Beschluss vom 04.06.2003 -
BVerwG 7 B 41.03ECLI:DE:BVerwG:2003:040603B7B41.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.06.2003 - 7 B 41.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:040603B7B41.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 41.03

  • VG Berlin - 21.01.2003 - AZ: VG 25 A 113.01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juni 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 47 764 € festgesetzt.

Die Kläger beanspruchen als Erben nach ihrer 1974 verstorbenen Mutter die Rückübertragung eines Einfamilienhausgrundstücks, das nach ihrer Ausreise aus der DDR 1961 unter staatliche Verwaltung gestellt wurde und vom staatlichen Verwalter 1970 an die Eltern der Beigeladenen verkauft wurde. Den Rückübertragungsantrag lehnten die Verwaltungsbehörden wegen redlichen Erwerbs ab. Das Verwaltungsgericht gab der Klage durch Urteil vom 13. Juli 1999 statt, weil ein redlicher Erwerb der Eltern der Beigeladenen nicht habe festgestellt werden können. Das Bundesverwaltungsgericht hob das Urteil auf die Revision der Beigeladenen durch Urteil vom 28. Februar 2001 - BVerwG 8 C 10.00 - BVerwGE 114, 75 auf und verwies die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht den Beklagten wiederum zur Rückübertragung des Grundstücks an die Kläger verpflichtet, weil greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine mögliche Unredlichkeit der Eltern der Beigeladenen vorlägen; die Zweifel an der Redlichkeit der Erwerber ergäben sich daraus, dass sie noch am Tag des Vertragsabschlusses ohne die erforderliche Grundstücksverkehrsgenehmigung als Eigentümer eingetragen worden seien und eine vertragsgemäße Kaufpreiszahlung nicht habe festgestellt werden können. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen erhobene Beschwerde der Beigeladenen hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beschwerde möchte geklärt wissen, welche Anforderungen vorliegen müssen, um "greifbare Anhaltspunkte für die Redlichkeit des Erwerbs" annehmen zu können. Die Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von einer Grundannahme der Redlichkeit ausgegangen. Es konnte trotz Ausschöpfen aller in Betracht kommenden Aufklärungsmöglichkeiten nicht feststellen, ob die Eltern der Beigeladenen das Grundstück im Einklang mit den in der DDR geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis (§ 4 Abs. 3 Buchst. a VermG) erworben hatten. Daher hat es geprüft, ob die Grundannahme der Redlichkeit des Erwerbs erschüttert war, weil greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für die Möglichkeit eines unredlichen Erwerbs bestanden. Der rechtliche Ansatz des Verwaltungsgerichts entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 30. November 2000 - BVerwG 7 C 87.99 - Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 12; Urteil vom 30. November 2000 - BVerwG 7 C 94.99 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 8; Urteil vom 28. Februar 2001 - BVerwG 8 C 3.00 - Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 13; Urteil vom 28. Februar 2001 - BVerwG 8 C 10.00 - BVerwGE 114, 75). Soweit die Beschwerde geklärt wissen möchte, wann greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für die Möglichkeit eines unredlichen Erwerbs vorliegen, entzieht sich die Frage einer weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärung, weil sie sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beantworten lässt. Allerdings genügt es nicht, dass greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine mögliche Unredlichkeit nur behauptet, aber in der Beweisaufnahme nicht erhärtet werden (Beschluss vom 6. Januar 1999 - BVerwG 7 B 226.98 - Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 1). Das hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Die Angriffe der Beschwerde gegen die Würdigung der Tatsachen durch das Verwaltungsgericht zeigen keinen Bedarf an weiterer rechtsgrundsätzlicher Klärung auf.
Auch die weitere Frage, "wann ... eine gezielte Beeinflussung des Erwerbsvorgangs und damit nicht nur ein einfacher Verstoß gegen die zur Zeit des Erwerbs in der DDR geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätze und eine ordnungsgemäße Verwaltungspraxis vor(liegt)", hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Sie lässt sich nicht unabhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles beurteilen und ermöglicht darum keine fallübergreifenden Aussagen von allgemeiner Bedeutung, die über die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung zu einem manipulativen Erwerb hinausgehen. Davon abgesehen bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die vom Verwaltungsgericht als greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine mögliche Unredlichkeit der Erwerber festgestellten Umstände im Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang, insbesondere ihre Eintragung als Eigentümer noch am Tag des Vertragsschlusses ohne vorhandene Grundstücksverkehrsgenehmigung, aus objektiver Sicht als manipulativ zu bewerten sind.
