Beschluss vom 07.01.2009 -
BVerwG 3 B 88.08ECLI:DE:BVerwG:2009:070109B3B88.08.0

Leitsatz:

Das Schwangerschaftskonfliktgesetz des Bundes zieht einer über die durch § 4 Abs. 2 und 3 SchKG gebotene öffentliche Förderung hinausgehenden, zusätzlichen kommunalen Förderung von Konfliktberatungsstellen nur insofern Grenzen, als diese die Sicherstellung eines ausreichenden Angebots an wohnortnahen pluralen Beratungsstellen nicht vereiteln darf.

  • Rechtsquellen
    SchKG § 4

  • OVG Münster - 29.05.2008 - AZ: OVG 16 A 343/06 -
    OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 29.05.2008 - AZ: OVG 16 A 343/06

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.01.2009 - 3 B 88.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:070109B3B88.08.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 88.08

  • OVG Münster - 29.05.2008 - AZ: OVG 16 A 343/06 -
  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 29.05.2008 - AZ: OVG 16 A 343/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Januar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 13 442,97 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger begehrt die Feststellung, die Nichtgewährung einer über die staatliche Förderquote von 81 % hinausgehenden kommunalen Förderung seiner Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle durch den beklagten Landkreis in den Jahren 2001 und 2002 sei rechtswidrig gewesen. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten hin abgewiesen.

2 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Die vom Kläger in Anspruch genommenen Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.

3 1. Eine Divergenz zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2003 - BVerwG 3 C 26.02 - (BVerwGE 118, 289 = Buchholz 436.41 SchKG Nr. 1) ist nicht ersichtlich. Der Kläger nimmt insofern den Satz des Berufungsurteils in Bezug, dass sich ein Anspruch auf Förderung durch eine Kommunalkörperschaft nicht aus § 4 Abs. 2 SchKG, sondern allenfalls aus Landesrecht ergeben könne. Damit weicht das Berufungsurteil jedoch von dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht ab. Der Senat hat dort entschieden, dass § 4 Abs. 2 SchKG den anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, die zur Sicherstellung eines ausreichenden pluralen und wohnortnahen Beratungsangebots erforderlich sind, einen gesetzlichen Anspruch auf öffentliche Förderung einräumt (a.a.O. S. 290 ff. bzw. S. 2 ff.). Er hat des Weiteren entschieden, dass sich dieser Anspruch grundsätzlich gegen das jeweilige Land richtet (a.a.O. S. 295 bzw. S. 5). Zwar ermächtigt § 4 Abs. 3 SchKG die Länder zum Erlass konkretisierender Regelungen, die auch eine Beteiligung der Kommunen an der gebotenen öffentlichen Förderung vorsehen können. Das Fehlen einer solchen konkretisierenden Landesregelung beeinträchtigt aber die Umsetzungsfähigkeit der in § 4 Abs. 2 SchKG vorgesehenen Förderpflicht nicht. Soweit ein konkretisierendes Landesgesetz fehlt oder nichts anderes bestimmt, richtet sich der Förderanspruch aus § 4 Abs. 2 SchKG daher gegen das jeweilige Land, das dann auch selbst zur Kostentragung verpflichtet ist. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass sich unmittelbar aus § 4 Abs. 2 SchKG ein Förderanspruch gegen eine Kommunalkörperschaft herleiten ließe, hat das Bundesverwaltungsgericht damit gerade nicht aufgestellt.

4 Die Revision kann auch nicht wegen einer Divergenz zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. März 2007 - BVerwG 3 C 35.06 - (Buchholz 436.41 SchKG Nr. 3) zugelassen werden. Eine derartige Divergenz legt der Kläger schon nicht schlüssig dar. Er nimmt zwar Bezug auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu dem bundesrechtlichen Erfordernis eines pluralen Beratungsangebots (a.a.O. <Rn. 19 ff.>). Er stellt dem aber keinen widersprechenden Obersatz aus dem angefochtenen Berufungsurteil gegenüber. Er rügt vielmehr lediglich, das Berufungsgericht habe eine Überprüfung der Förderpraxis des Beklagten an diesen Maßstäben unterlassen. Damit ist eine Divergenz nicht dargetan.

5 Im Übrigen betreffen die vom Kläger angeführten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2003 und vom 15. März 2007 die zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots an Beratungsstellen sowohl verfassungsrechtlich als auch durch § 4 SchKG gebotene öffentliche Förderung. In diesem Sinne geboten ist nach der zitierten Rechtsprechung des Senats die Übernahme von mindestens 80 % der notwendigen Personal- und Sachkosten von anerkannten und erforderlichen Beratungsstellen. Das steht hier nicht im Streit. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurden 2001 und 2002 in Nordrhein-Westfalen 81 % der hier allein fraglichen Personalkosten vom Land getragen. Auch die Beratungsstelle des Klägers im Kreis des Beklagten wird vom Land so gefördert. Die Beteiligten streiten vorliegend allein um eine zusätzliche Förderung durch den beklagten Landkreis. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht bislang keine Rechtssätze aufgestellt, von denen das Berufungsurteil abweichen könnte.

