Beschluss vom 04.03.2008 -
BVerwG 9 VR 27.07ECLI:DE:BVerwG:2008:040308B9VR27.07.0

Beschluss

BVerwG 9 VR 27.07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. März 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und Prof. Dr. Rubel
beschlossen:

  1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 19. Oktober 2007 wird abgelehnt.
  2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden den Antragstellern zu je 1/3 auferlegt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 22 500 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 19. Oktober 2007 für den Ausbau und die Verlegung der Bundesautobahn 4 zwischen den Anschlussstellen Düren und Kerpen. Sie sind Einwohner der Ortslage Buir der Stadt Kerpen südlich der geplanten Neubautrasse und machen geltend, die vorgesehene Trassenführung sei abwägungsfehlerhaft. Vorzugswürdig sei es stattdessen, den Ausbau ganz oder teilweise auf der bestehenden Trasse vorzunehmen oder eine Neubautrasse nördlich davon anzulegen.

II

2 Der Antrag, gegen dessen Zulässigkeit keine durchgreifenden Bedenken bestehen, ist unbegründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses überwiegt das Interesse der Antragsteller an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur Entscheidung über ihre Klage.

3 Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich, dass die Anfechtungsklage auf der Grundlage der zur Begründung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorgetragenen Gesichtspunkte voraussichtlich keinen Erfolg haben kann. Unter diesen Umständen besteht kein hinreichender Anlass dafür, von der in § 17e Abs. 2 Satz 1 FStrG vorgesehenen Regel der sofortigen Vollziehbarkeit der Planfeststellung hier abzusehen.

4 Rügen gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses enthält die Antragsbegründung nicht. Auch eine Verletzung des materiellen Rechts, die einen Anspruch der Antragsteller auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit begründen könnte, lässt sich dem Antragsvorbringen nicht entnehmen. Dieses weist insbesondere nicht auf Mängel bei der durch § 17 Satz 2 FStrG gebotenen Abwägung hin, die gemäß § 17e Abs. 6 FStrG erheblich - also offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen - sind und nicht durch Planergänzung behoben werden können.

5 Die Planrechtfertigung des Vorhabens als solche wird von den Antragstellern nicht schlüssig in Zweifel gezogen. Sie wenden sich vielmehr lediglich gegen die vorgesehene Trassenführung. Ihrem diesbezüglichen Vorbringen kann jedoch nicht entnommen werden, dass der von ihnen bevorzugte Ausbau der Autobahn auf der bestehenden Trasse oder zumindest auf deren östlichem Teil oder die von ihnen weiter hilfsweise vorgeschlagene Anlegung einer Neubautrasse nördlich der bestehenden Autobahn sich in jeder Hinsicht als gegenüber der planfestgestellten Trasse vorzugswürdig erweist und der Planfeststellungsbeschluss deshalb an einem beachtlichen Abwägungsfehler leidet.

6 Die Planfeststellungsbehörde hat sich vor dem Hintergrund der von den Antragstellern erhobenen, die Beeinträchtigung ihres Wohnortes vor allem durch Verkehrslärm betreffenden Einwendungen auch mit der „Nullvariante“ in Form eines Ausbaus der A 4 auf der bestehenden Trasse oder mit einer anderen Trassenführung durch das Abbaugebiet des Tagebaus Hambach bzw. unter Zurücknahme der Abbaugrenze dieses Tagebaus auseinander gesetzt. Sie hat insoweit in erster Linie darauf verwiesen, dass eine solche Trassenführung auf Grund der landesplanerisch verbindlichen Genehmigung der Braunkohlengewinnung im Tagebau Hambach nicht in Betracht komme. Selbst wenn man dies aber außer Acht lasse und eine Abwägung unter Berücksichtigung der Direktive des § 124 Abs. 3 BBergG vornehme, sei eine Trassenführung innerhalb des Abbaugebiets auszuschließen, da vorliegend das öffentliche Interesse an einer weiteren Gewinnung der Bodenschätze innerhalb dieses Gebietes überwiege. Die Fortführung des Tagebaus Hambach sei zum langfristigen Erhalt der Stromerzeugungskapazität und zur Brennstoffversorgung unverzichtbar und daher im öffentlichen Interesse und aus Gründen des Gemeinwohls geboten. Demgegenüber träten insoweit insbesondere auch die von den Bewohnern der Ortslage Buir vor allem geltend gemachten Immissionsschutzaspekte zurück. Dafür sei u.a. maßgeblich, dass mit den vorgesehenen vielfältigen Vermeidungs-, Minderungs- und Schutzmaßnahmen auf allen Gebieten der Planung ein sehr weitgehender Schutz vor Beeinträchtigungen vorgesehen sei und unzumutbare Belastungen sicher ausgeschlossen werden könnten.

