Beschluss vom 06.09.2007 -
BVerwG 1 WB 61.06ECLI:DE:BVerwG:2007:060907B1WB61.06.0

Leitsätze:

-

Die Zahlungsunfähigkeit eines Soldaten rechtfertigt die Annahme eines Sicherheitsrisikos.

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    BVerwG, Beschluss vom 06.09.2007 - 1 WB 61.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:060907B1WB61.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 61.06

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Major Falk und
den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Hoffelder
am 6. September 2007 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2).

2 Der 1970 geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird aufgrund der besonderen Altersgrenze für Strahlflugzeugführer/Waffensystemoffiziere voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 2011 enden. Zum Hauptmann wurde er am 10. Juli 2003 ernannt. Derzeit wird der Antragsteller im Zentrum für Nachwuchsgewinnung ... in M. als Prüfoffizier verwendet.

3 Für den Antragsteller war am 11. April 2002 eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2/A 2) mit der Anordnung von Auflagen abgeschlossen worden. Der Antragsteller musste danach für die Dauer von drei Jahren halbjährlich eine Erklärung über seine finanziellen Verhältnisse abgeben.

4 Anfang 2005 wurde eine Wiederholungsüberprüfung (Ü 2/W 2) eingeleitet. In seiner Sicherheitserklärung vom 3. Februar 2005 verneinte der Antragsteller die Frage nach erfolgten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen; die Frage, ob er in der Lage sei, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, und ob insoweit keine Veränderungen absehbar seien, bejahte er. Im Rahmen der Überprüfung dieser Angaben führte der Militärische Abschirmdienst am 1. und 6. September 2005 Befragungen des Antragstellers durch.

5 Mit Schreiben vom 17. Januar 2006 hörte der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt den Antragsteller zu den Erkenntnissen an, die der Militärische Abschirmdienst ermittelt hatte:
Die finanzielle Situation des Antragstellers habe sich seit der Sicherheitsüberprüfung im Jahre 2002 nicht verbessert, sondern sogar noch verschlechtert. Der Antragsteller habe mittlerweile ein Insolvenzverfahren beantragt. Zu der schlechten Finanzsituation sei es gekommen, weil der Antragsteller im Jahre 1999 ein Haus für 460 000 DM erworben, aber seinen Lebensstil nicht den durch die Abzahlungsraten verringerten finanziellen Möglichkeiten angepasst habe. Nach der inzwischen erfolgten Zwangsversteigerung des Hauses würden die offenen finanziellen Verpflichtungen rund 100 000 € betragen. Der Antragsteller habe eingeräumt, dass er nicht nur in der Sicherheitserklärung vom 3. Februar 2005, sondern auch in den halbjährlichen Erklärungen zu seinen finanziellen Verhältnissen jeweils falsche Angaben gemacht habe. Außerdem habe der Antragsteller erklärt, dass er wegen Veruntreuung angezeigt worden sei. Er habe als Vorsitzender des Schulelternbeirats die „Kopiergeldkasse“ verwaltet; aus Versehen habe er von diesem Konto die erste Monatsmiete für seine neue Wohnung beglichen, den Betrag jedoch, nachdem ihm der Fehler aufgefallen sei, umgehend zurück überwiesen. Das damals gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren habe er in seiner Sicherheitserklärung nicht angegeben, weil er nicht mehr an die Anzeige gedacht habe. Ferner habe der Antragsteller eingeräumt, am 21. April 2005 von seinem Dienstherrn für einen Umzug einen zweckgebundenen Abschlag von 20 000 € erhalten zu haben, von dem er jedoch zunächst nur 10 000 € an den Spediteur überwiesen und den Restbetrag erst im August 2005 entrichtet habe.

6 Nach Auffassung des Geheimschutzbeauftragten begründeten diese Umstände erhebliche Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Geheimnisträger. Das Finanzgebaren des Antragstellers lasse besorgen, dass er auch bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nicht immer die gebotene Sorgfalt walten lassen werde. Wegen der finanziellen Schwierigkeiten des Antragstellers bestehe außerdem Anlass zur Besorgnis, dass ein fremder Nachrichtendienst sich diese als Ansatzpunkt für einen Anbahnungs- oder Werbungsversuch zunutze machen könnte.

