Beschluss vom 06.12.2013 -
BVerwG 3 B 6.13ECLI:DE:BVerwG:2013:061213B3B6.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.12.2013 - 3 B 6.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:061213B3B6.13.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 6.13

  • VG Frankfurt am Main - 23.05.2011 - AZ: VG 1 K 309/11.F
  • VGH Kassel - 20.11.2012 - AZ: VGH 10 A 447/12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Dezember 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und Rothfuß
beschlossen:

  1. Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. November 2012 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 500 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung einer Umweltprämie.

2 Mit Bescheid vom 23. Juni 2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Umweltprämie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen (so genannte Abwrackprämie) und überwies die Prämie antragsgemäß auf das Konto des Sohnes der Klägerin. Nachfolgend hob die Beklagte den Zuwendungsbescheid auf und forderte die Prämie zurück. Diese sei zu Unrecht bewilligt worden, weil das von der Klägerin angeschaffte Fahrzeug zuvor bereits zweimal zugelassen gewesen sei. Die Klägerin hat hiergegen nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben, der das Verwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung stattgegeben hat. Die Klägerin genieße Vertrauensschutz, weil sie die Prämie ihrem Sohn geschenkt habe und diese Vermögensdisposition nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil ohne mündliche Verhandlung geändert und die Klage abgewiesen. Die Bewilligung der Prämie sei rechtswidrig gewesen, weil sie der ständigen Verwaltungspraxis widersprochen habe. Nach dieser sei die Umweltprämie entsprechend der einschlägigen Förderrichtlinie nur für Neufahrzeuge oder einmal zugelassene Jahreswagen bewilligt worden. Zwar seien keine Umstände gegeben, die gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG Vertrauen in den Bestand der Bewilligung ausschließen würden. Es liege jedoch auch kein Fall einer Vermögensdisposition vor, mit der sich gemäß § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG in der Regel schutzwürdiges Vertrauen verbinde. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, die Prämie ihrem Sohn geschenkt zu haben, weil sie dies nach ihrem eigenen Vortrag bereits vor der Prämienzahlung vereinbart habe. Daher bestehe zwischen der Bewilligung und der Schenkung nicht die erforderliche Kausalität. Dass die Schenkung, die den Anforderungen des § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht entsprochen haben dürfte, unter dem Vorbehalt der Bewilligung gestanden habe, habe die Klägerin nicht vorgetragen. Außerdem sei die Klägerin durch die Auszahlung von ihrer Verpflichtung aus dem Schenkungsversprechen befreit worden und wäre anderenfalls gehalten gewesen, dieses aus ihrem sonstigen Vermögen zu begleichen. Bei der danach verbleibenden Abwägung gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG überwiege das öffentliche Interesse an einer Rücknahme das Vertrauen der Klägerin.

II

3 Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Berufungsgerichts hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits gemäß § 133 Abs. 6 VwGO. Das Berufungsurteil leidet an einem von der Klägerin mit Recht gerügten Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Das Berufungsgericht hat sein Urteil auf Erwägungen gestützt, mit denen die Klägerin nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte, und hat damit der Klägerin das rechtliche Gehör versagt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 und § 138 Nr. 3 VwGO).

4 Das Berufungsgericht verneint eine gemäß § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG regelmäßig schutzwürdige Vermögensdisposition der Klägerin mit der Begründung, sie habe nicht vorgetragen, dass die Schenkung unter dem Vorbehalt der späteren Bewilligung der Umweltprämie gestanden habe. Es stützt sich damit auf eine Tatsache, zu der die Klägerin hätte gehört werden müssen. Die Klägerin hat vor dem Verwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 21. April 2011 geltend gemacht, der Auszahlung der Prämie auf das Konto ihres Sohnes liege eine Schenkung zugrunde. Hierzu hat sie nachfolgend und im Berufungsverfahren weiter ausgeführt, mit der Prämienzahlung an ihren Sohn sei im Innenverhältnis zwischen ihr und ihrem Sohn ein Schenkungsversprechen erfüllt worden, das mündlich vereinbart und mit der Auszahlung wirksam geworden sei. Die Beklagte hat eine Schenkung bestritten, nicht aber darauf abgestellt, dass zwischen Bewilligung und Schenkung keine Kausalität bestanden habe. Auch das Verwaltungsgericht und der Beschluss des Berufungsgerichts über die Zulassung der Berufung haben diese Frage nicht aufgeworfen. Geht man jedoch - wie von den Vorinstanzen auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin getan - von einer Schenkung aus, so ist der Umstand, dass die Klägerin in ihrem Förderantrag das Konto ihres Sohnes genannt hat, zunächst durchaus ein Anhaltspunkt dafür, dass gerade die Prämie - unter der Voraussetzung ihrer Bewilligung - geschenkt werden sollte. Das gilt erst Recht vor dem Hintergrund der Annahme des Berufungsgerichts, dass das Schenkungsversprechen erst durch die Auszahlung wirksam geworden sein dürfte. Angesichts dieser Umstände hatte die Klägerin keinen Anlass, zu der Frage der Kausalität von Schenkung und Bewilligung vorzutragen. Sie musste mangels entsprechender Anhaltspunkte im Verfahren nicht damit rechnen, dass ihre Klage an dieser Frage scheitern könnte. Vielmehr musste sich dem Berufungsgericht aus seiner materiellrechtlichen Sicht aufdrängen, der Klägerin hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und den Sachverhalt erforderlichenfalls weiter aufzuklären. Indem das Berufungsgericht dies versäumt hat, erweist sich sein Urteil als Überraschungsentscheidung und verletzt das rechtliche Gehör der Klägerin (vgl. zu dieser Fallgruppe eines Gehörsverstoßes Beschluss vom 29. Juni 2011 - BVerwG 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 Rn. 8 m.w.N.).

