Beschluss vom 04.04.2006 -
BVerwG 7 B 17.06ECLI:DE:BVerwG:2006:040406B7B17.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.04.2006 - 7 B 17.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:040406B7B17.06.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 17.06

  • VG Chemnitz - 24.11.2005 - AZ: VG 5 K 2096/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. April 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Guttenberger
beschlossen:

Die durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 4. Oktober 1995 erfolgte Beiladung der Bundesrepublik Deutschland zum Verfahren wird aufgehoben.

Gründe

1 Nachdem mit dem Entschädigungsrechtsänderungsgesetz vom 10. Dezember 2003 (BGBl I S. 2471) dem Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (nunmehr Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, Art. 4 Abs. 37 Nr. 1 und 4 des Gesetzes zur Neuordnung der Bundesfinanzverwaltung vom 22. September 2005, BGBl I S. 2809) die Zuständigkeit zur Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche übertragen worden ist und die Bundesrepublik Deutschland als Trägerin dieses Bundesamtes in die Rolle der Beklagten wechselte, bedurfte es deren Beiladung nicht mehr. Eine Beiladung der rechtsfähigen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Gründung einer Bundesanstalt für Immobilienaufgaben - BImA-Errichtungsgesetz - vom 9. Dezember 2004, BGBl I S. 3235) war nicht veranlasst. Sie wird insbesondere in keiner Eigentümerstellung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Errichtungsgesetz) mehr berührt, da das streitbefangene Grundstück bereits 1996 nach dem Investitionsvorranggesetz veräußert worden ist. Nur die unmittelbare Verwertung von Grundeigentum wickelt die Bundesanstalt aus eigenem Recht und in eigener Zuständigkeit ab. In weiteren, der Bundesanstalt auf der Grundlage des Errichtungsgesetzes übertragenen Aufgaben wird sie lediglich als Vertretungsbehörde tätig (§ 2 Abs. 6 Errichtungsgesetz). Dies betrifft auch eventuelle Ansprüche auf Auskehr eines Veräußerungserlöses, die zudem aus dem Bundeshaushalt und nicht aus dem der Anstalt beglichen werden.

2 Die von der Bundesanstalt mit Schriftsatz vom 30. März 2006 dargelegte Aufgabenstellung rechtfertigt keine Beiladung. Denn soweit die Bundesanstalt als (gesetzlicher) Vertreter des Bundes tätig wird, käme nur eine Beiladung der Bundesrepublik Deutschland in Betracht, die hier aber wegen deren Beklagtenstellung ausscheidet.

Beschluss vom 27.06.2006 -
BVerwG 7 B 17.06ECLI:DE:BVerwG:2006:270606B7B17.06.0

Beschluss

BVerwG 7 B 17.06

  • VG Chemnitz - 24.11.2005 - AZ: VG 5 K 2096/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Juni 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Guttenberger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 24. November 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 85 385,74 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass sie
(als Rechtsnachfolgerin für unbeanspruchtes jüdisches Vermögen) Berechtigte in Höhe von 1639/3120 an dem Grundstück A. Straße 4... Flurstück 3341 c der Gemarkung C. ist.

2 Dieses Grundstück war ursprünglich Teil des Gesellschaftsvermögens der
Leonhard Tietz AG. Nach „Arisierung“ und Umbenennung der Gesellschaft (Westdeutsche Kaufhof AG/1934) ist es im Jahre 1939 an das Deutsche Reich veräußert worden.

3 Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen lehnte mit Bescheid vom 17. August 1993 die Rückübertragung des Grundstückes ab. Die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts unter Zurückverweisung der Streitsache aufgehoben (Urteil vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 53.96 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 18).