7 Nachdem eine Äußerung des Antragstellers innerhalb der Anhörungsfrist nicht eingegangen war, schloss der Geheimschutzbeauftragte das Verfahren nach Aktenlage ab. Mit Bescheid vom 15. März 2006, dem Antragsteller eröffnet am 30. März 2006, wurde festgestellt, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2/W 2) Umstände ergeben habe, die ein Sicherheitsrisiko darstellten; diese Entscheidung umfasse auch die Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1. Die Entscheidungsgründe folgen im Wesentlichen dem Inhalt des Anhörungsschreibens vom 17. Januar 2006.

8 Mit Schreiben vom 31. März 2006 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen die „Entziehung der Ü 1 und Ü 2“. Seine rechtzeitig abgesandte Antwort auf das Anhörungsschreiben sei nicht angekommen, so dass er keinen Einfluss auf die Entscheidung habe nehmen können.

9 Am 25. April 2006 ging dem Geheimschutzbeauftragten beim ...amt ein Schreiben des Antragstellers vom 11. Februar 2006 zu, mit dem dieser zum Anhörungsschreiben vom 17. Januar 2006 Stellung nahm. Der Antragsteller räumte darin ein, dass der Vorwurf falscher Angaben in der Sicherheitserklärung objektiv zutreffe; subjektiv sei er jedoch von der Annahme geleitet gewesen, dass er die Situation selbst beheben könne. Ferner erläuterte der Antragsteller die Umstände, die zu der für ihn finanziell ungünstigen Zwangsversteigerung des Wohnhauses geführt hätten. In der Angelegenheit der Untreue habe er versehentlich beim Onlinebanking das auf seinen Namen lautende Konto des Schulelternbeirats mit seinem privaten Gehaltskonto verwechselt; das Ermittlungsverfahren sei inzwischen eingestellt worden. Von der Abschlagszahlung für seinen Umzug habe er die Hälfte sofort an den Spediteur überwiesen; mit einem Teil des Restbetrags habe er die Kaution für die neue Mietwohnung gestellt. Es sei nie seine Absicht gewesen, den Spediteur zu schädigen. Mit dem im Januar 2006 eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren würden nunmehr seine Schulden geregelt abgebaut. Zu seinen direkten Vorgesetzten, den zuständigen Dienststellen vor Ort und dem Sozialdienst der Bundeswehr pflege er ein gutes Verhältnis. Sicherheitsmäßige Zweifel an seiner Person seien daher nicht mehr gegeben.

10 Mit Schreiben vom 28. April 2006 erläuterte der Geheimschutzbeauftragte dem Antragsteller nochmals die sicherheitsrechtliche Beurteilung und teilte ihm mit, dass er auch unter Berücksichtigung der nunmehr eingegangenen Stellungnahme zu keinem anderen Ergebnis als in dem Bescheid vom 15. März 2006 komme.

11 Mit Bescheid vom 23. August 2006, den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers zugegangen am 28. August 2006, wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Beschwerde zurück.

12 Insbesondere die unwahren Angaben des Antragstellers in der Sicherheitserklärung verletzten den Kernbereich der Zuverlässigkeit. Der Dienstherr müsse sich jederzeit darauf verlassen können, dass seine Soldaten stets richtige und vollständige Angaben machten. Das abweichende Verhalten des Antragstellers lasse erhebliche Mängel im Hinblick auf Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit erkennen. Hinzu komme, dass der Antragsteller Gelder, die ihm vom Dienstherrn zweckgebunden zur Verfügung gestellt worden seien, nicht ordnungsgemäß verwendet habe. Dies bekräftige die Zweifel an seiner Eignung als Geheimnisträger und lasse den Schluss zu, dass der Antragsteller nicht bereit sei, sich jederzeit rechtstreu zu verhalten. Ferner bestehe eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- oder Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste, die sich insbesondere an Personen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten wenden würden. Der Antragsteller habe sein Konsumverhalten nicht geändert, obwohl ihm seine prekäre finanzielle Situation bewusst gewesen und er durch die Auflagenentscheidung aus dem Jahre 2002 halbjährlich daran erinnert worden sei, dass eine geordnete Finanzlage für eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit von erheblicher Bedeutung sei. Die Prognose, dass der Antragsteller die nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens laufende Wohlverhaltensphase ordnungsgemäß bestehen werde, sei deshalb derzeit nicht möglich. Soweit sich der Antragsteller dagegen wende, dass sein Schreiben vom 11. Februar 2006 keinen Einfluss auf die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten habe nehmen können, sei der Grund für den verspäteten Eingang nicht mehr aufzuklären. Der Geheimschutzbeauftragte habe die Stellungnahme jedoch nachträglich gewürdigt. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos sei auch unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme nicht zu beanstanden.

