Beschluss vom 04.06.2008 -
BVerwG 4 B 34.08ECLI:DE:BVerwG:2008:040608B4B34.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.06.2008 - 4 B 34.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:040608B4B34.08.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 34.08

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 12.02.2008 - AZ: OVG 4 KS 8/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juni 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und Dr. Jannasch
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Divergenzrüge führt nicht zur Zulassung der Revision. Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (stRspr). Eine derartige Abweichung legt die Beschwerde nicht dar.

3 Der beschließende Senat hat in seinem Urteil vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - (BVerwGE 127, 95) ausgeführt: Die Planrechtfertigung ist ein ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung und eine Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in Rechte Dritter verbunden ist. Sie ist nicht nur zu prüfen, wenn Dritte für das Vorhaben enteignet werden sollen, sondern immer dann, wenn das Vorhaben mit Eingriffen in ihre Rechte einhergeht. Art. 14 Abs. 1 GG schützt den Eigentümer auch vor mittelbaren Beeinträchtigungen seines Eigentums durch ein planfeststellungsbedürftiges Vorhaben. Auch derartige Eigentumsbeeinträchtigungen müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Ein mittelbar eigentumsbetroffener Kläger kann deshalb geltend machen, dass für das beabsichtigte Vorhaben - gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes - kein Bedarf streitet. Nicht verlangen kann er freilich die Prüfung, ob die mit dem Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen generell geeignet sind, entgegenstehende Eigentumsrechte zu überwinden, d.h. insbesondere das Gemeinwohlerfordernis des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG auszufüllen (Rn. 33). In seinem Urteil vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05 - (BVerwGE 128, 358) hat er diese Grundsätze wiederholt (Rn. 48). Das Oberverwaltungsgericht nimmt im angegriffenen Urteil auf das den Verkehrsflughafen Leipzig/ Halle betreffende Urteil des Senats vom 9. November 2006 ausdrücklich Bezug und wiederholt die Grundsätze zum Teil wörtlich (UA S. 23). Es führt sodann unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weiter aus: Eine Flughafenplanung ist nach dieser Rechtsprechung dann gerechtfertigt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der vom Luftverkehrsgesetz verfolgten Ziele - die als solche indes im Falle nur mittelbarer Betroffenheit des Anliegers selbst nicht zur Überprüfung anstehen - ein Bedürfnis in dem Sinne vorhanden ist, dass es vernünftigerweise geboten ist. Die Beschwerde entnimmt der in der Parenthese enthaltenen Einschränkung einen Rechtsgrundsatz, der von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht. Eine entscheidungserhebliche Abweichung liegt indes nicht vor. Denn das Oberverwaltungsgericht bringt damit ersichtlich nur zum Ausdruck, dass ein nur mittelbar betroffener Anlieger die Vereinbarkeit der vom Luftverkehrsgesetz verfolgten Ziele mit höherrangigem Recht nicht zur Überprüfung stellen kann. Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen dieser Einschränkung zu folgen ist, kann dahinstehen. Denn weder legt die Beschwerde dar, noch ist sonst ersichtlich, dass es für das Oberverwaltungsgericht auf diese Einschränkung im vorliegenden Fall überhaupt ankam. Davon abgesehen macht auch die weitere Begründung des Oberverwaltungsgerichts deutlich, dass es der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Gefolgschaft nicht verweigern wollte. Denn es bejaht - gemessen an den Zielen des Luftverkehrsgesetzes - ein Bedürfnis in dem Sinne, dass das Vorhaben vernünftigerweise geboten ist. Daraus wird deutlich, dass das Gericht den Klägern als mittelbar Betroffenen nicht etwa die Befugnis, das Vorliegen eines derartigen Bedarfs zu rügen und seine gerichtliche Überprüfung zu erreichen, absprechen will. Es sieht vielmehr die planfestgestellte Maßnahme schon unter dem Aspekt der Zielsetzung der Verbesserung der Luftverkehrssicherheit als - offenkundig - vernünftigerweise geboten an. Dass die Verbesserung der Luftverkehrssicherheit zu den Zielen gehört, die mit den Mitteln des Luftverkehrsgesetzes verfolgt werden dürfen, steht außer Frage (vgl. auch unten 2.2).

