Beschluss vom 05.02.2002 -
BVerwG 1 B 17.02ECLI:DE:BVerwG:2002:050202B1B17.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.02.2002 - 1 B 17.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:050202B1B17.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 17.02

  • OVG Mecklenburg-Vorpommern - 10.10.2001 - AZ: OVG 2 L 138/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Februar 2002
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht
E c k e r t z - H ö f e r , die Richterin am Bundes-
verwaltungsgericht B e c k und den Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. E i c h b e r g e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 10. Oktober 2001 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die auf Verfahrensmängel gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde sieht einen Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) darin, dass das Berufungsgericht den zur mündlichen Verhandlung geladenen, aber wegen Krankheit nicht erschienenen Zeugen B. A. trotz der Anregung der Prozessbevollmächtigten des Klägers, die Verhandlung zum Zweck der Zeugenvernehmung zu vertagen, nicht gehört habe. Der Zeuge, der einer der führenden Funktionäre der PDR und Bruder des Präsidenten der PDR sei, hätte wesentliche, für die Glaubhaftigkeit des Klägers bedeutsame Aussagen machen können. Er hätte im Einzelnen ausführen können, wann und unter welchen Umständen Mitgliedsbescheinigungen von der PDR ausgestellt würden, und die Vermutung des Gerichts ausräumen können, dass es sich bei der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung um eine Gefälligkeitsbescheinigung handele.
Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht wegen unterbliebener Zeugenvernehmung nicht schlüssig aufgezeigt. Hierfür muss nämlich zunächst dargelegt werden, dass die in das Wissen des Zeugen gestellten Tatsachen nach der materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts entscheidungserheblich waren und eine Vernehmung des Zeugen zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte führen können. Daran fehlt es hier. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben den Zeugen B. A. mit Schriftsatz vom 8. Februar 2000 zum Beweis der Tatsache benannt, dass der Vater des Klägers, im Jahre 1993 in Lomé wohnhaft, gleichwohl die politische Arbeit der PDR im Bezirk Kara organisiert hat. Damit sollte die Auskunft des Auswärtigen Amtes, wonach der für die Region Kara zuständige Sekretär der PDR stets in Kara selbst gewohnt habe, widerlegt werden. Der Zeuge selbst hat mit Telefax vom 10. Oktober 2001 dem Gericht mitgeteilt, er kenne den Vater des Klägers persönlich und könne bezeugen, dass dieser in Lomé gelebt und an der Gründung der PDR in Kara gearbeitet habe, ferner, dass der Kläger schon in Togo und weiterhin in Deutschland für die PDR aktiv sei. Die genannten Umstände hat aber das Berufungsgericht ausweislich der Urteilsgründe nicht in Zweifel gezogen, sondern als wahr unterstellt (UA S. 7 f.), für die Annahme einer politischen Vorverfolgung aber nicht als ausreichend angesehen. Da die Umstände, für die der Zeuge benannt war, somit nicht entscheidungserheblich waren, war das Gericht zu der vom Kläger angeregten Zeugenvernehmung nicht verpflichtet. Soweit die Beschwerde jetzt vorträgt, der Zeuge hätte sich auch über die Umstände der Ausstellung von Mitgliedsbescheinigungen der PDR äußern und die Vermutung einer Gefälligkeitsbescheinigung widerlegen können, hat der Kläger weder auf eine Beweiserhebung in diese Richtung hingewirkt noch musste sich dem Berufungsgericht von Amts wegen eine Vernehmung des Zeugen zu dieser Frage aufdrängen. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, inwiefern eine Aussage zur allgemeinen Praxis der Partei bei der Ausstellung derartiger Bescheinigungen dazu geeignet gewesen wäre, die vom Berufungsgericht aufgezeigten Widersprüche zwischen dem eigenen Verfolgungsvorbringen des Klägers und den Angaben in der Bescheinigung auszuräumen.
Die ferner erhobene Gehörsrüge ist ebenfalls nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargetan. Die Beschwerde bemängelt, das Gericht sei in der mündlichen Verhandlung nicht auf die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung der PDR eingegangen und habe auch in keiner Weise angedeutet, dass es diese Bescheinigung als Gefälligkeitsbescheinigung bewerten werde. Dadurch sei der Kläger unter Verstoß gegen § 108 Abs. 2 VwGO gehindert gewesen, sich hierzu weiter zu äußern. Die Beschwerde verkennt dabei, dass es sich bei der Beurteilung dieser Bescheinigung durch das Berufungsgericht nicht um "Tatsachen und Beweisergebnisse" im Sinne des § 108 Abs. 2 VwGO handelt, sondern um die Würdigung eben dieser Tatsachen und Beweisergebnisse durch das Gericht. Zu einer vorherigen Mitteilung der beabsichtigten Würdigung des Prozessstoffs ist aber das Gericht nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht verpflichtet, zumal sich diese regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (Beschluss vom 28. Dezember 1999 - BVerwG 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 m.w.N.). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn sich die Beweiswürdigung im Einzelfall als Überraschungsentscheidung darstellt, mit der die Beteiligten aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht zu rechnen brauchten. Derartige Umstände sind von der Beschwerde jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr hätte der Kläger insbesondere angesichts des im Schreiben des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12. Juli 2001 enthaltenen Hinweises auf die großzügige Praxis der Ausstellung derartiger Bescheinigungen, von sich aus alle aus seiner Sicht erheblichen Umstände in diesem Zusammenhang vortragen können und müssen. Abgesehen davon gibt die Beschwerde auch nicht - wie erforderlich - an, was der Kläger bei Kenntnis der Beurteilung des Gerichts noch Entscheidungserhebliches ausgeführt hätte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F.