13 Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 11. September 2006, beim Bundesministerium der Verteidigung eingegangen am selben Tage, beantragte der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - Wehrdienstsenate -. Der Antrag wurde vom Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 3. November 2006 dem Senat vorgelegt.

14 Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Die in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Tatsachen seien richtig. Richtig sei insbesondere, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau mit ca. 90.000 € Schulden belastet sei. Zutreffend sei auch, dass er im Rahmen der Wiederholungsüberprüfung falsche Angaben gemacht habe. Im Januar 2006 sei allerdings das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden, in dessen Rahmen nunmehr eine völlige Kontrolle der Finanzsituation gegeben sei. Aus einer beigefügten Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben ergebe sich nach Abzug aller Verbindlichkeiten ein verfügbarer Betrag in Höhe von 450 € monatlich, so dass von einer Verschlechterung der finanziellen Situation nicht auszugehen sei. Bei einem Verbleiben in seiner ursprünglichen Tätigkeit mit dem Erhalt der Fliegerzulage und der Möglichkeit von Auslandseinsätzen könne er den Schuldenabbau beschleunigen. Durch das Verbraucherinsolvenzverfahren, die Offenbarung gegenüber seinen Vorgesetzten und die ständige Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst der Bundeswehr seien genügend Kontrollmechanismen eingebaut, um den Schuldenabbau zu gewährleisten. Die Sicherheitsüberprüfung hätte daher auch mit einer weiteren Anordnung von Auflagen, beispielsweise in der Form, dass vierteljährlich eine Erklärung über die finanziellen Verhältnisse abzugeben sei, abgeschlossen werden können.

15 Der Antragsteller beantragt,
den Entzug der Ü 1 sowie Ü 2 aufzuheben.

16 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

17 Soweit der Antragsteller ausführe, dass aufgrund seiner aktuellen Situation kein Sicherheitsrisiko mehr bestehe, da er über ausreichende Finanzmittel verfüge und bestrebt sei, seine Schulden abzubauen, sei dies zu begrüßen, vermöge die sicherheitsmäßige Bewertung aber nicht zu ändern. Der Antragsteller befinde sich nach wie vor in einer angespannten finanziellen Situation. Zudem habe er in seinen Erklärungen wiederholt falsche Angaben gemacht. Der Dienstherr müsse sich beim Umgang mit Verschlusssachen uneingeschränkt auf die Wahrheit von Angaben verlassen können. Der aus der Verhaltensweise des Antragstellers resultierende Vertrauensverlust und die sich daraus ergebenden Zweifel an seiner Zuverlässigkeit ließen, insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass die Verfehlungen erst aufgrund der Ermittlungen des Militärischen Abschirmdienstes im Jahre 2005 endeten, nicht mit der erforderlichen Sicherheit den Schluss zu, dass der Antragsteller bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit den Geheimhaltungspflichten gerecht werde. Auch sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit anzunehmen, dass der Antragsteller einer Ansprache durch fremde Nachrichtendienste widerstehen würde, wenn sich für ihn dadurch die Chance zur Lösung seiner finanziellen Probleme eröffnen würde. Eine erneute Auflagenentscheidung sei auch unter Berücksichtigung aller Fürsorgegesichtspunkte nicht angezeigt. Der Antragsteller müsse erst über einen längeren Zeitraum unter Beweis stellen, dass er seine finanzielle Situation beherrsche und ihm das notwendige Vertrauen durch den Dienstherrn wieder entgegengebracht werden könne.