2. Die Revision ist auch nicht wegen Abweichung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Beschwerde behauptet eine Abweichung von dem Urteil vom 28. Februar 2001 - 8 C 10.00 - a.a.O., durch das das erste Urteil des Verwaltungsgerichts in dieser Sache aufgehoben wurde. Bei Richtigkeit dieser Behauptung wäre keine Divergenz, sondern ein Verfahrensfehler anzunehmen, weil dann das Verwaltungsgericht nicht die rechtliche Beurteilung des Revisionsurteils zugrunde gelegt und damit gegen § 144 Abs. 6 VwGO verstoßen hätte (Beschluss vom 17. März 1994 - BVerwG 3 B 24.93 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 57). Davon abgesehen liegt die behauptete Missachtung der Bindungswirkung der zurückverweisenden Entscheidung nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat sich nicht mit der bloßen Behauptung der Kläger begnügt, der Kaufpreis für das Grundstück sei nicht gezahlt worden. Es hat festgestellt, dass sich in den Verwaltungsvorgängen kein Nachweis über die Zahlung des Kaufpreises an den staatlichen Verwalter findet und auch die Beigeladene keine Quittung über die Kaufpreiszahlung vorlegen konnte. Es hat weiter festgestellt, dass die Erwerber den Kaufpreis nach Vertragsabschluss und Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung an den staatlichen Verwalter zu zahlen hatten, diese Vorgabe aber schon deswegen nicht erfüllten, weil eine Grundstücksverkehrsgenehmigung nicht erteilt wurde. Das Verwaltungsgericht hat schließlich festgestellt, dass abweichend vom Vertrag der Verwaltervermerk und die eingetragenen Grundpfandrechte erst zwei Jahre nach Abschluss des Kaufvertrags unter Übergang des Eigentums auf die Erwerber im Grundbuch gelöscht wurden. Es hat diese Tatsache dahin gewürdigt, dass sie dann einen Sinn ergebe, wenn die Eintragung des Verwaltervermerks "gleichsam als Pfand für die spätere Zahlung des Kaufpreises" im Grundbuch verblieben wäre. Angesichts dessen entbehrt die behauptete Divergenz jeder Grundlage.
3. Auch die geltend gemachten Verfahrensfehler rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Zu Unrecht sieht die Beschwerde einen Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) darin, dass das Verwaltungsgericht die Beigeladene nicht danach gefragt habe, an welchem Ort der Kaufvertrag abgeschlossen worden sei. Da die Beigeladene an der Beurkundung nicht teilgenommen und dem Beschwerdevorbringen zufolge von ihrer Mutter "nur ungenaue Hinweise erhalten (hat), die auf eine Beurkundung des Kaufpreises in ihrer Wohnung hinweisen könnten", hätte eine erneute Befragung der Beigeladenen zur Klärung der Frage des redlichen Erwerbs nichts Erhebliches beitragen können; davon abgesehen hat das Verwaltungsgericht die "entscheidenden Zweifel" an der Redlichkeit der Erwerber aus den festgestellten Anhaltspunkten für eine nicht vertragsgemäße Kaufpreiszahlung abgeleitet, so dass sich ihm nach seiner Rechtsauffassung eine nähere Aufklärung des Beurkundungsorts nicht aufdrängen musste. Entsprechendes gilt für die von der Beschwerde vermisste Klärung der Frage, ob der Vater der Beigeladenen "eine Vorbildfunktion hatte und einer breiten Öffentlichkeit bekannt war". Soweit die Beschwerde bemängelt, dass das Verwaltungsgericht "die Pflichten des Urkundsbeamten" und die "Aufgaben des staatlichen Verwalters" nicht im Einzelnen geklärt habe, genügt die Rüge bereits nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Bezeichnung des Verfahrensmangels, weil sie im ersten Punkt die in Betracht kommenden geeigneten Beweismittel nicht angegeben und im zweiten Punkt erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage die Behauptung aufgestellt hat, die Initiative zum Verkauf des Grundstücks sei vom staatlichen Verwalter ausgegangen.
Die mit der Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) begründete Verfahrensrüge ist unzulässig. Mit diesem Vorbringen macht die Beschwerde eine fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und der erhobenen Beweise geltend. Abgesehen davon, dass mit Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung in aller Regel ein materiellrechtlicher Mangel und nur ausnahmsweise ein Verfahrensmangel bezeichnet werden kann, legt die Beschwerde nicht einmal ansatzweise dar, dass die Voraussetzungen für einen solchen Verfahrensmangel vorliegen könnten. Denn ein Verstoß gegen die Grundsätze der Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist im Rahmen der Tatsachenwürdigung nur dann gegeben, wenn die Vorinstanz gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder einen unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Hierzu trägt die Beschwerde nichts vor, sondern setzt lediglich der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung im angefochtenen Urteil eine davon abweichende eigene Würdigung entgegen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.