4 Das Verwaltungsgericht wies die Klage erneut ab, nachdem es ermittelt hatte, dass am 16. Februar 1951 vor dem Wiedergutmachungsamt für das Landgericht Köln zwischen den ehemaligen Aktionären der Leonhard Tietz AG („Tietz-Gruppe“) bzw. deren Erben und der Westdeutschen Kaufhof AG ein Vergleich über die Zahlung von 5 Mio. DM geschlossen worden war zur Abgeltung „aller Ansprüche der Tietz-Gruppe, gleichgültig aus welchem Rechtsgrunde, insbesondere, soweit sie in Verbindung mit ihrem früheren Eigentum, Besitz- bzw. sonstigen Aktienrechten an Weka-Aktien gegeben sein können und sich richten gegen Aktienbesitzer, Aktienerwerber, Aktienverwahrer, die Gesamtheit der Aktionäre und die Weka selbst“ (Ziff. I). Dieser Vergleich sah ferner Folgendes vor: „Mit Abschluss des Vergleichs sind alle Ansprüche der Tietz-Gruppe gegen die Gesamtheit der Aktionäre, gegen Aktienerwerber, Aktienverwahrer, Aktienbesitzer und gegen Weka abgegolten ..., aus welchem Grunde diese Ansprüche auch immer bestehen mögen ...“ (Ziff. II 7). „Soweit aus den durch Vergleich betroffenen Ansprüchen der Tietz-Gruppe dieser Ansprüche gegen Dritte, insbesondere die öffentliche Hand ... erwachsen sollten, sind diese Ansprüche ... an Weka abgetreten“ (Ziff. II 8). ... „Der in I. und II. Ziff. 7 dieses Vergleichs erklärte Verzicht erstreckt sich auch auf etwa weitergehende Rückerstattungsansprüche (Art. 9 Abs. 3 BREG)“ (Ziff. III). Die Verfahrensbeteiligten erhielten Kenntnis vom Abschluss dieses Vergleichs erst nach dessen Ermittlung durch das Verwaltungsgericht im Jahre 2003. Das Verwaltungsgericht war der Ansicht, die aufgrund des Vergleichs vom 16. Februar 1951 gewährte Wiedergutmachung umfasse auch die im Beitrittsgebiet gelegenen Vermögenswerte und damit auch das streitgegenständliche Grundstück A. Straße ... Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

5 Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung einer Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache weist weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, noch ist ein Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ersichtlich, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

6 1. Die Klägerin hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
„Ist ein Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG wegen eines unter der Geltung der alliierten Rückerstattungsgesetze geschlossenen Vergleiches ausgeschlossen, wenn der Vergleich eine Abgeltungsklausel für ‚alle’ Ansprüche enthält und ansonsten keine gesonderte Regelung zu den Ostgrundstücken trifft?
Muss zur Bejahung eines Anspruches nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG in diesen Fällen festgestellt werden können, dass sich die Vergleichsparteien darüber bewusst waren und es ausdrücklich gewollt haben, dass etwaige zukünftige Ansprüche auf die Ostgrundstücke vom damaligen Rückerstattungsvergleich unberührt bleiben sollen?
Spricht im Falle einer Abgeltungsklausel ‚für alle Ansprüche’ im Rahmen eines Vergleiches nach alliierten Rückerstattungsrecht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ‚ein für allemal’ sämtliche Ansprüche, mithin sogar auch die nach 1990 geschaffenen Ansprüche nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG ausgeschlossen sein sollen?“

7 Diese Fragen rechtfertigen nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn die Beschwerde eine Rechtsfrage aufwirft, deren zu erwartende revisionsgerichtliche Klärung der Einheit oder der Fortbildung des Rechts zu dienen vermag. Weil die Prüfung des Revisionsgerichts grundsätzlich auf die Rechtsanwendung durch das Tatsachengericht beschränkt ist, genügt es somit nicht, dass die Sache in tatsächlicher Hinsicht gegebenenfalls eine über den der Beschwerde zugrunde liegenden Fall hinausgehende Bedeutung haben kann, was angesichts des früheren, im Beitrittsgebiet gelegenen Gesellschaftsvermögens der ehemaligen Leonhard Tietz AG nicht auszuschließen ist.

