Beschluss vom 06.04.2016 -
BVerwG 1 B 22.16ECLI:DE:BVerwG:2016:060416B1B22.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.04.2016 - 1 B 22.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:060416B1B22.16.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 22.16

  • VG Berlin - 27.03.2014 - AZ: VG 4 K 35.11 V
  • OVG Berlin-Brandenburg - 09.10.2015 - AZ: OVG 3 B 5.14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. April 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung - wie sich aus den nachstehenden Gründen ergibt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

2 2. Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg, da sie im Wesentlichen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Mit der Rüge ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Berufungsurteils macht sie zudem einen von dem abschließenden Katalog des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfassten Zulassungsgrund geltend.

3 2.1 Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine von der Beschwerde zu bezeichnende konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung im Revisionsverfahren bedarf. Eine solche Frage lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.

4 2.1.1 Soweit es die Beschwerde unter Verweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. November 2015 - VG 15 K 20.14 V (InfAuslR 2015, 142) - als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet, ob der unbestimmte Rechtsbegriff der "begründeten Zweifel an der Rückkehrabsicht" gemäß Art. 32 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (ABl. L 243 S. 1) - Visakodex (VK) -, zuletzt geändert durch Art. 6 ÄndVO (EU) 610/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl. L 182 S. 1, ber. ABl. L 154 S. 10) gerichtlich voll überprüfbar ist, genügt dieses Vorbringen nicht den Darlegungsanforderungen an eine Grundsatzfrage. Abgesehen davon, dass das Verwaltungsgericht Berlin in der angeführten Entscheidung selbst von einem weiten behördlichen Beurteilungsspielraum ausgeht, ist diese Frage bereits grundsätzlich geklärt. Der Senat hat sie im Anschluss an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-84/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​862], Koushkaki - NVwZ 2014, 289) dahingehend beantwortet, dass die unionsrechtlichen Vorgaben für den weiten Beurteilungsspielraum der Auslandsvertretungen bei der gerichtlichen Kontrolle nach nationalem Recht zu beachten sind, die sich nach den Maßstäben richtet, die bei der Überprüfung eines behördlichen Beurteilungsspielraums nach deutschem Recht gelten (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 37.14 - InfAuslR 2016, 48). Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Beschwerde nicht auseinander und zeigt insbesondere keinen weitergehenden oder erneuten Klärungsbedarf auf.

5 2.1.2 Die Beschwerde macht ferner geltend, die Beklagte habe bei der Anwendung des Art. 32 Abs. 1 Buchst. b des Visakodex die Rückkehrbereitschaft des Klägers nicht konkret und individuell geprüft. Der eingeräumte Beurteilungsspielraum sei nicht ausgefüllt worden, da das Tatbestandsmerkmal der finanziellen Verwurzelung nicht erläutert oder definiert worden sei. Das Berufungsgericht habe die vom Kläger zu seiner wirtschaftlichen Situation vorgelegten Nachweise nicht gewürdigt, weil es von abstrakten Wertungsgrundlagen ausgegangen sei, die es rechtsfehlerhaft für ausreichend erachtet habe. In diesem Zusammenhang hält die Beschwerde die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
"ob der der Beklagten eingeräumte weite Beurteilungsspielraum durch abstrakte Maßstäbe/Wertungsgrundlagen wie ein erhöhtes Antragsvolumen ausgefüllt wird oder ob die persönliche und wirtschaftliche Situation vor Ort konkret in jedem Fall zu prüfen ist, bevor behauptet wird, es mangele an einer Rückkehrbereitschaft des Antragstellers."

6 Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde insoweit den Darlegungsanforderungen genügt, denn die aufgeworfene Frage erweist sich jedenfalls nicht als entscheidungserheblich. Die Beschwerde verschließt sich der Einsicht, dass das Berufungsgericht zur Ausfüllung des Beurteilungsspielraums der Auslandsvertretung nicht allein den erhöhten Migrationsdruck aus dem Iran oder sonst "abstrakte Bewertungsgrundlagen" hat ausreichen lassen. Vielmehr hat es die Einschätzung der Beklagten, auch vor diesem Hintergrund bestünden mangels fester wirtschaftlicher Verwurzelung des als überwiegend selbständig erwerbstätigen Klägers mit einem nur geringen regelmäßigen Einkommen im Iran Zweifel an seiner Rückkehrabsicht, auf der Grundlage der reduzierten gerichtlichen Kontrollmaßstäbe nicht beanstandet. Im Übrigen ist das Berufungsgericht der finanziellen Situation des Klägers nachgegangen und hat sein Vorbringen dazu gewürdigt (UA S. 13 f.). Die Beschwerde wiederholt die Rügen aus dem Berufungsverfahren, die Beklagte habe die maßgeblichen Tatsachen nicht ermittelt und keine Angaben zu den konkreten Voraussetzungen für die Erteilung eines Besuchsvisums gemacht, ohne - was notwendig gewesen wäre - auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung dazu (UA S. 14 Mitte) näher einzugehen. In Wahrheit greift die Beschwerde im Gewande der Grundsatzrüge eine einzelfallbezogene Bewertung des Berufungsgerichts an; damit vermag sie die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO indes nicht zu erreichen.

7 2.2 Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich auch nicht die geltend gemachte Abweichung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Die ausreichende Bezeichnung einer Divergenz setzt gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt und diesem einen ebensolchen Rechtssatz gegenüberstellt, den eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bezeichneten Gerichte in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Die Rüge einer lediglich fehlerhaften Anwendung eines Rechtssatzes des Bundesverwaltungsgerichts - wie hier - genügt hierfür nicht.

8 Im Übrigen hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt. Die Beschwerde hat auch keine fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall dargelegt. Vielmehr stellt sie der Bewertung des Berufungsgerichts nur ihre abweichende Wertung entgegen, ohne im vorliegenden Fall eine Überschreitung der rechtlichen Grenzen des behördlichen Beurteilungsspielraums aufzuzeigen.

9 2.3 Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO), zu der sich die Beschwerde nicht weiter verhält, ist nicht hinreichend bezeichnet.

10 3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

11 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.