Beschluss vom 04.09.2014 -
BVerwG 1 B 16.14ECLI:DE:BVerwG:2014:040914B1B16.14.0

Beschluss

BVerwG 1 B 16.14

  • VG Dresden - 03.03.2011 - AZ: VG 3 K 366/08
  • OVG Bautzen - 07.07.2014 - AZ: OVG 3 A 18/14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. September 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Prof. Dr. Kraft
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Der sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Zwar wäre es ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Vorschrift, wenn das Berufungsgericht den Antrag des Klägers, ihm wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 60 i.V.m. § 124a Abs. 6 VwGO), zu Unrecht abgelehnt hätte (vgl. etwa Beschluss vom 21. September 1992 - BVerwG 9 B 188.92 - Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 75). Das Berufungsgericht hat den Antrag indessen zu Recht abgelehnt und die Berufung deshalb gemäß § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig verworfen.

2 Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Frist zur Begründung der Berufung mit einer ersten wirksamen Zustellung an einen Prozessbevollmächtigten auch dann zu laufen beginnt, wenn - wie hier - ein Kläger durch einen weiteren Prozessbevollmächtigten vertreten ist, und daher die am 17. Februar 2014 abgelaufene Berufungsbegründungsfrist durch den am 22. April 2014 bei Gericht eingegangenen Begründungsschriftsatz nicht gewahrt worden ist.

3 Das Berufungsgericht hat dem Kläger zu Recht die beantragte Wiedereinsetzung in die abgelaufene Berufungsfrist versagt. Das Berufungsgericht hat zutreffend dahin erkannt, dass der Kläger den Antrag, ihm Wiedereinsetzung in die am 17. Februar 2014 abgelaufene Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, erst mit am 7. Mai 2014 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz und damit nicht innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt hat. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die zu dem Kläger angelegte Mandantenakte dem Prozessbevollmächtigten Ende März bzw. Anfang April 2014, jedenfalls bis zum 2. April 2014, vorgelegt worden ist. Aus dem Akteneinsichtsgesuch vom 2. April 2014, das nach dem Vorbringen des Bevollmächtigten des Klägers gestellt worden sei, um sich bis dahin nicht bekannte Verfahrensunterlagen zu beschaffen, hat es gefolgert, dass dieser das Fehlen des Berufungszulassungsantrages und der Erwiderung der Beklagten erst bei Vorlage und Durchsicht der Mandantenakte habe bemerken können und daher bei dieser Vorlage (spätestens) am 2. April 2014 Gelegenheit und Anlass zur Prüfung gehabt habe, ob die von seiner Sekretärin auf die Ausfertigung des Zulassungsbeschlusses notierte Berufungsbegründungsfrist zutreffend berechnet worden sei; dass die Mandantenakte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht vorgelegt, sondern zur Auslösung des Akteneinsichtsgesuchs von der Sekretärin eigenständig durchgesehen worden sein könnte, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (und wird auch mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geltend gemacht). Diese Überlegungen legen nicht rechtsfehlerhaft einen zu strengen Sorgfaltsmaßstab zugrunde, der die Anforderungen an die anwaltlichen Sorgfaltspflichten überspannt (stRspr; BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2004 - 1 BvR 1892/03 - BVerfGE 110, 339), oder nehmen die besonderen Umstände des Falles nicht hinreichend zur Kenntnis.

4 Keine andere Beurteilung rechtfertigt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein Rechtsanwalt die Akten, die ihm am Vorfristtage als Vorfristsache vorgelegt werden, nicht sofort bearbeiten und auch die von seinem Büropersonal notierte Frist zur Begründung eines Rechtsmittels nicht sofort überprüfen muss (BGH, Beschluss vom 9. März 1999 - VI ZB 3/99 - NJW 1999, 2048). Denn das Berufungsgericht hat nicht abstrakt darauf abgestellt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Mandantenakte sofort hätte bearbeiten und dabei darauf hätte überprüfen müssen, ob die vom Büropersonal notierte Frist zutreffend ist. Es hat darauf abgestellt, dass der Prozessbevollmächtigte bei der Durchsicht der Akte auf Vollständigkeit der für die Berufungsbegründung erforderlichen Unterlagen, also bei einer tatsächlichen Bearbeitung, Gelegenheit und Anlass zur selbständigen und eigenverantwortlichen Prüfung gehabt hätte, ob die vom angestellten Büropersonal eingetragene Frist richtig berechnet worden ist (s.a. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 - V ZB 111/05 - BGHReport 2006, 255).

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.