dezember 2012 -

BVerwG 2 C 8.17 - Beschluss vom 22. September 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 4 B 29.12 - Urteil vom 14. Dezember 2016 -

VG Berlin, 26 K 211.10 - Urteil vom 09. Dezember 2012 -


Beschluss vom 07.02.2013 -
BVerwG 4 B 35.12ECLI:DE:BVerwG:2013:070213B4B35.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.02.2013 - 4 B 35.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:070213B4B35.12.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 35.12

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 19.04.2012 - AZ: OVG 20 D 117/08.AK

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Februar 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. April 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 24. September 2008, mit dem ihr Antrag abgelehnt worden ist, den Nachtflugverkehr auf dem Flughafen Köln/Bonn „im Wege eines Teilwiderrufs des (fingierten) Planfeststellungsbeschlusses“ in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr zu untersagen, hilfsweise weniger weit gehende Maßnahmen des aktiven Schallschutzes anzuordnen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil den geltend gemachten Ansprüchen die Duldungspflicht aus § 9 Abs. 3 LuftVG, § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW entgegenstehe (UA S. 18). Eine Durchbrechung der durch die Vorschriften erzeugten Sperrwirkung sei nicht notwendig, weil davon auszugehen sei, dass unterstellte Rechtsverletzungen der Klägerin durch passive Schallschutzmaßnahmen abgewendet werden könnten (UA S. 20). Ein Einschreiten des Beklagten gegen die Beigeladene mittels eines Teilwiderrufs des (fiktiven) Planfeststellungsbeschlusses komme auch deshalb nicht in Betracht, weil verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter der Klägerin nicht verletzt seien (UA S. 25). Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerin.

II

2 Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst.

3 1. Die Frage, ob die Planfeststellungsfiktion eines Verkehrsflughafens nachträglichen Betriebsbeschränkungen während der nächtlichen Kernruhezeit (0.00 bis 5.00 Uhr) erst dann nicht mehr entgegensteht, wenn eine Gesundheitsgefahr für die Flughafenanwohner besteht, die durch Maßnahmen des passiven Schallschutzes nicht beseitigt werden können, oder schon dann nicht mehr, wenn während der Nachtkernzeit Nachtflugbetrieb erfolgt, ohne dass ein standortspezifischer Nachtflugbedarf besteht, knüpft an den Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts an, dass von einem Dritten der Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses erst dann verlangt werden kann, wenn der Fluglärm die Schwelle des verfassungsrechtlich Zumutbaren überschreitet und der dann gebotene Schutz nicht mit Vorkehrungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW bewirkt werden kann (UA S. 19). Die Klägerin hält diesen Rechtssatz für falsch und möchte geklärt wissen, ob das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an die Voraussetzungen für einen Anspruch Dritter auf Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses überspannt hat. Ihre Frage ist allerdings ebenso wie die Fragen, ob angesichts der neuen Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung davon auszugehen ist, dass Nachtflugverkehr während der Kernruhezeit, ohne dass hierfür ein standortspezifischer Nachtflugbedarf besteht, wegen der hohen Bedeutung der Nachtruhe für die Gesundheit der Bevölkerung eine Gesundheitsgefahr darstellt, die auch im Sinne der bisherigen Rechtsprechung nachträgliche Betriebsbeschränkungen im Rahmen des Teilwiderrufs eines planfestgestellten Flughafens zulässt, und ob es mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar ist, wenn Anwohnern eines Flughafens mit fingierter Planfeststellung und Genehmigung Nachtflugverkehr in der Nachtkernzeit zugemutet wird, obwohl ein standortspezifischer Nachtflugbedarf nicht oder nur eingeschränkt besteht, während Anwohner eines neuen oder geänderten Flughafens nur solchen Nachtflugverkehr hinnehmen müssen, für den ein standortspezifischer Nachtflugbedarf mit der Folge besteht, dass der Nachtflugverkehr an den Flughäfen ohne Nachtflugbeschränkung weiter zunimmt, auf einen Sachverhalt zugeschnitten, von dem das Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen ist. Die Vorinstanz hat nicht festgestellt, dass es an einem standortspezifischen Bedarf für nächtlichen Flugverkehr am Flughafen Köln/Bonn fehlt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts scheidet die Zulassung der Revision aber aus, wenn ein Gericht eine Tatsache nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würde, sondern lediglich die Möglichkeit besteht, dass die Rechtsfrage nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sachaufklärung entscheidungserheblich werden könnte (vgl. Beschlüsse vom 28. Dezember 1998 - BVerwG 9 B 197.98 - juris und vom 28. November 2005 - BVerwG 4 B 66.05 - ZfBR 2006, 159; stRspr).

4 2. Die Frage, ob eine Gemeinde, die Eigentümerin von durch nächtlichen Fluglärm beeinträchtigten Wohnungen und Einrichtungen ist, eine nachträgliche Beschränkung des Nachtflugverkehrs auf den standortspezifischen Nachtflugbedarf im Rahmen eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Teilwiderruf der Flughafengenehmigung aufgrund ihrer privatrechtlichen Stellung als Eigentümerin bzw. als Trägerin kommunaler Planungshoheit geltend machen kann oder ob sich ein solcher Anspruch allein aus dem der Gemeinde nicht zustehenden Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ergibt, führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Das Oberverwaltungsgericht hat, von der Beschwerde unbeanstandet, dem Anspruch entgegengehalten, dass sich eine unterstellte Gefährdung von der Klägerin geplanter Baugebiete, ihrer öffentlichen Einrichtungen und von ihr vermieteter Wohnungen aufgrund (unterstellt) gesundheitsgefährdender Belastung durch nächtlichen Fluglärm durch eine entsprechende Schalldämmung der betroffenen Objekte einschließlich schallisolierter Belüftungsvorrichtungen ausschließen lasse (UA S. 20). Auf die - den Gegenstand der vorstehenden Frage bildende - zusätzliche Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, ein Einschreiten des Beklagten gegen die Beigeladene mittels eines Teilwiderrufs des Planfeststellungsbeschlusses komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die insoweit erforderliche Voraussetzung einer Verletzung verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter nicht erfüllt sei (UA S. 25), kommt es folglich im Ergebnis nicht an. Denn diese Erwägung könnte hinweggedacht werden, ohne dass sich an dem Ausgang des Rechtsstreits etwas ändern würde.

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.