Beschluss vom 03.12.2003 -
BVerwG 2 B 53.03ECLI:DE:BVerwG:2003:031203B2B53.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.12.2003 - 2 B 53.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:031203B2B53.03.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 53.03

  • Bayerischer VGH München - 17.07.2003 - AZ: VGH 3 B 00.2651

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. Dezember 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S i l b e r k u h l und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n und Dr. B a y e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 47 900 € festgesetzt.

Die auf alle drei Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
Der Kläger ist der Auffassung, im Falle einer verfassungsgerichtlich festgestellten Verfassungswidrigkeit einer Besoldungsnorm beschränke sich die verfassungsrechtlich gebotene Korrektur der Besoldung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - lediglich - dann auf denjenigen Zeitraum, der mit dem Haushaltsjahr beginnt, in dem die Verfassungswidrigkeit der bisherigen Regelung verfassungsgerichtlich festgestellt worden ist, wenn die festgestellte Verfassungswidrigkeit in einer Verletzung des Art. 33 Abs. 5 GG gründet. Demgegenüber habe der beschließende Senat in dem Vorlagebeschluss vom 14. November 1985 - BVerwG 2 C 14.83 - ausgeführt, bei der Erklärung einer Besoldungsnorm für verfassungswidrig wegen Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG sei der Gesetzgeber gehalten, den Anforderungen dieses Grundrechts auch für die der gerichtlichen Entscheidung vorausgehende Zeit gerecht zu werden und auch insoweit eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Regelung zu erlassen. Die Beschwerde wirft deshalb als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf, ob Beamte oder Richter Anspruch auf Korrektur der kinderbezogenen Besoldungsbestandteile ab dem dritten Kind auch dann haben, wenn sie vermeintliche Ansprüche darauf nicht zeitgerecht geltend gemacht haben.
Die Frage ist nicht klärungsbedürftig. Die - verneinende - Antwort ergibt sich aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 und vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u.a. - BVerfGE 99, 300, in denen die Folgen einer verfassungswidrigen Besoldung von Beamten, Richtern und Soldaten mit mehr als zwei Kindern verschiedener Besoldungsgruppen und zu verschiedenen Zeiten umfassend und abschließend geklärt worden sind. In dem Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - a.a.O. hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, auch der in der Vergangenheit verfassungswidrig besoldete Beamte müsse aufgrund seiner Treuebindung an den Dienstherrn auf dessen Belastbarkeit und Gemeinwohlverantwortung Rücksicht nehmen. Deshalb könne keine Erhöhung der Bezüge gefordert werden, die jeden von der verfassungswidrigen Besoldung betroffenen Beamten einbezieht und die gesamte zurückliegende Zeit der verfassungswidrigen Besoldung erfasst. Die Alimentation des Beamten durch seinen Dienstherrn sei der Sache nach die Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs. Die Alimentation erfolge aus den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln, was wiederum von dem alljährlich vom Parlament bewilligten Haushaltsplan abhänge.
Mit dieser auf den Rechtsbegriff der beamtenrechtlichen Besoldung einerseits und die jeweils den Zeitraum eines Jahres umgreifenden Festlegungen des Haushaltsplanes andererseits gestützten Argumentation hat das Bundesverfassungsgericht einer allgemeinen und zeitlich umfassenden rückwirkenden Behebung des Verfassungsverstoßes eine Absage erteilt. Hätte es hinsichtlich der persönlichen und zeitlichen Reichweite dieser Behebung zwischen einer Verletzung des Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG unterscheiden wollen, hätte es die Frage nach einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht als unerheblich bezeichnen dürfen. Ferner hätte es nicht ausführen dürfen, dem Kläger des dem Normenkontrollverfahren - BVerfG 2 BvL 1/86 - zugrunde liegenden Rechtsstreits - BVerwG 2 C 14.83 - stünden die beanspruchten höheren Bezüge nicht auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1977 zu, obwohl auch in dieser Zeit die Besoldung des Klägers nicht verfassungsgemäß war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 - BVerfGE 44, 249).
