Beschluss vom 06.03.2007 -
BVerwG 9 A 24.06ECLI:DE:BVerwG:2007:060307B9A24.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.03.2007 - 9 A 24.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:060307B9A24.06.0]

Beschluss

BVerwG 9 A 24.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. März 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar, Prof. Dr. Rubel, Dr. Nolte und Domgörgen
entschieden:
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Die Klägerin ist Inhaberin eines Landwirtschaftsbetriebes im Ortsteil Schönfeld der Gemeinde Tantow, die dem Brandenburg-Vorpommerschen Amt Gartz (Oder) angehört. Dieser Betrieb bewirtschaftet land- und forstwirtschaftliche Flächen von etwa 2 000 ha beidseits der Eisenbahnstrecke Angermünde-Rosow der Beigeladenen.

2 Ende 2002 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für den Rückbau des Bahnübergangs Schönfeld am Bahn-km 108,21 dieser Strecke und für den Bau eines Seitenweges. Im Juni 2003 reichte die für die Beigeladene tätige Planungsgesellschaft den Plan dem Brandenburgischen Landesamt für Bauen, Verkehr und Straßenwesen zur Durchführung des Anhörungsverfahrens ein. Das Landesamt bat das Amt Gartz, die Planunterlagen für die Dauer eines Monats zur Einsicht auszulegen und die Auslegung vorher ortsüblich bekannt zu machen sowie nicht ortsansässige Betroffene, deren Aufenthalt bekannt ist, gesondert von der Auslegung zu benachrichtigen. Das Amt machte durch Aushang vom 4. Juli 2003 an bekannt, dass die Planunterlagen vom 21. Juli bis 20. August 2003 im Amt Gartz zur Einsicht ausgelegt würden, dass jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt würden, bis zum 3. September 2003 beim Landesamt oder beim Amt Gartz Einwendungen gegen den Plan erheben könne und dass mit Ablauf dieser Frist alle Einwendungen ausgeschlossen seien, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhten. Im angegebenen Zeitraum wurden die Planunterlagen im Amt Gartz zur Einsicht ausgelegt. Innerhalb der Einwendungsfrist erhob die Klägerin keine Einwendungen gegen den Plan.

3 Durch den Planfeststellungsbeschluss vom 27. September 2005 stellte das Eisenbahn-Bundesamt den Plan unter Beifügung von Nebenbestimmungen antragsgemäß fest. Der Planfeststellungsbeschluss enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen ihn innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim Bundesverwaltungsgericht erhoben werde könne. Eine Ausfertigung des Planfeststellungsbeschlusses mit der Rechtsbehelfsbelehrung und einer Ausfertigung des festgestellten Plans wurde vom 1. bis 15. November 2005 im Bau- und Ordnungsamt des Amtes Gartz zur Einsicht ausgelegt. Ort und Zeit dieser Auslegung wurden u.a. durch Aushang in den amtlichen Bekanntmachungskästen der Gemeinde Tantow in Schönfeld, Tantow, Keesow und Damitzow bekannt gemacht. In der Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass der Planfeststellungsbeschluss den Beteiligten, über deren Einwendungen entschieden worden ist, zugestellt worden sei und dass er mit dem Ende der Auslegungsfrist den übrigen Betroffenen gegenüber als zugestellt gelte.

4 Am 27. September 2006 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie trägt vor, der Planfeststellungsbeschluss sei ihr gegenüber nicht bestandskräftig geworden. Gemäß § 20 Abs. 1 AEG a.F. i.V.m. § 73 Abs. 5 Satz 3 VwVfG hätte sie im Anhörungsverfahren von der Auslegung des Plans unterrichtet werden müssen. Sie gehöre zu den nicht ortsansässigen Betroffenen, da der Ort Gartz 15 km von ihrem Betriebssitz entfernt sei. Ihre Betroffenheit sei dem Amt, der Anhörungsbehörde und der Beigeladenen auch bekannt gewesen. Da der Auslegungszeitraum in die Erntezeit gefallen sei, habe sie keine Möglichkeit gehabt, von der Auslegung Kenntnis zu nehmen. Wäre die Klägerin unterrichtet worden und hätte man ihr wie anderen nicht ortsansässigen Betroffenen die Planunterlagen zugestellt, hätte sie Einwendungen erhoben. Sie hätte vorgebracht, dass sie ihre südlich der Eisenbahnstrecke gelegenen Flächen nun nicht mehr erreichen könne, und hätte den Ausbau eines dort verlaufenden Weges verlangt. Der Planfeststellungsbeschluss hätte ihr dann gemäß § 20 Abs. 3 AEG a.F. zugestellt werden müssen. Das sei unterblieben. Deshalb sei die Klage nicht verfristet.

