Beschluss vom 05.11.2002 -
BVerwG 7 B 121.02ECLI:DE:BVerwG:2002:051102B7B121.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.11.2002 - 7 B 121.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:051102B7B121.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 121.02

  • VG Berlin - 04.07.2002 - AZ: VG 29 A 267.96

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. November 2002
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht
G ö d e l , K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerinnen tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die Klägerinnen beanspruchen die Rückübertragung ihrer erbrechtlichen Mitberechtigung an einem mit Garagen bebauten Grundstück, das im Zusammenhang mit einem großräumigen Bauvorhaben durch notariellen Kaufvertrag vom 5. Dezember 1985 an das Volkseigentum veräußert wurde. Der Rückübertragungsantrag war in den Verwaltungsinstanzen erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der allein in Betracht kommende Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG nicht erfüllt sei. Die Revision gegen sein Urteil hat das Verwaltungsgericht nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerinnen hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen zu den rechtlichen Voraussetzungen einer Standorteinordnung i.S. von §§ 8 und 12 des Baulandgesetzes vom 15. Juni 1984 (GBl DDR I S. 201) und zur Bedeutung von Grundstücksbezeichnungen im Rahmen einer Standortbestätigung rechtfertigen die Zulassung der Revision schon deswegen nicht, weil sie die Auslegung irrevisiblen Rechts betreffen. Gleiches gilt für die weitere Frage, ob ein mit Garagen bebautes Grundstück nach den Wertermittlungsvorschriften der DDR i.S. des § 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Entschädigungsgesetz vom 30. April 1960 und des Abschnitts II der Bewertungsrichtlinien zum Entschädigungsgesetz vom 4. Mai 1960 als "unbebaut, nicht landwirtschaftlich genutzt" einzustufen war.
Auch die beiden Fragen, die die Bewertung einer "Enteignungsdrohung" als unlautere Machenschaft betreffen, verleihen der Rechtssache nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Ob eine unlautere Machenschaft anzunehmen ist, wenn dem Abschluss eines Kaufvertrags durch Ankündigung einer Enteignung gegen Entschädigung Nachdruck verliehen wurde, lässt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles beantworten und entzieht sich darum weitgehend einer rechtsgrundsätzlichen Klärung. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerinnen von staatlichen Stellen darauf hingewiesen worden sei, das Grundstück werde enteignet werden, wenn sie es nicht verkaufe. Es hat in diesem Hinweis keine unlautere Machenschaft i.S. des § 1 Abs. 3 VermG gesehen, weil die Voraussetzungen, unter denen nach dem Baulandgesetz das Eigentum an einem Grundstück habe entzogen werden können, in Bezug auf das in Rede stehende Grundstück erfüllt gewesen seien. Das hat das Verwaltungsgericht insbesondere damit begründet, dass für das in den "Investitionskomplex P. Allee/G.straße/E.-Straße, Teilobjekt: Neubau einer Poliklinik und eines Heizhauses" einbezogene Grundstück seit 1982 eine städtebauliche Genehmigung und eine Standortbestätigung vorgelegen hätten, wonach auf dem Grundstück zunächst das Heizhaus und Wohnbebauung, nach einer Planänderung im Jahr 1983 nur noch Wohnbebauung geplant gewesen sei, die im letzten Bauabschnitt habe verwirklicht werden sollen.
Angesichts des vorinstanzlich festgestellten konkreten Planungsstands im Vorfeld des abgeschlossenen Kaufvertrags würde, anders als die Beschwerde meint, in einem Revisionsverfahren nicht darüber zu entscheiden sein, ob bereits "eine schlichte Absichtserklärung" zur Bebauung des Grundstücks ausgereicht hätte, um eine staatliche Enteignungsdrohung für den Fall der Ablehnung des Grundstücksverkaufs nicht als unlautere Machenschaft zu bewerten. Auf der anderen Seite liegt auf der Hand, dass der Hinweis auf eine andernfalls zu erwartende Enteignung gegen Entschädigung unter den gegebenen Umständen nicht schon deshalb eine unlautere Machenschaft darstellt, weil dem Bauauftraggeber die erforderlichen finanziellen Mittel zur Durchführung des Bauvorhabens zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Verfügung gestellt waren. Nach der Rechtsprechung des Senats kann in der Ankündigung einer Enteignung für den Fall des Scheiterns eines Kaufvertrags nur dann eine unlautere Machenschaft i.S. von § 1 Abs. 3 VermG gesehen werden, wenn die angekündigte Enteignung ihrerseits manipulativ oder willkürlich gewesen wäre (Beschluss vom 19. Dezember 1997 - BVerwG 7 B 341.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 132). Daran fehlt es, wenn im Zeitpunkt der Ankündigung zwar noch nicht alle Voraussetzungen der einschlägigen Regelungen des DDR-Rechts zum Eigentumsentzug erfüllt waren, aber nach dem Stand der Dinge erwartet werden durfte, dass sie in absehbarer Zeit erfüllt sein würden.
Nicht von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung ist schließlich die Frage, "ob eine Verschiedenbehandlung jener Eigentümer, deren Grundstücke durch die Zwangsverwalter veräußert sind, und jener Eigentümer, welche aufgrund von Drohung mit Enteignung gegen Entschädigung ihre Grundstücke veräußert haben, gerechtfertigt ist". In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass sich der staatliche Verwalter eines vom Staat benötigten Grundstücks in keiner anderen Lage befand als der Eigentümer, dessen Befugnisse er wahrnahm; auch der staatliche Verwalter hatte nur die Wahl, die drohende Enteignung abzuwarten oder das Grundstück sogleich zu veräußern. Da sich bei Veräußerungen des staatlichen Verwalters zur Abwendung einer sonst drohenden Enteignung nicht das mit der Anordnung der staatlichen Verwaltung verbundene spezifische Verlustrisiko verwirklichte, werden solche Veräußerungen durch die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG nicht erfasst (Urteil vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 57.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 114 S. 349 <352 f.>). Entgegen der Ansicht der Beschwerde kann deshalb keine Rede davon sein, dass gleiche Sachverhalte nach dem Gesetz verschieden behandelt werden. Anders verhält es sich demgegenüber dann, wenn Vermögenswerte, die durch die Anordnung der staatlichen Verwaltung (§ 1 Abs. 4 VermG) von einer schädigenden Maßnahme betroffen waren, unabhängig von einer drohenden Enteignung an Dritte veräußert wurden. In Fällen dieser Art sieht das Gesetz die Veräußerung durch den staatlichen Verwalter deswegen als eine Schädigungsmaßnahme an, weil durch sie das mit der Anordnung der staatlichen Verwaltung begonnene Unrecht fortgesetzt und vertieft wurde (Urteil vom 18. Januar 1996 - BVerwG 7 C 45.94 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 17 S. 29 <32>). Diese Sachverhalte unterscheidet von Fällen einer Veräußerung durch den Eigentümer selbst ihr Bezug auf einen Schädigungstatbestand, der die abweichende Regelung rechtfertigt.
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die entsprechende Rüge der Beschwerde ist unzulässig, weil ein Verfahrensmangel zwar behauptet, aber nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet ist (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.
Gödel Kley Herbert