Beschluss vom 04.10.2010 -
BVerwG 9 B 2.10ECLI:DE:BVerwG:2010:041010B9B2.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.10.2010 - 9 B 2.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:041010B9B2.10.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 2.10

  • OVG Rheinland-Pfalz - 21.10.2009 - AZ: OVG 1 A 10482/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Oktober 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet. Die mit ihr erhobenen Grundsatzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greifen nicht durch.

2 1. Die Beschwerde macht einen grundsätzlichen Klärungsbedarf für die folgende Frage geltend:
Welche rechtlichen Möglichkeiten stehen dem Betreiber eines im Außenbereich privilegierten Vorhabens zur Verfügung, wenn eine Gemeinde sich weigert, ein zumutbares Erschließungsangebot anzunehmen, um die von der Rechtsprechung darin erkannte Sicherung der Erschließung tatsächlich durchzusetzen?

3 Erläuternd führt sie hierzu aus, als denkbare Alternativen zur Zubilligung eines notwegeähnlichen Benutzungsrechts des Betreibers kämen ein Anspruch auf Erschließung in Gestalt der Durchführung bestimmter Baumaßnahmen durch die Gemeinde, ein Anspruch auf Vertragsschluss aufgrund gemeindlichen Kontrahierungszwangs oder aber eine zweistufige Regelung in Betracht, bei der vom Betreiber im ersten Schritt die Zulassung zur Benutzung und im zweiten Schritt eine zivil- oder öffentlich-rechtliche vertragliche Regelung über konkrete Nutzungsmodalitäten zu erstreiten wären.

4 Die aufgeworfene Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, da sie sich in einem anschließenden Revisionsverfahren nicht stellen würde. Für einen Teil der von der Beschwerde aufgezeigten alternativen Lösungsmöglichkeiten mag zwar nicht auszuschließen sein, dass diese zu einer anderen, den Vorstellungen der Klägerin noch besser gerecht werdenden Zufahrtsregelung führen würden als die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Konkretisierung eines notwegeähnlichen Benutzungsrechts. Darüber wäre aber auf eine Revision der Klägerin hin nicht zu entscheiden, weil deren Klagebegehren für eine stattgebende Entscheidung im Sinne dieser anderen Lösungsmöglichkeiten keinen Raum lässt. Das Begehren richtet sich auf die Ermöglichung des Ausbaus von Wirtschaftswegen durch die Klägerin und der anschließenden Nutzung dieser Wege durch sie. Anders als bei einer Klage auf Erschließung werden mithin nicht gemeindliche Ausbauarbeiten eingefordert. Ebenso wenig entspricht das Begehren dem von der Klägerin angesprochenen „Denkmodell“ eines Kontrahierungszwangs, da weder der Abschluss eines Erschließungsvertrages noch die Feststellung einer gemeindlichen Kontrahierungspflicht eingefordert wird. Schließlich richtet sich das Klagebegehren auch nicht auf eine zweistufige Regelung, da nicht ein behördlicher Zulassungsakt zur gemeindlichen Einrichtung des Wirtschaftswegenetzes als solcher, kombiniert mit der Feststellung einer Pflicht zum Abschluss einer Vereinbarung über Nutzungsmodalitäten, begehrt wird. Im Übrigen ist auch nicht dargetan, warum bei dieser Lösung, die sich auf eine Inanspruchnahme des gemeindlichen Wirtschaftswegenetzes außerhalb von dessen Zweckbestimmung richtet, hinsichtlich der Nutzungsmodalitäten andere - für den Nutzer großzügigere - Grundsätze als für die vom Oberverwaltungsgericht vertretene Lösung gelten sollten.

5 2. Im Hinblick auf die Veränderungssperre der Beklagten, die das Oberverwaltungsgericht der von der Klägerin geforderten Benutzung der Wirtschaftswegeflächen Gemarkung G. Flur 18 Parzellen 1/7 und 6/1 entgegengehalten hat, sieht die Beschwerde einen Klärungsbedarf für folgende Fragen:
Gilt der in § 14 Abs. 3 BauGB geregelte veränderungssperrenrechtliche Bestandsschutz auch für eine landespflegerische Abbau- und Verfüllgenehmigung deswegen, weil im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung aufgrund der Fassung des § 29 BauGB in Verbindung mit der Landesbauordnung es keiner Baugenehmigung für Abgrabungen und Verfüllungen bedurfte?
Stellt die Verfüllung einer ausgebeuteten Sand- und Kiesgrube die „Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung“ im Sinne des § 14 Abs. 3 BauGB dar?

