Beschluss vom 06.01.2012 -
BVerwG 8 BN 2.11ECLI:DE:BVerwG:2012:060112B8BN2.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.01.2012 - 8 BN 2.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:060112B8BN2.11.0]

Beschluss

BVerwG 8 BN 2.11

  • Hessischer VGH - 01.09.2011 - AZ: VGH 8 C 1144/11.N

In der Normenkontrollsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Januar 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. September 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Antragstellerin ist bei der Kommunalwahl im März 2011 zusammen mit einem weiteren Kandidaten der Liste „Die Republikaner (REP)“ in die Stadtverordnetenversammlung von Wiesbaden gewählt worden. Sie begehrt die Nichtigerklärung von § 5 Abs. 1 der Geschäftsordnung dieser Stadtverordnetenversammlung, der die Fraktionsmindeststärke auf drei Sitze festlegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag abgelehnt und die Revision nicht zugelassen.

2 Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3 1. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenzrüge gehört die Darlegung, mit welchem die angefochtene Entscheidung unmittelbar tragenden abstrakten Rechtssatz der Verwaltungsgerichtshof einem ebensolchen Rechtssatz in einer zu benennenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts widersprochen hat. Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Die Antragstellerin nennt zwar den Beschluss des Senats vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 BN 1.11 - (juris) und bezieht sich auf den dort (Rn. 7) wiederholten Satz aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 1, 208 <238>), dass es der Bindung jedes Normgebers an die verfassungsmäßige Ordnung widersprechen würde, wenn die allgemeine Fassung eines Wahlgesetzes eine gegen eine bestimmte Partei gerichtete Willkürmaßnahme verhüllen würde. Die Antragstellerin arbeitet jedoch keinen entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz heraus, mit dem der Verwaltungsgerichtshof im angefochtenen Beschluss hiervon abgewichen wäre. Stattdessen wendet sie sich nach Art einer Berufungsbegründung gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs, was zur Begründung einer Divergenzrüge nicht geeignet ist.

4 Unabhängig davon hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit seiner Entscheidung, dass § 5 Abs. 1 der Geschäftsordnung nicht gegen Verfassungsrecht verstößt, nicht in Widerspruch zur zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts gesetzt. Danach ist für die Prüfung, ob eine Regelung willkürlich erfolgt ist oder nicht, allein der objektive Regelungsgehalt in den Blick zu nehmen. Motive, die die beschlussfassenden Mitglieder geleitet haben oder geleitet haben könnten, sind unerheblich. Für den Verwaltungsgerichtshof war dieser objektive Maßstab entscheidend.

5 2. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch nicht das rechtliche Gehör der Antragstellerin verletzt, weil er deren Vorbringen dazu nicht hinreichend gewürdigt habe, welche Motive die Stadtverordnetenversammlung bei der Festsetzung der Fraktionsmindeststärke geleitet hätten. Von seinem entscheidungstragenden Rechtsstandpunkt aus, dass die Motivationslage der Stadtverordnetenversammlung unerheblich ist, musste sich der Verwaltungsgerichtshof mit diesem Vortrag der Antragstellerin nicht auseinandersetzen. Im Übrigen verpflichtet der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs die Gerichte nicht, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (Urteil vom 29. November 1985 - BVerwG 9 C 49.85 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177; Beschluss vom 28. März 2011 - BVerwG 8 B 44.10 - ZOV 2011, 131 = juris Rn. 17). Grundsätzlich ist auch davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen sowohl zur Kenntnis genommen als auch in seine Erwägungen mit einbezogen hat, sodass nur bei Vorliegen deutlicher gegenteiliger Anhaltspunkte ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs angenommen werden kann (Beschluss vom 9. Juni 1981 - BVerwG 7 B 121.81 - Buchholz 312 Entlastungsgesetz Nr. 19). Derartige Anhaltspunkte bestehen im vorliegenden Fall nicht.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG.