Beschluss vom 04.07.2003 -
BVerwG 7 B 130.02ECLI:DE:BVerwG:2003:040703B7B130.02.0

Leitsatz:

Hat der Verfügungsberechtigte im Falle der vermögensrechtlichen Rückübertragung eines Grundstücks, das er aus Volkseigentum erworben hatte, einen Anspruch auf Rückzahlung des von ihm geleisteten Kaufpreises (jetzt § 7 a Abs. 1 VermG), sind auf diesen Rückzahlungsanspruch die Regelungen über Verzugszinsen (§§ 288, 286 BGB) nicht entsprechend anwendbar.

  • Rechtsquellen
    VermG § 7 a Abs. 1
    BGB § 288 Abs. 1

  • VG Berlin - 18.07.2002 - AZ: VG 31 A 72.02

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.07.2003 - 7 B 130.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:040703B7B130.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 130.02

  • VG Berlin - 18.07.2002 - AZ: VG 31 A 72.02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juli 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 9 205,02 € festgesetzt.

Der Kläger begehrt die Zahlung von Verzugszinsen. Er erwarb im März 1990 gegen Zahlung von 58 010 M vom Rechtsträger, dem Magistrat von Berlin, das Eigentum an einem seinerzeit volkseigenen Grundstück. Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm er einen Kredit auf. Durch Bescheid vom 13. August 1991 übertrug der Beklagte das Eigentum an dem Grundstück auf eine frühere Eigentümerin als Berechtigte zurück und bestimmte zugleich, das Land Berlin habe den Kaufpreis (im Verhältnis von 2 zu 1 umgestellt) an den Kläger zurückzuzahlen, wobei die Kreditaufnahme zu berücksichtigen sei. Der Bescheid wurde im November 1993 bestandskräftig. Der Beklagte zahlte den Kaufpreis im Oktober 2000 an den Kläger zurück. Dessen auf die Zahlung von Verzugszinsen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, weil es an einer Anspruchsgrundlage fehle. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Für grundsätzlich bedeutsam hält der Kläger die Frage,
ob die verspätete Rückzahlung des Kaufpreises im Rahmen eines Rückabwicklungsverhältnisses in Folge der Anwendung der § 3 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 lit. a VermG a.F. (Fassung 1991) durch die Behörde den Berechtigten zur Geltendmachung von Verzugszinsen grundsätzlich berechtigt, jedenfalls aber dann, wenn die Zahlungsverpflichtung auf einem Verwaltungsakt basiert, bei dem die Rückzahlung ausdrücklich von der Berücksichtigung einer durch den Begünstigten erfolgten Kreditaufnahme abhängig gemacht wird.
Zur Klärung dieser Frage bedarf es nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Die aufgeworfene Frage kann anhand der schon ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet werden, soweit eine Antwort möglich ist, die über den Einzelfall hinausweist.
Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts, der zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet. Werden öffentlich-rechtliche Geldforderungen nicht erfüllt, können Zinsen nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage verlangt werden (Urteil vom 3. November 1988 - BVerwG 5 C 38.84 - BVerwGE 80, 334 <335>). Dies gilt auch für Geldforderungen des Bürgers gegen den Staat. Verzug setzt entsprechend § 286 BGB Verschulden voraus. Schäden, die durch eine verspätete Leistung verursacht sind, können grundsätzlich nur nach den Regelungen über die Amtspflichtverletzung (Art. 34 GG, § 839 BGB) beurteilt werden (Urteil vom 18. Mai 1973 - BVerwG 7 C 21.72 - Buchholz 451.80 Außenhandelsrecht - Allgemeines Nr. 19 S. 50 <53>). Für derartige Ansprüche ist nur der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO).
Das Vermögensgesetz enthält keine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in den Fällen, in denen der Staat als früherer Rechtsträger des Volkseigentums einen Anspruch des Verfügungsberechtigten auf Rückzahlung eines geleisteten Kaufpreises schuldhaft verspätet erfüllt. Das Vermögensgesetz regelte in der hier noch anzuwendenden Fassung die Frage nicht, ob und von wem ein geleisteter Kaufpreis an den Verfügungsberechtigten zurückzuzahlen ist, wenn das Eigentum an dem aus Volkseigentum erworbenen Grundstück an einen Berechtigten zurückübertragen wird. Diese Frage hat erst § 7 a Abs. 1 VermG geregelt, der durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) in das Vermögensgesetz eingefügt wurde. Die Änderungen des Vermögensgesetzes durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz finden nur für solche Verfahren Anwendung, die bei In-Kraft-Treten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes noch nicht durch eine das behördliche Verfahren abschließende Verwaltungsentscheidung beendet waren. Im Fall des Klägers war bei In-Kraft-Treten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes das Verwaltungsverfahren bereits durch den am 4. Dezember 1991 erlassenen Widerspruchsbescheid abgeschlossen.
Ein im Verwaltungsrechtsweg durchsetzbarer Anspruch auf Verzugszinsen kann in analoger Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB allerdings dann bestehen, wenn der Schuldner mit einer Geldleistung in Verzug ist, die in einem Austauschverhältnis zur Gegenleistung des anderen Partners eines öffentlich-rechtlichen Vertrages steht (Urteil vom 15. März 1989 - BVerwG 7 C 42.87 - BVerwGE 81, 312, <317 f.>). Dasselbe gilt, wenn sich der Anspruch auf die Geldleistung aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis herleitet, auf das die Vorschriften über gegenseitige Verträge entsprechend anwendbar sind (Urteil vom 21. Februar 1995 - BVerwG 1 C 11.93 - BVerwGE 98, 18 <30>).
Es bedarf jedoch nicht erst eines Revisionsverfahrens, um zu klären, dass der Anspruch des Verfügungsberechtigten auf Rückzahlung eines geleisteten Kaufpreises keine Leistung ist, die in einem Austauschverhältnis zur Gegenleistung des Partners eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder eines vergleichbaren gesetzlichen Schuldverhältnisses steht.
Die Pflicht des Rechtsträgers des ehemaligen Volkseigentums oder dessen Rechtsnachfolgers, einen erhaltenen Kaufpreis zurückzuzahlen, steht nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu einer Leistungspflicht des Verfügungsberechtigten. Das Vermögensgesetz dient der Wiedergutmachung erlittenen Unrechts. Die rechtsstaatswidrig entzogenen Eigentumsrechte werden durch staatlichen Hoheitsakt wiederhergestellt. Der Restitutionsbescheid ist auf die einseitige öffentlich-rechtliche Neubegründung von Eigentum zwecks Wiedergutmachung eines früheren Eigentumsentzugs gerichtet. Hat der Verfügungsberechtigte - wie hier - das Grundstück nicht unmittelbar durch die Schädigung, sondern später aus Volkseigentum erworben, erbringt er im Zuge der Wiedergutmachung keine vertragliche oder vertragsähnliche Leistung an den Rechtsträger des ehemaligen Volkseigentums oder dessen Rechtsnachfolger. Die vermögensrechtliche Rückübertragung des Eigentums an den Berechtigten ist nicht von der Rückzahlung eines Kaufpreises abhängig, den der Verfügungsberechtigte bei seinem Erwerb des Grundstücks gezahlt hat.
Soweit der Kläger geltend macht, sein Anspruch auf Verzugszinsen ergebe sich unmittelbar aus dem Rückübertragungsbescheid vom 13. August 1991, weil dieser ausdrücklich bestimme, dass die Kreditaufnahme bei der Sparkasse zu berücksichtigen sei, fehlt es an einer Frage, deren Beantwortung über den Einzelfall hinaus weisen könnte.
2. Das angefochtene Urteil weicht nicht im Verständnis von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab, welche der Kläger in seiner Beschwerde benannt hat.
a) Der Kläger entnimmt den Urteilen vom 21. März 1986 - BVerwG 7 C 70.83 - (NVwZ 1986, 554) sowie vom 15. März 1989 - BVerwG 7 C 42.87 - (BVerwGE 81, 312 <318>) den abstrakten Rechtssatz, dass der Grundsatz, nach dem Verzugszinsen nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage verlangt werden können, sich nur auf gesetzliche Leistungspflichten oder solche vertraglichen Verpflichtungen beziehe, die nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stünden, hingegen in entsprechender Anwendung des § 288 Abs. 2 BGB (in der seinerzeit noch geltenden Fassung) ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ausnahmsweise in Betracht kommen könne, wenn die Geldleistungspflicht eine vertragliche Hauptleistungspflicht sei, die in einem Gegenleistungsverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners stehe. Das Verwaltungsgericht hat aber weder ausdrücklich noch sinngemäß einen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt. Der Vorwurf des Klägers geht der Sache nach dahin, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Pflicht zur Rückzahlung des Kaufpreises in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu seiner Leistungspflicht auf Rückgewähr des Grundstücks gestanden habe. Damit macht der Kläger nur geltend, das Verwaltungsgericht habe den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz im Einzelfall nicht oder nicht zutreffend angewandt. Dies stellt keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar.
Dasselbe gilt für die weitere Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 1986 der Annahme gegenseitiger Verpflichtungen im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Vertrages nicht entgegenstehe, wenn die Regelung, aus der das Gegenseitigkeitsverhältnis erwachse, in einem Verwaltungsakt geregelt sei. Davon abgesehen, hat das Bundesverwaltungsgericht nur entschieden, der Annahme eines öffentlich-rechtlichen Vertrages stehe nicht entgegen, dass für die Erfüllung der vertraglichen Leistungspflicht ein Verwaltungsakt vorgesehen sei, denn die Behörde könne sich in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zum Erlass eines Verwaltungsakts verpflichten. Eine solche Fallgestaltung stand hier nicht inmitten.
Unbehelflich ist der weitere Hinweis des Klägers, das Bundesverwaltungsgericht habe in der Entscheidung vom 21. März 1986 offen gelassen, ob die Rechtsprechung zur (begrenzten) Zuerkennung von Verzugszinsen einer Erweiterung bedürfe. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht gerade keinen Rechtssatz aufgestellt. Wenn das Verwaltungsgericht, wie der Kläger offenbar meint, es zu Unrecht unterlassen haben sollte, die Möglichkeit zu erörtern, ob weitere Ausnahmen von dem Grundsatz zuzulassen sind, dass Verzugszinsen nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage verlangt werden können, kann es nicht im Verständnis von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht abgewichen sein.
b) Der Kläger entnimmt den Urteilen vom 17. Februar 1971 - BVerwG 4 C 17.69 - (BVerwGE 37, 239), vom 10. April 1975 - BVerwG 3 C 78.73 - (BVerwGE 48, 133) und vom 3. November 1988 - BVerwG 5 C 38.84 - (BVerwGE 80, 334) den abstrakten Rechtssatz, es gebe keinen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts, der zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichte; vielmehr gelte für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen des Staates der in § 233 Satz 1 AO 1979 zum Ausdruck kommende abgabenrechtliche Grundsatz, dass Zinsen nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage verlangt werden könnten. Diesen Rechtssatz hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich zugrunde gelegt. Richtig ist zwar der weitere Hinweis des Klägers, das Bundesverwaltungsgericht habe in den von ihm benannten Entscheidungen auch geprüft, ob auf dem jeweiligen Sachgebiet vorhandene Vorschriften über die Verzinsung von Geldleistungen eine abschließende Regelung darstellten. Er zeigt aber nicht auf, inwieweit das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift einen anderen Rechtssatz aufgestellt hat. Für die von ihm untersuchten Anspruchsgrundlagen (§ 7 a Abs. 3 a VermG, § 33 Abs. 3 a VermG) ist das Verwaltungsgericht ersichtlich von abschließenden Regelungen ausgegangen, die Verzugszinsen auf einen zurückzuzahlenden Kaufpreis nicht erfassen sollen.
c) Der Beschluss vom 29. Dezember 1995 - BVerwG 5 B 31.95 - (Buchholz 436.0 § 111 BSHG Nr. 2), das Urteil vom 18. Mai 2000 - BVerwG 5 C 27.99 - (BVerwGE 111, 213 <219>) sowie das Urteil vom 22. Februar 2001 - BVerwG 5 C 34.00 - (BVerwGE 114, 61 <66>) enthalten keinen abstrakten Rechtssatz, der hier einschlägig wäre. Diese Entscheidungen verhalten sich allein zum Anspruch auf Prozesszinsen in entsprechender Anwendung von § 291 BGB. Insoweit geht das Bundesverwaltungsgericht von einem allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts aus, nach dem für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten sind, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft (vgl. die Nachweise bei BVerwGE 114, 61 <62>). Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in den Entscheidungen, die der Kläger benannt hat, den Rechtssatz aufgestellt, dieser Grundsatz lebe wieder auf, wenn eine entgegenstehende Regelung des Fachrechts aufgehoben werde. Hier geht es hingegen nicht um Prozesszinsen in entsprechender Anwendung von § 291 BGB, sondern um Verzugszinsen in entsprechender Anwendung von § 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 2 GKG. Bei der Festsetzung des Streitwerts hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger der Sache nach die Zulassung der Revision nur beschränkt begehrt, nämlich nur insoweit, als das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich der beanspruchten Verzugszinsen abgewiesen hat.