6 Auch diese Fragen würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Sollten sie zu bejahen sein, folgt daraus nämlich nicht die Unbeachtlichkeit der Veränderungssperre für die Bestimmung der Wegeführung. Selbst wenn das Abbau- bzw. Rekultivierungsvorhaben der Klägerin aufgrund der Altgenehmigungen auf den von diesen Genehmigungen betroffenen Flächen Bestandsschutz genießen sollte, besagt dies nichts über die Wegeführung für den An- und Abfahrverkehr. Da die Zufahrtsproblematik unstreitig nicht Gegenstand dieser Genehmigungen war, kann sich die Klägerin für die erstrebte Wegebenutzung gegenüber der Veränderungssperre von vornherein nicht auf Bestandsschutz berufen.

7 3. Schließlich vermag auch die folgende von der Beschwerde aufgeworfene Frage die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen:
Spielt es bei Anwendung des öffentlich-rechtlichen Notwegs tatsächlich eine abwägungsrelevante Rolle, in welcher Gemeinde der Standort des Abbaus liegt, und folgt daraus, dass die Standortgemeinde vorrangig ihr Wirtschaftswegenetz zur Verfügung stellen muss; ist es nicht in erster Linie dem privilegierten Vorhabenträger überlassen, welche Wirtschaftswege er aus Betriebssicht (Herstellungs- und Unterhaltungskosten) benutzen will, um die ihm grundsätzlich zustehende Erschließung zu sichern?

8 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reicht es im Falle einer mehrfachen, die Entscheidung jeweils selbständig tragenden Begründung des angefochtenen Urteils nicht aus, wenn nur für eine dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorläge (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 15 m.w.N.). Gleiches gilt erst recht, wenn nur für eine nicht selbständig tragende - beispielsweise ergänzende oder im Rahmen einer Gesamtwürdigung angestellte - Erwägung ein Zulassungsgrund zu bejahen wäre, während ein solcher für eine weitere, auch selbständig tragende Begründung zu verneinen ist. Hiervon ausgehend kann es auf die aufgeworfene Frage nicht ankommen. Das Oberverwaltungsgericht ist bei der Auswahl der Wegerichtung (§ 917 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend) zwar von der Rechtsauffassung ausgegangen, es seien die Gesamtumstände zu berücksichtigen, und hat insoweit sowohl auf die überwiegende Belegenheit der Abbaugrundstücke auf dem Gebiet der Stadt Bingen als auch auf die Veränderungssperre abgestellt, die wirksam sei und der die alternative Wegeführung zuwiderlaufe. Eine wirksame Veränderungssperre stellt indes nicht nur einen im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Abwägungsgesichtspunkt, sondern - vorbehaltlich einer hier nicht erteilten Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB - ein rechtliches Hindernis dar, das schon für sich genommen der alternativen Wegeführung entgegensteht und damit die getroffene Auswahlentscheidung selbständig trägt. Da die Rügen, mit denen die Beschwerde die Erheblichkeit der Veränderungssperre in Zweifel gezogen hat, nach den obigen Ausführungen (unter 2.) nicht durchgreifen, kommt es auf die hier in Rede stehende Fragestellung letztlich nicht an.

9 Unabhängig davon lässt sich die aufgeworfene Frage aus dem Gesetz beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Im Rahmen einer Würdigung der Gesamtumstände müssen nur solche Umstände unberücksichtigt bleiben, deren Einbeziehung sachwidrig wäre. Dass dies für die Berücksichtigung der schwerpunktmäßigen Belegenheit der Abbauflächen im Gebiet der Stadt Bingen zuträfe, ist nicht ersichtlich und von der Beschwerde nicht ansatzweise dargetan worden.

10 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.