5 Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Planfeststellungsbeschluss vom 27. September 2005 abzuändern und
1. im Wege der Planänderung in diesem Planfeststellungsbeschluss den Ausbau des Weges Nr. 62 zwischen dem Bahnübergang Neuschönfeld und dem Bahn-km 108,21 der Strecke Angermünde-Rosow auf eine Breite von 4 m vorzusehen,
hilfsweise, an die Klägerin eine Entschädigung für die mit dem Planvorhaben zusammenhängenden Beeinträchtigungen, insbesondere durch das Entstehen von Umwegfahrten zu zahlen,
2. die im Eigentum der Klägerin stehenden Bäume links und rechts der Trasse im Bereich zwischen Bahn-km 108,1 und 109,74 bis zu einem Abstand von 50 m von der Trasse zu fällen und zu beseitigen.

6 Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen.

7 Sie hält die Klage für unzulässig, da die Klagefrist versäumt sei.

8 Die Beigeladene hat sich im Klageverfahren zur Sache nicht geäußert.

II

9 Der Senat entscheidet nach vorheriger Anhörung der Beteiligten gemäß § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist.

10 Die Klage ist unzulässig, da die Klägerin die in § 74 VwGO vorgeschriebene Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses, dessen Änderung sie begehrt, nicht eingehalten hat.

11 Gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG wurden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Als Folge hiervon sind auch die hier von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche darauf, der Beigeladenen Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte Betroffener erforderlich sind, hilfsweise auf angemessene Entschädigung in Geld (§ 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG), nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ausgeschlossen. Will ein Betroffener diese Ausschlusswirkung des Planfeststellungsbeschlusses verhindern, darf er diesen nicht unanfechtbar werden lassen. Vielmehr muss auch dann, wenn gemäß § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG kein Anspruch auf Planaufhebung, sondern nur auf Planergänzung geltend gemacht und deshalb Verpflichtungsklage erhoben wird, die für die Anfechtungsklage geltende Frist des § 74 Abs. 1 VwGO eingehalten werden.

12 Diese Frist ist hier versäumt. Der Planfeststellungsbeschluss ist der Klägerin gemäß § 20 Abs. 3 AEG a.F. i.V.m. § 74 Abs. 4 Satz 2 und 3 VwVfG ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Da sie keine Einwendungen erhoben hatte, war ihr nach § 20 Abs. 3 Halbs. 1 AEG a.F. der Beschluss nicht gesondert zuzustellen. Vielmehr galt er ihr gegenüber gemäß § 74 Abs. 4 Satz 3 VwVfG mit dem Ende der Auslegungsfrist am 15. November 2005 als zugestellt. Die ortsübliche Bekanntmachung der Auslegung unter Hinweis auf diese Zustellungsfiktion ist gemäß § 10 Abs. 2 der Hauptsatzung der Gemeinde Tantow in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 9. Juli 2003 erfolgt. Die Klagefrist endete damit am 15. Dezember 2005 deutlich vor der Klageerhebung vom 27. September 2006.

13 Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Etwaige Fehler bei der Durchführung des Verwaltungsverfahrens würden hierfür allein nicht ausreichen, da auch solche Fehler grundsätzlich nur mit einer fristgemäß erhobenen Klage gegen die darauf beruhende Sachentscheidung gerügt werden können. Abgesehen davon lag der von der Klägerin geltend gemachte Fehler des Anhörungsverfahrens nicht vor. Die Klägerin gehörte nicht zu den nicht ortsansässigen Betroffenen im Sinne des hier anzuwendenden § 3 Abs. 2 Satz 3 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes. Denn sie hatte ihren Betriebssitz im Ortsteil Schönfeld der Gemeinde Tantow, in der sich das Vorhaben auswirkt und die deshalb gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG den Plan auszulegen hatte. Dass die Gemeinde gemäß § 4 Abs. 3 der Amtsordnung für das Land Brandenburg bei diesem Verwaltungsgeschäft durch das Amt vertreten wurde, entspricht der Rechtslage. Dass die Auslegung des Plans nicht ortsüblich in Schönfeld bekannt gemacht wurde, hat die Klägerin nicht behauptet.

14 Im Übrigen ergibt sich aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen, dass die Klägerin rechtzeitig über das Vorhaben unterrichtet gewesen sein muss. Denn sie hat vor dem 25. August 2003 den Bürgermeister der Gemeinde Tantow auf das Fehlen einer vertraglichen Sicherung der in den Planunterlagen als Ausgleichsmaßnahme vorgesehenen Entsiegelung einer Fläche auf ihrem Betriebsgelände aufmerksam gemacht und vor dem 18. April 2005 den Geländebedarf für die höhenmäßige Anpassung der vorhandenen Wegezufahrt eines von ihr bewirtschafteten Grundstücks nördlich des zu schließenden Bahnübergangs an den dort geplanten neuen Seitenweg mit der Beigeladenen abgestimmt.

15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides mündliche Verhandlung beantragen. Der Antrag ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen. Hierfür besteht Vertretungszwang. Jeder Beteiligte muss sich, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie die Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, den sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.