4 2. Die Rechtssache hat auch nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).

5 2.1 Die Frage, ob die (nur) nachbarlich betroffenen Kläger einer luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung befugt sind, im Rahmen ihrer Rügen der fehlenden Planrechtfertigung auch das Fehlen der fachplanerischen Zielkonformität zu rügen, ist durch die unter 1. genannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.

6 2.2 Die Frage, ob geplante Verlängerungen von Start- und Landebahnen im Rahmen der luftrechtlichen Planfeststellung gemäß § 8 LuftVG unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit der den Flughafen nutzenden Luftfahrzeuge unter rechtlichen Gesichtspunkten geeignet sind, die erforderliche Planrechtfertigung der Verlängerung zu begründen, wäre in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich und ließe sich im Übrigen auch nicht losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls rechtsgrundsätzlich beantworten. Der vorliegende Fall ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass ein bereits vorhandener Rollweg (einschließlich seiner Rollwegschultern) durch die angefochtene Entscheidung in die ebenfalls vorhandene Start- und Landebahn integriert werden soll, wobei die Landeschwellen aus Gründen der Hindernisfreiheit in ihrer bisherigen Lage verbleiben. Dadurch ergibt sich in einer Richtung eine verlängerte Landestrecke. Im Hinblick darauf gäbe ein Revisionsverfahren keinen Anlass, in der von der Beschwerde gewählten Allgemeinheit zu entscheiden, ob die Verlängerung einer Start- und Landebahn mit Gesichtspunkten der Sicherheit gerechtfertigt werden kann. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt, dass auch zur Begründung der Planrechtfertigung Gesichtspunkte der Sicherheit berücksichtigt werden können (Urteil vom 11. Juli 2001 - BVerwG 11 C 14.00 - BVerwGE 114, 364, 375). Ob und inwieweit Gesichtspunkte der Sicherheit einerseits und der Luftverkehrsbedarf andererseits bestimmte bauliche Maßnahmen rechtfertigen können, lässt sich jedoch nicht in rechtsgrundsätzlicher Weise abstrakt klären.

7 Allerdings kann der in der Beschwerde anklingenden Rechtsansicht, Gesichtspunkte der Sicherheit des Luftverkehrs dürften im Rahmen der Planrechtfertigung nur dann berücksichtigt werden, wenn durch Änderungen des Regelwerks der ICAO oder anderer Vorschriften Anpassungen eines Flughafens erforderlich werden, nicht gefolgt werden, da sie der Vielfalt möglicher Gründe für eine Planfeststellung oder Genehmigung sowie ihrer Änderung nicht gerecht wird.

8 2.3 Auch die Frage, ob eine erneute fachplanerische Abwägung von Fluglärmbelastungen lärmbetroffener Kläger entbehrlich ist, wenn ein luftrechtliches Ausbauvorhaben im Wege der Teilaufhebung gemäß § 77 VwVfG reduziert und so die zu erwartende Fluglärmbelastung der Anwohner voraussichtlich unterhalb derjenigen der Bezugsplanfeststellung liegen wird, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Denn das Oberverwaltungsgericht ist nicht von dem Rechtsgrundsatz ausgegangen, dass eine erneute fachplanerische Abwägung im Falle einer teilweisen Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses entbehrlich sei. Vielmehr hebt es hervor, im Hinblick auf die nur noch den Gegenstand der Planfeststellung bildende bloße Umwidmung eines (vorhandenen) Rollwegs sei nur noch ein erheblich reduzierter Abwägungsvorgang geboten gewesen. Angesichts zahlreicher - vom Gericht benannter (UA S. 26) - Umstände, die dazu führten, dass keine abwägungsrelevante stärkere Emissionsbelastung bewirkt werde, sei insoweit eine neue Abwägung entbehrlich gewesen. Insbesondere führe die Änderung nicht zu einer Erhöhung der Verkehrsfrequenz (UA S. 27). Damit würdigt es Besonderheiten des Einzelfalls, die sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung entziehen.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.