7 Das Antragsvorbringen ist, soweit es überhaupt substantiiert ist, nicht geeignet, die Grundlagen dieser für die Trassenwahl maßgeblichen Erwägungen zu erschüttern. Dass bei der Linienbestimmung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Jahre 2001 Trassenführungen durch das Abbaugebiet des Tagebaus nicht in Betracht gezogen wurden, ist schon deshalb unerheblich, weil sich der Planfeststellungsbeschluss ausdrücklich unabhängig von den Wertungen, die zur Linienbestimmung geführt haben, nochmals mit dem gesamten Planungsvorgang und insbesondere mit den von Einwenderseite angesprochenen Trassenalternativen befasst hat. Dass sich die dem bestandskräftigen Rahmenbetriebsplan von 1993 zugrundeliegende durchschnittliche Fördermenge nach dem Jahre 2000 nicht in dem damals noch prognostizierten Ausmaß gesteigert haben mag, ändert weder etwas an der Verbindlichkeit der im Braunkohlenplan „Teilplan 12/1 - Hambach - Abbau- und Außenhaldefläche des Tagebaus Hambach“ von 1976 festgelegten Ziele der Raumordnung (vgl. § 22 Abs. 1, §§ 38, 44 Abs. 1 LPlG NRW i.V.m. § 4 Abs. 1 ROG) noch an dem grundsätzlichen Fortbestand des öffentlichen Interesses an einer weiteren Gewinnung der Bodenschätze innerhalb des hier in Rede stehenden Abbaugebiets.

8 Dem Vorschlag des Antragstellers zu 1, nach Beendigung des nördlichen Abbaus die Autobahn in die dortige Sohle des Tagebaus zu verlegen, wurde vom Vorhabenträger bereits im Anhörungsverfahren entgegengehalten, dass dafür ein Höhenunterschied von über 300 m zu überwinden wäre, was bei den für Autobahnen vorgegebenen Steigerungsparametern eine Länge von etwa 10 km erfordern würde. Zudem stände eine derartige Trassenführung auch nicht in Einklang mit den im Braunkohlenplan festgelegten Zielen der Raumordnung, die im Abbaugebiet nach Beendigung des Abbaus eine Wiederauffüllung mit anschließender landschaftlicher und forstlicher Rekultivierung sowie im verbleibenden Restloch die Anlage eines Sees vorsehen. Unter diesen Umständen durfte der Antragsgegner diesen Vorschlag schon auf der Grundlage einer Grobanalyse aus der weiteren Untersuchung ausschließen. Die im Planfeststellungsverfahren zum Neubau der Hambachbahn im Tagebau Hambach erwogene und wegen Inanspruchnahme des Abbaugebiets verworfene westliche Umfahrung der südlich der jetzigen A 4 gelegenen Steinheide hat mit der von den Antragstellern hier hilfsweise vorgeschlagenen Trassenführung mitten durch das Tagebaugebiet nördlich der jetzigen A 4 nichts zu tun.

9 Die im Klageverfahren darüber hinaus geltend gemachten Bedenken der Antragsteller gegen die in ihrer Ortslage zu erwartenden Belastungen durch Lärm und Luftverunreinigungen können der Anfechtungsklage voraussichtlich ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Etwaigen Unsicherheiten der Lärmprognose wird bereits durch die in der Nebenbestimmung 5.2.1 des Planfeststellungsbeschlusses enthaltene Schallschutzgarantie Rechnung getragen. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass sich ein insoweit der Entscheidung des Antragsgegners etwa anhaftender Mangel nicht durch schlichte Planergänzung um Schutz- oder Ausgleichsauflagen zu Gunsten der Antragsteller beheben ließe. Die im Klageverfahren darüber hinaus geäußerte Befürchtung der Antragsteller, nach der geplanten Verlegung der Autobahn würden sich die Anzahl und die Wahrnehmbarkeit von Erdbeben im Einzugsbereich von Buir erhöhen, entbehrt jeder nachvollziehbaren Grundlage.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Beschluss vom 21.04.2008 -
BVerwG 9 VR 11.08ECLI:DE:BVerwG:2008:210408B9VR11.08.0

Beschluss

BVerwG 9 VR 11.08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. April 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und Prof. Dr. Rubel
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Antragsteller gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. März 2008 - BVerwG 9 VR 27.07 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen werden den Antragstellern zu je 1/3 auferlegt.

