Beschluss vom 04.07.2005 -
BVerwG 9 B 6.05ECLI:DE:BVerwG:2005:040705B9B6.05.0

Beschluss

BVerwG 9 B 6.05

  • OVG des Landes Sachsen-Anhalt - 04.11.2004 - AZ: OVG 1 L 140/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juli 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. E i c h b e r g e r und
D o m g ö r g e n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Grundurteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. November 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 47 550,15 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Die Beschwerde sieht als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage an:
"Stellt ein Vertrag zwischen einer Kommune und einer Privatperson einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar, wenn in diesem Vertrag Regelungen getroffen sind über die Durchführung von Erschließungsmaßnahmen an einer Bundesstraße und dieser Vertrag unmittelbar in Verbindung mit der Erteilung einer Baugenehmigung steht? Gilt dieses auch für in diesem Vertrag enthaltene Verpflichtungen zur Übernahme straßenrechtlicher Unterhaltungsmehraufwendungen im Verhältnis zwischen der Privatperson und der Kommune?"
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der erste Satz dieser Frage sich in dem angestrebten Revisionsverfahren überhaupt stellen würde. Denn die in der Fragestellung eingeschlossene Aussage, dass in dem streitgegenständlichen Vertrag Regelungen über die Durchführung von Erschließungsmaßnahmen getroffen seien, steht im Widerspruch zu der das Berufungsurteil tragenden Rechtsauffassung, wonach die Beteiligten nach dem Regelungsinhalt der Vereinbarung "weder einen städtebaulichen Vertrag noch einen Erschließungsvertrag geschlossen" haben (UA S. 7, vorletzter Absatz). Dies kann indes offen bleiben. Jedenfalls bedarf es zur Beantwortung der vorbezeichneten Frage nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sie sich ohne weiteres anhand des Gesetzes und vorhandener Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten lässt: Danach beurteilt sich die Rechtsnatur eines Vertrages als privatrechtlich oder als öffentlich-rechtlich (i.S.v. § 54 VwVfG des Bundes oder der gleichlautenden Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder) nach dem Gegenstand und der Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses, das durch den Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben wird (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85 - BVerwGE 74, 368 <370> = NJW 1986, 2359). Maßgebend für die Zuordnung ist, ob der wesentliche Sachverhalt und prägende Vertragsgegenstand vom Zivilrecht oder vom öffentlichen Recht geordnet ist und mit ihm in einem engen Zusammenhang steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2000 - BVerwG 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162 <164> = NVwZ 2000, 1285 <1286>; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54 Rn. 73 ff. <76>). Ausgehend von Satz 1 der Fragestellung der Beschwerde ergibt sich der öffentlich-rechtliche Charakter des Vertrages daraus, dass die Vorschriften über die Erschließung eines Grundstücks und über die Zulassung eines Bauvorhabens im Baugesetzbuch (vgl. §§ 123 ff., 30 ff. BauGB) sowie diejenigen über die Erteilung einer Baugenehmigung im Bauordnungsrecht der Länder und sämtlich unzweifelhaft Normen des öffentlichen Rechts enthalten. Nach öffentlichem Recht richtet sich auch die in Satz 2 der Fragestellung erwähnte Verpflichtung zur Übernahme von straßenrechtlichen Unterhaltungsmehraufwendungen (vgl. § 7a FStrG). Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass - entgegen der Darstellung der Beschwerdebegründung (S. 3 unten) - auch das Berufungsgericht ausdrücklich davon ausgeht, dass die streitgegenständliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist (UA S. 7, dritter Absatz).
b) Die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage, ob
"eine Kommune berechtigt (ist), freiwillig von ihr übernommene Unterhaltungsmehraufwendungen für eine Ortsdurchfahrt, hinsichtlich derer die Kommune nicht die Straßenbaulast trägt, vertraglich auf Privatpersonen abzuwälzen,"
führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass nach dem hier begründeten dreiseitigen Vertragsverhältnis, nämlich zunächst aufgrund der Knotenpunktvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland (vertreten durch die Landesstraßenbauverwaltung) und der klagenden Gemeinde vom Februar 1994 und weiter aufgrund der Nachfolgevereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten Mehrkosten i.S.v. § 7a FStrG (geltend gemacht wird hier ein einmaliger Ablösebetrag für kapitalisierte Unterhaltungsmehrkosten) im Ergebnis von der Beklagten getragen werden sollen. Die genannte Vorschrift sieht (ebenso wie Parallelnormen der Landesstraßengesetze) vor, dass für den Fall, dass eine Bundesfernstraße "wegen der Art des Gebrauchs durch einen anderen aufwendiger hergestellt oder ausgebaut werden muss," der Begünstigte dem Träger der Straßenbaulast die Mehrkosten für den Bau und