Bei der ferner erhobenen Gehörsrüge übersieht die Beschwerde, dass sich das Berufungsgericht mit der Rechtsansicht des Klägers auseinander gesetzt hat, bei einem Verstoß der besoldungsrechtlichen Regelungen - auch - gegen Art. 3 Abs. 1 GG sei der Verfassungsverstoß in persönlicher und zeitlicher Hinsicht umfassend zu beheben. Es hat diese Rechtsauffassung des Klägers und die darauf bezogenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Tatbestand des angefochtenen Beschlusses ausführlich wiedergegeben und in den Gründen seiner Entscheidung ausgeführt:
"Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 24. November 1998 (a.a.O., S. 1020) ferner ausdrücklich erklärt, dass es angesichts des festgestellten Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 5 GG nicht mehr darauf ankomme, ob der Gesetzgeber auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen habe. Daraus folgt nach Auffassung des Senats, dass das Bundesverfassungsgericht diese Prüfung deshalb für entbehrlich erachtet hat, weil sich auch bei Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nach der Würdigung des Bundesverfassungsgerichts keine anderen rechtlichen Konsequenzen daraus ergeben hätten".
Entgegen der Beschwerde liegt ferner ein Verfahrensverstoß nicht darin, dass das Berufungsgericht durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung erst am 17. Juli 2003 und damit mehr als zweieinhalb Jahre nach der Anhörungsmitteilung gemäß § 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO vom 6. November 2000 entschieden hat. § 130 a Satz 2 in Verbindung mit § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO verlangt lediglich eine der Entscheidung durch Beschluss vorausgehende Anhörung der Beteiligten zu dieser Form der gerichtlichen Entscheidung, nicht die Einhaltung einer Frist, innerhalb derer der Beschluss nach der Anhörung ergehen muss. Wegen Zeitablaufs allein ist auch eine nochmalige Anhörungsmitteilung nicht erforderlich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 28. August 1995 - BVerwG 3 B 7.95 - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 91 m.w.N.) bedarf es zur Wahrung des rechtlichen Gehörs einer erneuten Anhörungsmitteilung, wenn nach einer ersten Mitteilung aufgrund einer Änderung der Prozesslage, z.B. infolge der Stellung eines Beweisantrags oder neuen erheblichen Vorbringens, das Berufungsgericht veranlasst sein kann, seine Auffassung über die Entbehrlichkeit einer mündlichen Verhandlung zu revidieren. Zeitablauf allein hat indessen diese Wirkung nicht. Der bloße Zeitablauf begründet auch kein Vertrauen darauf, dass die ausstehende gerichtliche Entscheidung nicht in der gesetzlich zulässigen Form des Beschlusses ohne mündliche Verhandlung ergehen wird.
Mit ihrem Vorbringen, die Berufungsentscheidung weiche vom Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. November 1985 - BVerwG 2 C 14.83 - ab, wird der Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bereits nicht dargetan. Eine Divergenz im Sinne der genannten Bestimmung vermag nur eine Entscheidung zu begründen, mit der sich das Bundesverwaltungsgericht in Ausübung seiner Funktion, durch seine Rechtsprechung rechtsvereinheitlichend und rechtsfortbildend zu wirken, auf eine Rechtsauffassung festlegt. An der Wahrnehmung dieser Leitbildfunktion fehlt es bei dem Erlass eines Vorlagebeschlusses nach Art. 100 Abs. 1 GG (vgl. Urteil vom 11. November 1988 - BVerwG 8 C 10.87 - Buchholz 401.70 Kirchensteuer Nr. 23 S. 13).
Darüber hinaus enthält der angefochtene Beschluss nicht den Rechtssatz, "dass die Besoldung des Klägers hinsichtlich der Besoldungszulagen ab dem 3. Kind nicht verfassungswidrig ist" bzw. "dass die entsprechenden besoldungsrechtlichen Vorschriften nicht verfassungswidrig sind".
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.