Beschluss vom 06.10.2003 -
BVerwG 4 B 86.03ECLI:DE:BVerwG:2003:061003B4B86.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.10.2003 - 4 B 86.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:061003B4B86.03.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 86.03

  • Hessischer VGH - 10.07.2003 - AZ: VGH 2 A 3208/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Oktober 2003
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. L e m m e l , H a l a m a
und G a t z
beschlossen:

  1. Die außerordentliche Beschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Juli 2003 wird verworfen.
  2. Die Klägerinnen tragen je die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Die außerordentliche Beschwerde der Klägerinnen gegen den Aussetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Juli 2003 ist nicht statthaft. Das Gesetz eröffnet ein solches Rechtsmittel nicht. Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte können nach § 152 Abs. 1 VwGO - vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und § 133 Abs. 1 VwGO sowie § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG - nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
Ein Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Zwar war in der Vergangenheit anerkannt, dass Entscheidungen, die nach dem Gesetz nicht rechtsmittelfähig sind, gleichwohl mit der außerordentlichen Beschwerde angegriffen werden konnten, wenn sie mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar waren (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Dezember 1994 - BVerwG 8 B 200.94 - Buchholz 310 § 152 VwGO Nr. 11 und vom 31. Januar 2000 - BVerwG 8 B 22.00 - Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 25; BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 1992 - VII ZB 3/92 - BGHZ 119, 372, vom 4. März 1993 - V ZB 5/93 - BGHZ 121, 397 und vom 4. April 2000 - VI ZB 9/00 - NJW-RR 2000, 1732). Der Gesetzgeber hat dieser Rechtsprechung inzwischen indes die Grundlage entzogen. Er hat im Rahmen des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1887) § 321 a ZPO geschaffen, der nicht zuletzt eine Abhilfemöglichkeit für diejenigen Fälle vorsieht, die Anlass zur Entwicklung der außerordentlichen Beschwerde gegeben haben. Einen etwaigen Verstoß hat nach dieser Regelung das Gericht zu korrigieren, das den Fehler begangen hat. § 321 a ZPO ist nach § 173 VwGO auch im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar. Sowohl der Bundesgerichtshof als auch das Bundesverwaltungsgericht haben aus der Neuregelung die Folgerung gezogen, dass für eine außerordentliche Beschwerde seither kein Raum mehr ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2002 - IX ZB 11/02 - BGHZ 150, 133; BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 2002 - BVerwG 6 B 28. und 29.02 - NJW 2002, 2657). Dieser Rechtsprechung schließt der Senat sich an.
Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die beantragte Korrektur im Wege der außerordentlichen Beschwerde hier nicht vor. Von einer greifbaren Gesetzlosigkeit kann keine Rede sein.
Der Vorwurf der Willkür geht fehl. Mit Beschlüssen vom 14. Februar 2003 wurden Verfahren zum Ruhen gebracht, in denen die Klägerinnen das Ziel verfolgen, die für den Flughafen Frankfurt erteilte Betriebsgenehmigung einzuschränken. Hierzu setzt sich der angefochtene Aussetzungsbeschluss nicht in einen unauflösbaren Widerspruch. Denn in dem Rechtsstreit, der dieser Entscheidung zugrunde liegt, wehren sich die Klägerinnen gegen die Festlegung von Abflugverfahren.
Auch sonst ist dem Beschluss vom 10. Juli 2003 die Rechtswidrigkeit nicht auf die Stirn geschrieben. § 94 VwGO ermöglicht die Aussetzung des Verfahrens u.a. dann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Dahinstehen kann, ob es in den Verfahren, die der Verwaltungsgerichtshof zum Anlass für seinen Aussetzungsbeschluss genommen hat, im strengen Sinne des Wortes um vorgreifliche Rechtsfragen nach dem Verständnis dieser Vorschrift geht. In der Rechtsprechung - auch des Bundesverwaltungsgerichts - ist anerkannt, dass § 94 VwGO über seinen eigentlichen Anwendungsbereich hinaus einer Analogie zugänglich ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. November 2000 - BVerwG 3 C 3.00 - und vom 8. Dezember 2000 - BVerwG 4 B 75.00 - Buchholz 310 § 94 VwGO Nrn. 14 und 15).
Vor diesem Hintergrund lässt sich der angefochtene Aussetzungsbeschluss jedenfalls nicht als inhaltlich offenkundig unzulässig qualifizieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 und § 159 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.