Gründe

1 Durch Beschluss vom 4. März 2008 hat das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 19. Oktober 2007 für den Ausbau und die Verlegung der Bundesautobahn 4 zwischen den Anschlussstellen Düren und Kerpen abgelehnt. Die gegen diesen Beschluss erhobene Anhörungsrüge ist unbegründet.

2 Soweit die Antragsteller geltend machen, das Gericht habe bei Anwendung des Abwägungsgebots einen unzutreffenden, jedenfalls aber dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren unangemessenen Maßstab zugrundegelegt, wenden sie sich gegen die rechtliche Würdigung des Sachverhalts in dem angegriffenen Beschluss. Eine Verletzung des Anspruchs der Antragsteller auf rechtliches Gehör ist damit nicht dargelegt.

3 Soweit die Antragsteller beanstanden, im Einzelnen vorgetragene Aspekte der Verletzung des Abwägungsgebots seien „nicht oder nur verkürzt in die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einbezogen worden“, greift ihre Rüge in der Sache nicht durch. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt nach ständiger Rechtsprechung - namentlich bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen - keine Pflicht der Gerichte, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Abgesehen davon hat der Senat die von den Antragstellern in ihren Hilfsanträgen zum Klageantrag vorgeschlagenen Trassenvarianten in den Gründen seiner Entscheidung nicht übergangen, sondern als Trassenführungen durch das Abbaugebiet des Tagebaus Hambach bzw. unter Zurücknahme der Abbaugrenze dieses Tagebaus in Rn. 6 dieser Gründe behandelt. Die Behauptung der Antragsteller, entgegen der dort getroffenen Feststellung seien diese Trassenführungen nicht in die Abwägungen der Planfeststellungsbehörde einbezogen worden, betrifft wiederum nur die Sachverhaltswürdigung und begründet keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

4 Soweit die Antragsteller eine „Verzerrung, Verkürzung, Verfälschung“ ihres Vortrags bemängeln, weil sie eine nördliche Trassenführung in einer Tiefe von 300 m nicht zur Diskussion gestellt und nicht nur eine, sondern zwei Trassenvarianten vorgeschlagen sowie keinen Bezug zwischen diesen Varianten und der westlichen Umfahrung der Steinheide behauptet hätten, missverstehen sie den angegriffenen Beschluss des Senats. Dieser enthält nicht die Feststellung, dass die Antragsteller anderes vorgetragen hätten.

5 Soweit die Antragsteller meinen, ihre in Bezug auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geltend gemachten Bedenken gegen die materielle Rechtmäßigkeit seien „übergangen“ worden, weil eine Abwägung unter diesem Aspekt im Planfeststellungsbeschluss „allenfalls fragmentarisch“ erfolgt sei, übersehen sie, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs vom Gericht nur verlangt, dass das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird. Keineswegs muss das Gericht bei der Würdigung dieses Vorbringens den Vorstellungen eines Beteiligten folgen. Der Versuch der Antragsteller, mit ihren diesbezüglichen Ausführungen die rechtliche Würdigung durch den Senat als fehlerhaft anzugreifen, kann nicht Gegenstand einer Anhörungsrüge sein.

6 Soweit die Antragsteller schließlich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darin sehen, dass „auf die Ausführungen gemäß Anlage A 10 und der weiteren Anlagen“ nicht eingegangen worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass auf den Inhalt lediglich derart pauschal in Bezug genommener Anlagen in dem angegriffenen Beschluss nicht im Einzelnen einzugehen war, weil der zugehörige Schriftsatz keine Veranlassung gab. Gegenteiliges ist auch der Anhörungsrüge nicht zu entnehmen.

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Gerichtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum GKG ergibt.