Beschluss vom 04.07.2006 -
BVerwG 5 B 68.06ECLI:DE:BVerwG:2006:040706B5B68.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.07.2006 - 5 B 68.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:040706B5B68.06.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 68.06

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 04.04.2006 - AZ: OVG 2 A 2926/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juli 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. April 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.
  4. Das Verfahren über den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist erledigt.

Gründe

1 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen der ihr von dem Beigeladenen beigemessenen grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

2 1. Die von dem Beigeladenen aufgeworfene Frage,
„ob das Tatbestandsmerkmal ‚Fähigkeit zum Führen eines einfachen Gesprächs aufgrund der familiären Vermittlung’ voraussetzt, dass die bis zur Bekenntnisfähigkeit erworbenen Sprachkenntnisse, ohne Unterbrechung, auf zumindest dem Niveau eines einfachen Gesprächs bis zum Zeitpunkt der Aussiedlung fortbestehen müssen, oder ob es dem o.a. Tatbestandsmerkmal auch genügt, wenn die Sprachkenntnisse nach einem erstmaligen Erwerb bis zum Niveau eines einfachen Gesprächs u.U. zwar vorhanden waren, danach aber etwa durch langjährigen Nichtgebrauch, wieder verloren gingen, dann aber später erneut bis zum Erreichen dieses Sprachniveaus oder noch darüber hinaus erworben sind,"
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie sich nach den insoweit bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht stellte. Das Berufungsgericht hat zwar keine ausdrücklichen positiven Feststellungen zu dem Sprachniveau der Klägerin in der Zeit zwischen dem Erreichen der Selbständigkeit und dem Zeitpunkt der Ausreise getroffen. Es hat aber auch nicht festgestellt, dass die Klägerin ihre vom Berufungsgericht festgestellte Fähigkeit, dass sie „auch noch zum Zeitpunkt ihrer Selbständigkeit aufgrund der familiären Vermittlung ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen konnte“ (Urteilsabdruck S. 12), zwischenzeitlich verloren gehabt hätte und die festgestellte Fähigkeit, im Zeitpunkt der Ausreise ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen, nicht mehr auf familiärer Vermittlung beruhe, sondern in außerfamiliären Umständen gründe. Das Berufungsgericht hat vielmehr die Überzeugung gewonnen, dass die für den Zeitpunkt der Ausreise festgestellten, hinreichenden „deutschen Sprachkenntnisse der Klägerin in diesem Sinne familiär erworben sind und nicht auf nachträglichem Spracherwerb beruhen“ (Urteilsabdruck S. 10). Soweit der Beigeladene davon ausgeht, dass „die Klägerin, ohne dass das OVG etwas anderes festgestellt hatte, in der Zwischenzeit, nach Verlassen des elterlichen Haushalts, ihre deutschen Sprachkenntnisse zu einem ganz entscheidenden Teil wieder verloren hatte“, und hierfür auf das Ergebnis der Überprüfung der Sprachkenntnisse vor dem Generalkonsulat in Nowosibirsk am 26. August 1999 abstellt, geht sie von einem so durch das Berufungsgericht nicht festgestellten Sachverhalt aus; das Berufungsgericht hat vielmehr ausgeführt, dass das Ergebnis dieser Anhörung „entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung des Beigeladenen (...) nicht die Feststellung (rechtfertigt), der Klägerin sei die deutsche Sprache familiär nicht vermittelt worden, weil sie damals nicht in der Lage gewesen sei, ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache zu führen“ (Urteilsabdruck S. 13).

3 Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 3. Mai 2006 (11 B 02.29 39 ; nunmehr Verfahren BVerwG 5 C 23.06 ) mit Bindungswirkung für das Bundesverwaltungsgericht (§ 132 Abs. 3 VwGO) in einem Fall, in dem er positiv einen deutlichen Rückgang der in der Prägephase familiär erworbenen Sprachkenntnisse festgestellt hatte, die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen hat, „ob die familiär vermittelten Sprachkenntnisse den einzigen Grund dafür bilden müssen, dass ein Bewerber um den Spätaussiedlerstatus im Zeitpunkt der Aussiedlung in der Lage ist, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen, oder ob im Sinne der vorstehend vertretenen Auffassung eine bloße Mitursächlichkeit der familiär vermittelten Deutschkenntnisse ausreicht“, und es als klärungsbedürftig bezeichnet, ob mit dem im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 2004 (- BVerwG 5 B 2.04 -) „enthaltenen Hinweis auf die Unschädlichkeit zusätzlich erworbener Sprachkenntnisse nur der Fall gemeint ist, dass der Betroffene auch ohne die außerfamiliär erworbenen Fertigkeiten in der Lage gewesen wäre, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen (der Besuch von Sprachkursen etc. mithin nur im Rahmen überobligatorischer Bemühungen erfolgte), oder ob es ausreicht, dass auf familiäre Sprachvermittlung zurückgehende Deutschkenntnisse, die zwischenzeitlich jedoch teilweise in Vergessenheit geraten sind, durch außerfamiliäre Formen der Sprachvermittlung wieder auf das gesetzliche Anforderungsniveau angehoben wurden, ohne dass der Bewerber um den Spätaussiedlerstatus das Deutsche jedoch wie eine Fremdsprache von Grund auf neu erlernen musste, weil er auf einen Bestand an familiär vermittelten Fertigkeiten zurückgreifen konnte“, rechtfertigt auch dies nicht die Zulassung der Revision in dem vorliegenden Verfahren. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass das Sprachvermögen der Klägerin zwischenzeitlich unter das gesetzliche Anforderungsniveau abgesunken sei und ihre im Zeitpunkt der Aussiedlung an den Tag gelegten sprachlichen Fertigkeiten auf einer „Gemengelage“ aus familiärer und außerfamiliärer Vermittlung beruhten.

4 2. Auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache weist auch nicht das Vorbringen der Beschwerde, die „Behauptung des Gerichts, die Anhörung vor dem Generalkonsulat in Nowosibirsk sei unverwertbar, da sie nur 35 Minuten gedauert habe“, enthalte einen grundsätzlicher Klärung bedürftigen Rechtssatz dahin, „eine solche Anhörung müsse, um überhaupt berücksichtigt werden zu können, eine Mindestdauer vorweisen und dürfe nur einfache Fragen enthalten“. Das Beschwerdevorbringen wendet sich der Sache nach in der Gestalt der Grundsatzrüge gegen die einzelfallbezogene Würdigung der Ergebnisse dieser Anhörung durch das Berufungsgericht, die einer fallübergreifenden, rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist, und vernachlässigt, dass das Berufungsgericht seine Bewertung, die Mängel der protokollierten Anhörung ließen Schlüsse auf die damaligen deutschen Sprachkenntnisse nicht zu, auf verschiedene Umstände der Durchführung der Anhörung gestützt hat, ohne die einzelnen Bewertungsgesichtspunkte zu jeweils selbständig tragenden, rechtsgrundsätzlich möglicherweise klärungsfähigen verfahrensrechtlichen, fallunabhängig anzuwendenden formellen Mindestanforderungen zu verdichten.

5 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2, § 72 Nr. 1 GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).

6 4. Da dem Beigeladenen die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt worden sind, ist das Begehren der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren erledigt; die Kostentragungslast des Beigeladenen umfasst auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.