18 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 25-05-12 646/05 - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

19 Der Antrag hat keinen Erfolg.

20 Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 SÜG kann durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheids angefochten werden (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 24. Mai 2000 - BVerwG 1 WB 25.00 - BVerwGE 111, 219 = Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 9, vom 18. August 2004 - BVerwG 1 WB 37.04 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 18 <insoweit nicht veröffentlicht> sowie zuletzt vom 26. Juni 2007 - BVerwG 1 WB 59.06 -). Das Bundesverwaltungsgericht ist sachlich zuständig, weil über die Beschwerde des Antragstellers der Bundesminister der Verteidigung entschieden hat (§ 21 Abs. 1 WBO).

21 Der danach zulässige Antrag ist unbegründet. Der Bescheid des Geheimschutzbeauftragten beim ...amt vom 15. März 2006 in der Fassung der Beschwerdeentscheidung des Bundesministers der Verteidigung vom 23. August 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

22 Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, u.a. Beschlüsse vom 26. Oktober 1999 - BVerwG 1 WB 13.99 - BVerwGE 111, 30 = Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 7 = NZWehrr 2000, 31, vom 24. Mai 2000 a.a.O., vom 30. Januar 2001 - BVerwG 1 WB 119.00 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 10 und vom 18. Oktober 2001 - BVerwG 1 WB 54.01 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 11). Die Beurteilung des Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Soldaten und seiner Verhältnisse darstellt, darf sich dabei nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen, sondern muss auf der Grundlage tatsächlicher Anhaltspunkte getroffen werden. Dabei gibt es keine „Beweislast”, weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, u.a. Beschlüsse vom 18. Oktober 2001 a.a.O. und vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 -; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <353>).

23 Der zuständigen Stelle steht bei der ihr hiernach obliegenden Entscheidung ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle - für die die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage durch den Bundesminister der Verteidigung maßgeblich ist (Beschluss vom 8. November 1994 - BVerwG 1 WB 64.94 - BVerwGE 103, 182 <183> = NZWehrr 1995, 27 m.w.N.) - beschränkt sich darauf, ob diese Stelle von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (Beschluss vom 18. August 2004 a.a.O. m.w.N.).

24 1. Zuständige Stelle für die Beurteilung, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt (§ 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG), ist in dem hier vorliegenden Verfahren der erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) von Soldaten der Geheimschutzbeauftragte beim ...amt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 35 Abs. 3 SÜG und Nr. 2416 ZDv 2/30 Teil C). Grundlage für dessen Entscheidung ist das Ergebnis der Ermittlungen und Maßnahmen, die der Militärische Abschirmdienst als mitwirkende Behörde bei Sicherheitsüberprüfungen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (§ 3 Abs. 2 SÜG, § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 MADG) mitteilt (§ 14 Abs. 1 und 2 SÜG, Nr. 2705 ZDv 2/30 Teil C).

25 2. Der Geheimschutzbeauftragte ist bei der Entscheidung, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, von einem „richtigen Sachverhalt“ ausgegangen.

26 Der Sachverhalt, auf dem die Entscheidung beruht, ist zwischen den Beteiligten im Wesentlichen unstrittig. Der Antragsteller hat ausdrücklich erklärt, dass die in den angefochtenen Bescheiden festgestellten Tatsachen, insbesondere zum Schuldenstand und zur Unrichtigkeit der Angaben in der Sicherheitserklärung vom 3. Februar 2005, zutreffen. Keine eigenen Feststellungen (zu deren Notwendigkeit bei Einstellung des Strafverfahrens vgl. den Beschluss vom 26. Juni 2007 a.a.O. m.w.N.) hat der Geheimschutzbeauftragte lediglich zu der Frage getroffen, ob es sich bei der Überweisung einer Monatsmiete durch den Antragsteller von dem Konto des Schulelternbeirats um ein (möglicherweise fahrlässiges, aber nicht strafbares) Versehen oder um eine Straftat der Untreue (§ 266 StGB) handelte; dieser Teilaspekt ist jedoch auch nicht in die tragenden Gründe der sicherheitsrechtlichen Beurteilung eingegangen.