die Unterhaltung zu vergüten hat. Es handelt sich um einen gesetzlich geregelten Kostenausgleich und spezialgesetzlichen Fall eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (vgl. Marschall/Schroeter/Kastner, Bundesfernstraßengesetz, 5. Aufl. 1998, § 7a Rn. 1; Sauthoff, Straße und Anlieger, 2003, § 25 Rn. 1335, 1337). Hier ist die Bundesstraße aufgeweitet worden, indem eine Linksabbiegespur angelegt wurde, um eine verkehrssichere Zufahrt zu dem von der Beklagten geplanten Bauvorhaben (Tankstelle mit Verbrauchermarkt) zu gewährleisten. Gerade die Anlegung eines besonderen Abbiegestreifens oder einer Linksabbiegespur wird als ein Anwendungsfall des § 7a FStrG angesehen (vgl. BayVGH, Urteil vom 23. April 1996 - 8 B 95.877 - BayVBl 1996, 628 <630>; Rinke, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, Kap. 15 Rn. 15.13; Sauthoff, a.a.O., § 25 Rn. 1337; Marschall/ Schroeter/Kastner, a.a.O., § 7a Rn. 1, 2 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung in BTDrucks 7/1265, S. 16). Die Beschwerde vermag schon nicht schlüssig aufzuzeigen, dass die auf den konkreten Fall mit der eigentümlichen Konstellation einer freiwilligen Übernahme der Zahlungspflicht für Unterhaltungsmehraufwendungen durch eine Gemeinde und deren vertragliche "Weitergabe" an einen Privaten zugeschnittene Frage über diesen Einzelfall hinausgehenden rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf aufwirft. Zudem legt die Beschwerde auch nicht näher dar, was einer vertraglichen Regelung entgegenstehen soll, die im Ergebnis eine Zahlungspflicht festschreibt, welche sich für die Beklagte ohnehin aus § 7a FStrG ergibt (vgl. dazu etwa VGH Mannheim, Urteil vom 5. August 1986 - 8 S 380/96 - VBlBW 1997, 27 für das Straßengesetz für Baden-Württemberg).
c) Mit der weiteren Frage, ob
"die Kommune berechtigt (ist), von ihr im Rahmen einer Vereinbarung mit der Bundesstraßenverwaltung übernommene Unterhaltungsmehraufwendungen auf einen privaten Dritten (Anlieger) in Form einer Einmalzahlung (Ablösung) abzuwälzen, wenn feststeht, dass die den Unterhaltungsmehraufwendungen zugrunde liegenden Ausbaumaßnahmen der Bundesstraße sowohl im kommunalen Interesse liegen als auch im Interesse weiterer Anlieger,"
unterstellt die Beschwerde tatsächliche Feststellungen, die so vom Berufungsgericht nicht getroffen wurden. Das Berufungsgericht hat nicht, wie die Beschwerde ihrer Fragestellung unterlegt, festgestellt, dass "die den Unterhaltungsmehraufwendungen zugrunde liegenden Ausbaumaßnahmen der Bundesstraße sowohl im kommunalen Interesse liegen als auch im Interesse weiterer Anlieger." Es hat lediglich entschieden, dass spätere Veränderungen im Knotenbereich an der B 6 ohne Einfluss auf die Höhe der zuvor - im Interesse der Klägerin - entstandenen Unterhaltungsmehrkosten sind. Die aufgeworfene Frage würde sich in der gestellten Form in dem angestrebten Revisionsverfahren daher nicht stellen.
2. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt auch nicht eine Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Insoweit genügt die Beschwerde nicht den Anforderungen an die Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes (§ 133 Abs. 3 VwGO). Erforderlich hierfür ist, dass die Beschwerde - erstens - einen allgemeinen Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts anführt und - zweitens - dem einen inhaltlich bestimmten, die angegriffene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz gegenüberstellt, mit dem das Berufungsgericht von dem erstgenannten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sei (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26, S. 14). An Beidem fehlt es hier. Die Beschwerde gibt bereits den im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 1975 - BVerwG 4 C 2.73 - Buchholz 406.11 § 123 BBauG Nr. 13 aufgestellten Rechtssatz nicht zutreffend wieder, indem sie dieser Entscheidung die Aussage entnimmt, dass durch öffentlich-rechtlichen Vertrag die dem Bund obliegende Straßenbaulast nicht auf eine Kommune übertragen werden könne. In dem besagten Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht diesen Rechtssatz lediglich ("jedenfalls") für den Fall aufgestellt, dass die vertragliche Übertragung "ohne Mitwirkung der nach § 5 Abs. 4 FStrG bei der Festsetzung von Ortsdurchfahrten zu beteiligenden Behörden" stattgefunden hat. Unabhängig davon ist im vorliegenden Fall nicht die Straßenbaulast (vollumfänglich) auf die Gemeinde übertragen worden, sondern es wurden lediglich Mehrkosten für eine konkrete Ausbaumaßnahme vom Bund auf die Gemeinde (und von dieser weiter auf die Beklagte) abgewälzt. Im Übrigen benennt die Beschwerde in diesem Zusammenhang keinen im Urteil des Berufungsgerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz. Allein die Rüge, dass das Berufungsgericht "von einer selbstverständlichen Wirksamkeit sowohl des Vertrages zwischen dem Bund und der Klägerin als auch der Klägerin und der Beklagten" ausgehe, genügt dem erkennbar nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 52 Abs. 3, § 47 GKG.