Beschluss vom 06.02.2013 -
BVerwG 4 B 39.12ECLI:DE:BVerwG:2013:060213B4B39.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.02.2013 - 4 B 39.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:060213B4B39.12.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 39.12

  • Hessischer VGH - 14.05.2012 - AZ: VGH 3 A 1601/11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Februar 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.

3 a) Soweit die Klägerin dem Verwaltungsgerichtshof vorwirft, von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen zu sein, scheitert ihre Verfahrensrüge daran, dass sie nicht darlegt, dass die angefochtene Entscheidung auf der aktenwidrigen Feststellung - ihr Vorliegen unterstellt - beruht. Die Klägerin zeigt nicht auf, dass ihre Berufung hätte Erfolg haben müssen, wenn der Verwaltungsgerichtshof nicht von dem Inhalt des Bauvorbescheides vom 6. Februar 2008 ausgegangen wäre, den er seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, sondern den vom Kläger behaupteten Inhalt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hätte.

4 b) Die Rüge der Klägerin, der Verwaltungsgerichtshof habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in mehrfacher Hinsicht verletzt, geht fehl. Die Klägerin kritisiert zu Unrecht, dass die Anhörungsmitteilung nach § 130a VwGO irreführend und objektiv geeignet gewesen sei, sie in der Verfolgung ihres Klageanspruchs zu beeinträchtigen.

5 aa) Die Klägerin durfte nach dem Inhalt der Mitteilung nicht davon ausgehen, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens ausschließlich von der - später als nicht entscheidungserheblich bezeichneten - Frage der Geltungsdauer des Bauvorbescheides und nicht allein oder auch davon abhing, ob der Regelungsgegenstand des Bauvorbescheides vom 6. Februar 2008 mit dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben identisch ist. An der Identität hatte das Gericht in der Anhörungsmitteilung nämlich „erhebliche Zweifel“ geäußert. Die Klägerin musste in Rechnung stellen, dass sich die Zweifel nach der abschließenden Beratung zur Gewissheit verdichten, und die Anhörungsmitteilung zum Anlass nehmen, vorsorglich ihre abweichende Sicht der Dinge darzulegen.

6 bb) Der Hinweis in der Anhörungsmitteilung, dem Vorhaben stünden die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 411 „Gewerbegebiet Seulberg II“ 1. Änderung entgegen, ist nicht zu beanstanden. Das Gericht hat zu erkennen gegeben, dass nach seiner Einschätzung die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung vorhabenfeindlich sind. Zwar deckt sich die Anhörungsmitteilung nicht mit dem angefochtenen Beschluss, weil das Gericht in der Anhörungsmitteilung auf die Festsetzung abgestellt hat, zulässig sei nur kleinflächiger Einzelhandel (Textfestsetzung Nr. 1), im Beschluss dagegen darauf, dass Gebäude oder Räume mit mehr als drei auf Geldgewinne ausgerichteten Geldspielgeräten ausgeschlossen sind (Textfestsetzung Nr. 5). Das ist jedoch unschädlich. Die Anhörungsmitteilung war nicht geeignet, die Klägerin in die Irre zu leiten; denn der Rechtsstreit hat durch den Wechsel in der Begründung keine Wende genommen, von der die Klägerin, der das Gericht den Text des Änderungsplans vorab zur Kenntnisnahme übersandt hatte, überrascht sein durfte.

7 cc) Unberechtigt ist der Vorwurf der Klägerin, der Verwaltungsgerichtshof habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt, dass es in der Anhörungsmitteilung seine Ansicht nicht näher begründet habe, mit dem streitgegenständlichen Bauantrag sei ein einheitliches Vorhaben zur Genehmigung gestellt worden, das alle geplanten Nutzungen umfasse. Das Gericht hat auf Seite 7 des Beschlussabdrucks auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen, in dem begründet worden ist, warum die geplanten Nutzungen in den einzelnen Geschossen nicht isoliert betrachtet werden können (VG Frankfurt/Main, UA S. 11). Die Begründung hat es als zutreffend gekennzeichnet und sie sich dadurch zu eigen gemacht.