27 3. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos weist auch keine materiellrechtlichen Fehler auf.

28 Nach der Rechtsprechung des Senats können sich tatsächliche Anhaltspunkte, die Zweifel an der Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) und/oder eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG) und damit ein Sicherheitsrisiko begründen, auch aus einer hohen Verschuldung des Betroffenen ergeben (vgl. Beschlüsse vom 5. Juni 1991 - BVerwG 1 WB 5.90 - BVerwGE 93, 95, vom 8. November 1994 a.a.O., vom 22. Juli 1999 - BVerwG 1 WB 28.99 - und vom 30. Januar 2001 - BVerwG 1 WB 119.00 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 10). Allerdings kann aus der Tatsache einer erheblichen Schuldenlast allein noch nicht zwingend auf das Bestehen eines Sicherheitsrisikos geschlossen werden, jedenfalls so lange nicht, wie der Soldat seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommt und eine seiner Dienststellung entsprechende Lebensführung sicherstellen kann. Erforderlich ist daher stets eine wertende Beurteilung des Einzelfalls.

29 Nach diesen Maßstäben ist die durch den Geheimschutzbeauftragten und den Bundesminister der Verteidigung getroffene Beurteilung nicht zu beanstanden.

30 Die angefochtenen Bescheide stützen sich nicht allein auf den Schuldenstand des Antragstellers in Höhe von zuletzt rund 90 000 €. Verbindlichkeiten in dieser Größenordnung, wie sie beim Erwerb von Immobilien häufig eingegangen werden, müssen für sich genommen nicht bedenklich sein, insbesondere wenn und weil ihnen (mit dem Darlehen erworbene) Sachwerte gegenüberstehen. Im Falle des Antragstellers fehlt es allerdings nach der Zwangsversteigerung seines Hauses an solchen Positionen auf der Haben-Seite. Auch ist es ihm offenkundig nicht gelungen, seinen Schuldenstand seit der mit einem Auflagenbescheid abgeschlossenen Sicherheitsüberprüfung im Jahre 2002 substantiell zu verringern. Vor allem aber steht, worauf die Beschwerdeentscheidung zutreffend hinweist, mit der im Januar 2006 erfolgten Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, die u.a. das Scheitern einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern voraussetzt (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO), die Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers fest (§ 17 i.V.m. § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO). Auf den vom Antragsteller vorgelegten „Ausgabenplan ab August 2005 (Stand 08.09.2006)“ kommt es daher nicht an, abgesehen davon, dass dieser „Ausgabenplan“ - etwa im Vergleich zum Schuldenbereinigungsplan (§ 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO) oder zur Abtretungserklärung an den Treuhänder (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO) - wenig über die Perspektive des Antragstellers bei der Bewältigung seiner finanziellen Schwierigkeiten aussagt.

