Beschluss vom 04.04.2003 -
BVerwG 1 B 138.02ECLI:DE:BVerwG:2003:040403B1B138.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.04.2003 - 1 B 138.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:040403B1B138.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 138.02

  • OVG des Saarlandes - 21.11.2001 - AZ: OVG 9 R 10/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. April 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z - H ö f e r , die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 21. November 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Die von der Beschwerde erhobene Gehörsrüge greift nicht durch. Die Beschwerde macht geltend, die Abkürzung der Ladungsfrist für den Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. November 2001 auf eine Woche habe zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger geführt. Die Ladungsfrist sei nur verkürzt worden, um die bereits terminierte Verhandlung trotz der fehlgeschlagenen ersten Ladung durchführen zu können. Dabei handele es sich nicht um einen dringenden Fall im Sinne des § 102 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Der telefonischen Bitte des damaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger, den Termin wegen einer Kollision mit einem weiteren Termin zu verlegen, sei nicht entsprochen worden. Außerdem hätten die Kläger selbst von dem Termin nichts gewusst, da sie die Benachrichtigung ihres Prozessbevollmächtigten nicht erhalten hätten. Eine Vorbereitung der mündlichen Verhandlung sei deshalb sowohl im Hinblick auf die Kürze der Ladungsfrist als auch wegen der Unkenntnis der Kläger von dem Termin nicht möglich gewesen. Die Kläger hätten selbstverständlich den Termin wahrgenommen und - wie in der Beschwerdebegründung im Einzelnen aufgeführt - noch erhebliche Tatsachen vorgetragen und Unterlagen überreicht.
Aus diesem Vorbringen ergibt sich keine begründete Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs. Eine Abkürzung der Ladungsfrist, die den Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht entspricht, stellt zwar als solche keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar, sie kann aber unter besonderen Umständen als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beachtlich sein (vgl. Beschluss vom 27. März 1998 - BVerwG 6 B 37.98 - <juris> m.w.N.; Urteil vom 25. Januar 1974 - BVerwG 6 C 7.73 - BVerwGE 44, 307). Eine solche Gehörsverletzung kann indes mit der Nichtzulassungsbeschwerde nur dann mit Erfolg gerügt werden, wenn die betroffene Partei sämtliche verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich bereits in der Berufungsinstanz rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr, etwa Beschluss vom 21. Januar 1997 - BVerwG 8 B 2.97 - Buchholz 310 § 102 VwGO Nr. 21 m.w.N.). Das ist hier schon nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerde und dem von ihr vorgelegten Schreiben der damaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 13. März 2002 nicht geschehen. Diese haben nach Empfang der Ladung nicht - wie dies nahe gelegen hätte - einen schriftlichen Antrag auf Terminsverlegung gestellt, sondern ausweislich der Gerichtsakten mit Schriftsatz vom 19. November 2001 lediglich mitgeteilt, dass sie den Termin nicht wahrnehmen werden, und auf die bisherigen Ausführungen in der Sache hingewiesen. Selbst wenn man entsprechend dem Beschwerdevorbringen davon ausgeht, dass sie fernmündlich - vergeblich - um Terminsverlegung wegen der Kollision mit einem anderen Termin gebeten haben, stellt dies keine geeignete und ausreichende Bemühung um Verschaffung des rechtlichen Gehörs dar. Die Beschwerde hat weder vorgetragen, noch ist es sonst ersichtlich, dass die Prozessbevollmächtigten dem Gericht seinerzeit - wie erforderlich - die jetzt geltend gemachten Gründe für eine Terminsverlegung deutlich gemacht hätten, etwa die nicht ausreichende Zeit für die Terminsvorbereitung, die Ankündigung weiteren Sachvortrags sowie der Vorlage von Beweismitteln oder die Erforderlichkeit der Anwesenheit der Kläger, deren persönliches Erscheinen das Gericht nicht angeordnet hatte. Vielmehr waren die damaligen Prozessbevollmächtigten ausweislich ihres Schreibens vom 13. März 2002 davon ausgegangen, dass schriftsätzlich bereits umfassend vorgetragen und ihre Anwesenheit im Termin deshalb nicht vordringlich sei. Angesichts dieser Umstände ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Kläger, die sich insoweit das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen müssen (§ 85 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO), die ihnen zur Verfügung stehenden prozessrechtlichen Möglichkeiten ergriffen hätten, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Sie können sich schon aus diesem Grund nicht mehr auf eine Gehörsverletzung berufen.
Unabhängig davon legt die Beschwerde auch nicht dar, dass die Abkürzung der Ladungsfrist unter den gegebenen Umständen für das Unterbleiben weiteren Sachvortrags und der Vorlage von Beweismitteln ursächlich war.
2. Die von der Beschwerde erhobene Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde meint, das Berufungsgericht hätte sich wegen der Aktivitäten der Kläger in der links orientierten Lehrergewerkschaft Egitim Sen nicht auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisquellen beschränken dürfen, sondern hätte die jedermann leicht zugänglichen Informationsmöglichkeiten des Internet nutzen müssen. Dann wäre es auf die Resolution der GEW vom Mai 2001 und die Tatsache gestoßen, dass im Jahre 2001 ein erneuter Verbotsantrag gegenüber der Egitim Sen gestellt worden sei. Dies hätte es zum Anlass nehmen müssen, zumindest weitere Auskünfte beim Auswärtigen Amt oder bei amnesty international über die Gefährdung von Mitgliedern dieser Gewerkschaft einzuholen.
Damit ist ein Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nicht dargelegt. Die Beschwerde behauptet selbst nicht, dass sich dem Gericht aufgrund des vorhandenen Prozessstoffes, insbesondere der eingeführten Erkenntnisquellen, eine weitere Beweiserhebung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, sondern dass es nach entsprechender Recherche im Internet über die Gewerkschaft Egitim Sen zu einer solchen Ermittlung hätte gelangen müssen. Damit überspannt die Beschwerde einerseits die Anforderungen an die gerichtliche Aufklärungspflicht und verkennt andererseits die Bedeutung der Mitwirkungspflicht der Kläger. Im vorliegenden Fall wäre es Aufgabe der Kläger gewesen, eine ihnen bekannte neuere Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem türkischen Staat und der fraglichen Gewerkschaft, für die sie nach ihren Angaben aktiv gewesen sind, vorzutragen und auf eine entsprechende Aufklärung durch Stellung von Beweisanträgen hinzuwirken.
3. Auch die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu. Die Zulassung einer Grundsatzrevision setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige konkrete R e c h t s frage aufgeworfen wird. Eine solche lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Sie hält die Frage für klärungsbedürftig, ob syrisch-orthodoxe Christen in der Türkei von einer Gruppenverfolgung bedroht sind und ihnen jedenfalls eine inländische Fluchtalternative im Westen der Türkei nicht mehr zur Verfügung steht. Sie beruft sich dabei darauf, dass die vom Berufungsgericht zugrunde gelegten tatsächlichen Verhältnisse überholt seien. Das Beschwerdevorbringen zielt damit nicht auf eine Rechtsfrage, sondern auf die den Tatsachengerichten vorbehaltene Klärung der tatsächlichen Verhältnisse in der Türkei. Derartige Tatsachenfragen können in einem Revisionsverfahren nicht beantwortet werden und deshalb auch nicht die Zulassung der Revision rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.