8 Im angefochtenen Beschluss hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, eine gegenteilige Sichtweise verbiete sich schon deshalb, weil im Dachgeschoss des Gebäudes die gesamte Haustechnik eingerichtet werden solle und sich deren Dimensionierung und Gestaltung an den letztendlich zulässigen Nutzungsarten des Gesamtgebäudes orientierten. Die Klägerin sieht darin eine sachwidrige Darstellung des Prozessstoffes, weil der Gesichtspunkt der Dimensionierung und Gestaltung technischer Anlagen im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens irrelevant sei. Mit ihrer Kritik zeigt sie indes keinen Verfahrensmangel auf, sondern rügt eine fehlerhafte Anwendung sachlichen Rechts.

9 2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Klägerin zeigt nicht auf, dass der Verwaltungsgerichtshof in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Senats im Beschluss vom 21. Dezember 1992 - BVerwG 4 B 182.92 - (BRS 55 Nr. 42) widersprochen hat. Miteinander unvereinbare Rechtssätze arbeitet sie nicht heraus. Ihr dient die Divergenzrüge vielmehr als Anknüpfungspunkt für ihre Kritik, dass der Verwaltungsgerichtshof die Absicht der Beigeladenen gebilligt hat, durch den Ausschluss von Vergnügungsstätten einem befürchteten Trading-Down-Effekt zu begegnen.

10 3. Die Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst.

11 a) Die Frage, ob die gesamte Baugenehmigung versagt werden darf, wenn unterschiedliche Nutzungen in mehreren Etagen zur Genehmigung gestellt werden und ein Teil dieser Nutzungen unzulässig, ein Teil aber zulässig ist und die zulässigen Nutzungen ohne die unzulässigen Nutzungen verwirklicht werden können, lässt sich beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Gegenstand einer bauplanungsrechtlichen Beurteilung eines baurechtlichen Genehmigungsverfahrens ist das Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB. Es ist Sache des Bauherrn, durch seinen Genehmigungsantrag den Inhalt des Vorhabens festzulegen, soweit er sich dabei innerhalb derjenigen Grenzen hält, die einer Zusammenfassung oder Trennung objektiv gesetzt sind (Urteil vom 20. August 1992 - BVerwG 4 C 57.89 - BRS 54 Nr. 50). Ob ein Bauherr ein Gesamtvorhaben oder mehrere Einzelvorhaben zur Genehmigung gestellt hat, beurteilt sich nach dem jeweiligen Genehmigungsantrag, der unter Umständen der Auslegung bedarf. Mehr ist verallgemeinernd nicht zu sagen.

12 b) Die Frage, ob eine Einheit der Bauvorhaben zur Unzulässigkeit eines an sich unstreitig zulässigen Teils führen kann, wenn zunächst das gesamte Vorhaben nach Auffassung der Beteiligten zulässig war, aber dann durch Meinungsänderungen auf Behördenseite unzulässig wird, ist unpräzise und aus sich heraus nicht verständlich. Sollte die Klägerin damit geklärt wissen wollen, ob eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung, die bei ihrer Erhebung begründet war, abzuweisen ist, wenn sie im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung unbegründet ist - etwa weil zwischenzeitlich ein Bebauungsplan in Kraft getreten ist, dessen Festsetzungen das Vorhaben widerspricht -, so wäre ihr entgegenzuhalten, dass kein Klärungsbedarf besteht. Die Frage ist mit dem Verwaltungsgerichtshof zu bejahen (vgl. auch Urteil vom 21. Oktober 2004 - BVerwG 4 C 3.04 - BVerwGE 122, 117 <122>; Urteil vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 16.07 - BVerwGE 133, 98 Rn. 11).

13 c) Die Frage, ob eine Einheit der Bauvorhaben überhaupt zur Unzulässigkeit eines an sich unstreitig zulässigen Teils führen kann, wenn zunächst das gesamte Vorhaben nach Auffassung der Beteiligten zulässig war, aber dann durch eine Veränderungssperre teilweise unzulässig wird, wobei sich diese Veränderungssperre aber nach ausdrücklich geäußertem Planungswillen nicht auf Teile des Vorhabens bezieht, würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Dem Vorhaben der Klägerin steht inzwischen nicht (mehr) eine Veränderungssperre entgegen, sondern die im Berufungsrechtszug erfolgte 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 411 „Gewerbegebiet Seulberg II“.

14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.