31 Bereits der Umstand der Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers rechtfertigt die Annahme eines Sicherheitsrisikos durch den Geheimschutzbeauftragten bzw. den Bundesminister der Verteidigung. Hinzu kommt, dass der Antragsteller wiederholt und kontinuierlich - nämlich in sämtlichen der in dem Auflagenbescheid vom 11. April 2002 angeordneten halbjährlichen Erklärungen (vom 26. August 2002, vom 4. Februar 2003, vom 5. August 2003, vom 19. Januar 2004 und vom 5. August 2004) und zuletzt in der Sicherheitserklärung zur Wiederholungsüberprüfung vom 3. Februar 2005 - seinen Dienstherrn durch falsche Angaben über seine finanziellen Verhältnisse getäuscht hat. Dies stellt einen gravierenden Verstoß gegen die Wahrheitspflicht des Soldaten (§ 13 Abs. 1 SG) dar, deren Bedeutung für die sicherheitsrechtliche Beurteilung die angefochtenen Bescheide zutreffend hervorheben. Ferner hat der Antragsteller eine von seinem Dienstherrn erhaltene zweckgebundene Abschlagszahlung zur Umzugsfinanzierung zur Hälfte zweckwidrig verwendet und die bestimmungsgemäße Zahlung an den Spediteur erst mit viermonatiger Verzögerung geleistet. Sowohl mit der Abgabe unrichtiger Erklärungen als auch mit der zweckwidrigen Mittelverwendung hat sich in der Person des Antragstellers die typische Gefahr, die von finanziellen Schwierigkeiten ausgeht, nämlich die Geneigtheit, sich durch rechts- und dienstpflichtwidriges Handeln (vermeintlich) aus den Schwierigkeiten zu befreien, realisiert, und dies obwohl der Antragsteller zusätzlich durch den ihm gegenüber ergangenen Auflagenbescheid gewarnt war. Vor diesem Hintergrund begegnet die Einschätzung des Geheimschutzbeauftragten, dass hinreichende Anhaltspunkte sowohl für Zweifel an der Zuverlässigkeit (insbesondere Wahrhaftigkeit und Rechtstreue) des Antragstellers als auch für dessen Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste bestehen, keinen rechtlichen Bedenken. Der Geheimschutzbeauftragte musste sich, nachdem der Antragsteller die Warnfunktion des Bescheids vom 11. April 2002 in grober Weise missachtet hat und im Hinblick darauf, dass das Sicherheitsinteresse im Zweifel Vorrang vor anderen Belangen hat (§ 14 Abs. 3 Satz 2 SÜG), auch nicht ein zweites Mal auf das mildere Mittel eines Auflagenbescheids (Nr. 2705 Abs. 1, Nr. 2706 ZDv 2/30 Teil C) einlassen.

32 Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus der im Januar 2006 erfolgten Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers (vgl. zum Folgenden Beschluss vom 16. Mai 2002 - BVerwG 1 WB 7.02 - Buchholz 402.8 § 2 SÜG Nr. 2). Zwar ermöglicht die Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens die Erteilung einer Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht (§§ 300, 301 InsO). Dies setzt voraus, dass der Schuldner sein pfändbares Einkommen für die Dauer einer sog. Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren an einen Treuhänder abtritt (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO) und während dieser Zeit weitere Obliegenheiten erfüllt (§ 295 InsO). Die Ankündigung der Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht (§ 291 InsO) löst jedoch keinen Automatismus aus, sondern eröffnet dem Schuldner lediglich die Chance, durch sein eigenes (Wohl-)Verhalten Befreiung von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern zu erlangen. Die Ankündigung der Restschuldbefreiung und erst recht die bloße Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens bedingen oder bewirken deshalb auch nicht zwangsläufig eine positive Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Antragstellers und seiner finanziellen Verhältnisse im Sinne des Sicherheitsüberprüfungsrechts. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn der Geheimschutzbeauftragte bzw. der Bundesminister der Verteidigung im Hinblick auf die Art und Zahl der sicherheitserheblichen Pflichtverstöße von dem Antragsteller verlangt, erst über einen längeren - in etwa der insolvenzrechtlichen Wohlverhaltensperiode entsprechenden - Zeitraum (von fünf Jahren, siehe Nr. 2710 Abs. 2 ZDv 2/30 Teil C) unter Beweis zu stellen, dass er seine finanzielle Situation beherrscht und ihm das notwendige Vertrauen durch den Dienstherrn wieder entgegengebracht werden kann.

33 4. Ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften liegt nicht vor. Soweit die Tatsache, dass der Geheimschutzbeauftragte die verspätet eingegangene Stellungnahme des Antragstellers vom 11. Februar 2006 in der Entscheidung vom 15. März 2006 nicht berücksichtigt hat, einen Anhörungsmangel darstellen sollte, wäre dieser mit der nachträglichen Würdigung durch den Geheimschutzbeauftragten (Schreiben vom 28. April 2006) und mit der Berücksichtigung in der Beschwerdeentscheidung vom 23. August 2006 in entsprechender Anwendung von § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt.

34 Fürsorgemaßnahmen zur Minderung des Sicherheitsrisikos (Nr. 2709 ZDv 2/30 Teil C) wurden, wie sich aus der vom Antragsteller mitgeteilten ständigen Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst der Bundeswehr ergibt, in die Wege geleitet.