8 Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage ist dem Vorbringen der Beschwerde nicht zu entnehmen. Der Senat hat in vorliegender Streitsache bereits mit seinem Urteil vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 53.96 - (Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 18) inmitten stehende Rechtsfragen und bis dahin bestehende Rechtsunsicherheiten geklärt. Insbesondere hat er unbeachtlich einer unter alliiertem Entschädigungsrecht bereits erfolgten Unternehmensrestitution den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG als nicht versperrt erachtet. Mit dem Wohnraummodernisierungsgesetz vom 17. Juni 1997 (BGBl I S. 1823) hat auch der Gesetzgeber die Rechtslage diesbezüglich klargestellt. Ein Berechtigter kann somit im Wege der ergänzenden Einzelrestitution auch diejenigen Vermögensgegenstände zurückverlangen, die nach der Schädigung des Unternehmens aus dessen Vermögen ausgeschieden sind (Beschluss vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 7 B 47.05 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 58). Darüber hinausgehende klärungsbedürftige Rechtsfragen wirft die (nunmehrige) Beschwerde nicht auf. Vielmehr stellt sie Fragen, die nicht allgemein, sondern nur durch Vertragsauslegung im Einzelfall beantwortet werden können (vgl. auch Urteil vom 27. Mai 1997 - BVerwG 7 C 67.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 112).

9 Mit ihrem Vorbringen will die Beschwerde die Reichweite des 1951 geschlossenen Vergleichs geklärt wissen. Damit stellt sich aber das Beschwerdevorbringen als revisionsrechtlich unbeachtlicher Angriff auf die Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht dar. Mit bloßen Angriffen gegen dessen Rechtsauffassung und Tatsachenwürdigung kann die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache jedoch nicht dargelegt werden (Beschluss vom 21. Februar 1997 - BVerwG 5 B 94.98 - Buchholz 424.01 § 1 FlurbG Nr. 9).

10 Selbst wenn man im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerde von einer Verfahrensrüge ausgehen wollte (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wäre ihr auch insoweit kein Erfolg beschieden. Die Beschwerde zeigt nämlich insbesondere nicht auf, dass das Verwaltungsgericht bei Würdigung des Vergleichsvertrages erkennbar bestimmte Regelungen oder andere für die Auslegung des Vertrages erhebliche Umstände überhaupt nicht zur Kenntnis genommen (Urteil vom 25. Januar 2006 - BVerwG 8 C 10.05 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen) oder allgemeine Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze außer Acht gelassen hätte (Beschluss vom 14. März 1988 - BVerwG 5 B 7.88 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 199). Die Beschwerde beschränkt sich vielmehr darauf, der Vertragsauslegung des Verwaltungsgerichts die eigene Vertragsauslegung gegenüberzustellen und - in Auseinandersetzung mit der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts - zu begründen. Ein Verstoß gegen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (oder Denkgesetze) liegt aber nicht schon dann vor, wenn das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen.

11 2. Ebenso wenig führt die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge wegen Verstoßes gegen § 144 Abs. 6 VwGO zur Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

12 Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26. Juni 1997 lediglich aufgegeben zu prüfen, ob die „seinerzeitigen Leistungen auch für die im Osten gelegenen Vermögenswerte der Gesellschaft erbracht worden sind“. In Auslegung des - dem Revisionsgericht im Jahre 1997 noch nicht bekannten - Vergleichs vom 16. Februar 1951 hat das Verwaltungsgericht befunden, dass die gewährte Wiedergutmachung auch für im Osten gelegene Vermögenswerte der ehemaligen Leonhard Tietz AG erbracht worden ist und somit keine vermögensrechtliche Restitutionslücke mehr verbleibt. Dass das Verwaltungsgericht damit von den Vorgaben des Revisionsgerichts abgewichen wäre, ist nicht ersichtlich.

13 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 GKG.