6 Auch eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeigt der Kläger nicht auf. Er verweist zwar auf dessen Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 und 4, 5/92 - (BVerfGE 88, 203), zitiert aber keinen rechtlichen Obersatz hieraus, zu dem sich das Berufungsurteil in Widerspruch hätte setzen können. Er meint freilich, dem genannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts ebenso wie denjenigen des Bundesverwaltungsgerichts entnehmen zu können, dass das verfassungsrechtliche Gebot, ein ausreichendes Angebot an Konfliktberatungsstellen sicherzustellen, nur dann umgesetzt werden könne, wenn nicht nur die gebotene öffentliche Förderung, sondern auch eine darüber noch hinausgehende zusätzliche Förderung nach denselben bundeseinheitlichen Grundsätzen erfolge. Einen derartigen rechtlichen Obersatz haben aber weder das Bundesverfassungsgericht noch das Bundesverwaltungsgericht aufgestellt. Dazu bestand auch kein Anlass. Wenn ein ausreichendes Beratungsangebot durch eine öffentliche Förderung in Höhe von mindestens 80 % der notwendigen Personal- und Sachkosten der anerkannten und für eine wohnortnahe und plurale Versorgung erforderlichen Beratungsstellen sichergestellt wird, dann ist dem verfassungsrechtlich Gebotenen Genüge getan. Zusätzliche Maßnahmen sind dann verfassungsrechtlich grundsätzlich irrelevant. Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn durch diese zusätzlichen Maßnahmen der Sicherstellungserfolg wieder in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <118 ff.>). Das aber hat das Berufungsgericht bedacht, indem es die Förderpraxis des Beklagten auch daran gemessen hat, ob sie sich mit dem verfassungsrechtlichen Sicherstellungsauftrag in Widerspruch setze.

7 2. Die Rechtssache besitzt auch keine grundsätzliche Bedeutung.

8 Wie dargelegt, ist die erste vom Kläger insofern aufgeworfene Rechtsfrage, ob das Schwangerschaftskonfliktberatungsgesetz einen unmittelbaren Förderanspruch gegenüber einer kommunalen Gebietskörperschaft begründet, durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2003 (a.a.O. S. 290 ff., 295 bzw. S. 2 ff., 5) bereits - im verneinenden Sinne - geklärt.

9 Bislang nicht geklärt ist freilich die weitere Frage des Klägers, ob eine kommunale Gebietskörperschaft bei einer freiwilligen zusätzlichen Förderung von Konfliktberatungsstellen die Grundsätze der §§ 3 und 8 SchKG zu beachten habe. Die Frage lässt sich aber auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Wie erwähnt, dient die in § 4 SchKG vorgesehene öffentliche Förderung der Umsetzung des verfassungsrechtlich Gebotenen, nämlich der Sicherstellung eines ausreichenden pluralen Angebots an wohnortnahen Beratungsstellen. Umgekehrt geht das Bundesgesetz davon aus, dass mit dieser öffentlichen Förderung das verfassungsrechtlich Gebotene auch erfüllt wird. Es bestand kein Anlass für den Bundesgesetzgeber, Regelungen über diesen Umkreis hinaus zu treffen. Hierfür hätte ihm schon die Gesetzgebungskompetenz gefehlt, die er für das Schwangerschaftskonfliktberatungsgesetz aus dessen Sachzusammenhang mit dem Strafrecht herleitet (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG), aber nicht über diesen Sachzusammenhang hinaus beliebig ausdehnen darf. Soweit eine zusätzliche Förderung gerade durch Kommunen in Rede steht, kommt - worauf das Berufungsgericht mit Recht hinweist - deren Autonomiebereich hinzu (Art. 28 Abs. 2 GG), der dem Bundesgesetzgeber in besonderer Weise verschlossen ist (vgl. Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG). Aus all dem drängt sich auf, dass das Schwangerschaftskonfliktgesetz des Bundes einer zusätzlichen kommunalen Förderung von Konfliktberatungsstellen nur insofern Grenzen zieht, als diese die Sicherstellung eines ausreichenden pluralen Angebots an wohnortnahen Beratungsstellen nicht vereiteln darf. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht demnach mit Recht angelegt. Natürlich müssen die Kommunen auch anderes Bundesrecht wie etwa Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 33 Abs. 3 GG beachten; insofern hat der Kläger aber keinen Klärungsbedarf aufgezeigt.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Bei der Festsetzung des Streitwerts, die sich auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG stützt, geht der Senat von dem am 22. Dezember 2000 beantragten Zuschuss aus, den er mit Rücksicht auf das bloße Bescheidungsbegehren um die Hälfte vermindert.