5 Diese Verfahrensmängel sind auch nicht deshalb unerheblich, weil das Berufungsgericht die Verneinung schutzwürdigen Vertrauens zusätzlich darauf stützt, dass die Prämie noch im Vermögen der Klägerin vorhanden sei, weil sie mit der Auszahlung an ihren Sohn von ihrer Verpflichtung aus dem Schenkungsversprechen befreit worden sei und sie anderenfalls gehalten gewesen wäre, diese aus ihrem sonstigen Vermögen zu begleichen; denn die verfahrensfehlerhaft gewonnene Annahme des Gerichts, die Schenkung habe nicht unter dem Vorbehalt der Bewilligung der Prämie gestanden, trägt auch diese Erwägung, weil der Vorbehalt auch die Verpflichtung aus einem Schenkungsversprechen erfassen würde, mit anderen Worten, die Pflicht zur Erfüllung eines solchen Versprechens selbstverständlich ebenfalls von der Bewilligung der Prämie abhängig wäre. Im Übrigen ist diese zusätzliche Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs auch deswegen fragwürdig, weil sie im Widerspruch steht zu der hauptsächlichen Begründung des Urteils, die Formunwirksamkeit des Schenkungsversprechens sei gemäß § 518 Abs. 2 BGB erst durch die Bewirkung der versprochenen Leistung - hier der Auszahlung der Prämie an den Sohn - geheilt worden. Auf dieser Grundlage ist es ausgeschlossen, dass die Klägerin, wäre das Schenkungsversprechen nicht durch die Prämienzahlung erfüllt worden, Mittel erspart hat, die sie anderenfalls aus ihrem sonstigen Vermögen hätte aufwenden müssen; denn das formlose und mangels Erfüllung formunwirksam bleibende Schenkungsversprechen verpflichtete sie zu nichts (§ 518 Abs. 1 BGB).

6 Die Vorinstanzen haben die nicht weiter substantiiert vorgetragene, unter Zeugenbeweis gestellte und von der Beklagten bestrittene Schenkung nicht weiter aufgeklärt, obwohl beide davon ausgegangen sind, dass sie - jedenfalls im Ansatz - erheblich sein könnte. Dies spricht für die Notwendigkeit, die geltend gemachte Schenkung und in diesem Zusammenhang den Erwerbsvorgang des Fahrzeugs weiter aufzuklären. Nach Aktenlage hat die Familie unter gemeinsamer Anschrift gewohnt und wurde der Kaufpreis in Höhe von 13 500 € in bar bezahlt. Im Beschwerdeverfahren wurde vorgetragen, die Klägerin lebe in bescheidenen Verhältnissen. Die Beweislast für das Bestehen der tatsächlichen Voraussetzungen schutzwürdigen Vertrauens liegt bei der Klägerin, da sie hieraus für sich günstige Rechtsfolgen ableitet (vgl. Urteil vom 18. Juli 2012 - BVerwG 8 C 4.11 - BVerwGE 143, 335 Rn. 79). Der Senat macht im Lichte dessen von seinem Ermessen Gebrauch, den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, zumal die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der erforderlichen Weise dargelegt hat (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

7 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 und § 43 Abs. 1 GKG.