Beschluss vom 03.09.2002 -
BVerwG 4 B 46.02ECLI:DE:BVerwG:2002:030902B4B46.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.09.2002 - 4 B 46.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:030902B4B46.02.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 46.02

  • Niedersächsisches OVG - 25.04.2002 - AZ: OVG 8 LB 47/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. September 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. L e m m e l und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. April 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Der Kläger wendet sich gegen eine naturschutzrechtliche Anordnung des Rechtsvorgängers der Beklagten, durch die ihm aufgegeben worden ist, einen Zaun, einen Totholzwall und Erdwälle zu beseitigen, weil sie die Landschaft verunstalteten, die Natur schädigten und den Naturgenuss beeinträchtigten. Seine Klage blieb im ersten und im zweiten Rechtszug erfolglos. Mit der auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützten Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision.
Die Beschwerde ist unbegründet. Aus dem Beschwerdevortrag ergibt sich kein Grund, der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.
1. Die Beschwerde macht geltend, rechtsgrundsätzliche Bedeutung habe die Frage, ob eine auf den §§ 5, 19 RNatSchG beruhende Verordnung zum Schutz eines Landschaftsteiles insgesamt nichtig oder nur teilnichtig sei, wenn sie den Schutz über verunstaltende Eingriffe hinaus regele, ferner, ob die Frage nach der Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit differenziert und je nach den Umständen des Einzelfalles zu beantworten sei. Mit diesen Fragen wendet sich die Beschwerde gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zum Schutz des Landschaftsteiles "Schneerener Geest - Grinder Wald" vom 2. August 1967 seien - nur - teilnichtig, soweit sie Handlungen untersagten, die die Natur schädigten oder den Naturgenuss beeinträchtigten; denn ihre Rechtsgrundlage, das Reichsnaturschutzgesetz, lasse es nur zu, die Erteilung einer Erlaubnis für Maßnahmen auszuschließen, die die Landschaft verunstalteten, nicht jedoch auch für solche, die (nur) geeignet seien, die Natur zu schädigen oder den Naturgenuss zu beeinträchtigen. Damit beziehen sich beide Fragen auf die Auslegung und Anwendung des Reichsnaturschutzgesetzes, das zwar inzwischen außer Kraft getreten ist, jedoch als Rechtsgrundlage für die im Streit stehende Landschaftsschutzverordnung noch von Bedeutung sein mag. Eine in einem Revisionsverfahren klärungsfähige Fragestellung läge jedoch nur vor, wenn sie revisibles Recht betreffen würde (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Daran fehlt es. Denn das Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935 galt nicht als Bundesrecht fort (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1958 - 2 BvO 2/57 - BVerfGE 8, 186). Insbesondere gehörte es im Zeitpunkt des Erlasses der Landschaftsschutzverordnung vom 2. August 1967 zum irrevisiblen Landesrecht. Für dessen Inhalt ist die Entscheidung des Berufungsgerichts maßgebend (§ 560 ZPO i.V.m. § 173 VwGO). Die - im Anschluss an das Berufungsgericht - von der Beschwerde zitierten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. März 1955 - BVerwG 1 C 101.53 - und vom 12. Juli 1956 - BVerwG 1 C 91.54 - (Buchholz 406.40 § 24 NatSchG Nrn. 1 und 3) sind vor der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergangen und insoweit überholt.
2. Die Beschwerde rügt weiter als Verstoß gegen den in § 86 Abs. 1 VwGO geregelten Untersuchungsgrundsatz, dass das Berufungsgericht keinen Augenschein eingenommen habe. Die Rüge ist zumindest unbegründet.
Allerdings ist der Beschwerde zuzugeben, dass sich häufig zur sachgerechten und umfassenden Tatsachenfeststellung für die Beurteilung, ob bestimmte Anlagen die Landschaft verunstalten, eine Ortsbesichtigung anbieten wird. Das bedeutet aber nicht, dass über diese Frage stets nur auf der Grundlage einer Ortsbesichtigung entschieden werden kann. Vielmehr gilt auch hier der allgemeine Grundsatz, dass das Gericht Umfang und Art der Tatsachenermittlung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 3. September 1980 - BVerwG 2 B 63.79 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 130). So hat der Senat die Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung wegen unterlassener Ortsbesichtigung in den Fällen nicht für begründet erachtet, in denen das Tatsachengericht seine Überzeugungsbildung auf Kartenmaterial, Fotos, Luftbilder oder auch Schilderungen ortskundiger Verfahrensbeteiligter gestützt hat. Maßgeblich für die Beurteilung im Rahmen des § 86 Abs. 1 VwGO ist allein, ob die dem Gericht bereits vorliegenden Erkenntnisquellen für die vorzunehmende Wertung und Bewertung der örtlichen Gegebenheiten im Einzelfall ausreichen (BVerwG, Urteil vom 14. November 1991 - BVerwG 4 C 1.91 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 236 = BRS 52 Nr. 146, mit weiterem Nachweis <zur Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich>).
Im vorliegenden Fall hatte das Verwaltungsgericht bereits eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Das Berufungsgericht konnte sich auf seine Niederschrift über die Ortsbesichtigung mit einer ausführlichen Beschreibung der streitigen Anlagen stützen. In den Verwaltungsvorgängen befinden sich ferner zahlreiche Lichtbilder, die vom Rechtsvorgänger der Beklagten im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erlass der Ordnungsverfügung angefertigt worden sind. Dem Berufungsgericht lag schließlich eine Fotodokumentation aus dem Sommer 1999 vor, die der Kläger selbst im ersten Rechtszug eingereicht hatte. Diese Unterlagen waren als Grundlage für eine Beurteilung durch das Berufungsgericht grundsätzlich geeignet. Die Beschwerde macht selbst nicht geltend, dass der Kläger gegenüber dem Berufungsgericht substantiiert vorgetragen habe, dass und aus welchem Grund gleichwohl eine sachgerechte Beurteilung nicht ohne eine (zusätzliche) Ortsbesichtigung möglich sei. Erst Recht hat er keinen förmlichen Beweisantrag gestellt. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände ist eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Berufungsgericht zu verneinen.
3. Das Berufungsurteil steht auch im Einklang mit § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Nach dieser Vorschrift muss das Urteil - unter anderem - Entscheidungsgründe enthalten. Die Vorschrift mag auch verletzt sein, wenn das Urteil - wie unstreitig im vorliegenden Fall - zwar Entscheidungsgründe enthält, diese aber über die für die richterliche Überzeugungsbildung maßgeblichen Umstände keine Auskunft geben. Die Entscheidungsgründe brauchen jedoch nicht auf jedes Detail einzugehen. Das angegriffene Berufungsurteil stützt sich auf "die zahlreichen Fotografien", die sich in den Gerichtsakten und Beiakten befinden; ausgewertet worden sind also sämtliche vorhandenen Lichtbilder. Dasselbe gilt für die erstinstanzlichen Feststellungen, die das Berufungsgericht verwertet hat. In Wirklichkeit macht die Beschwerde lediglich geltend, dass sie die tatsächliche und rechtliche Würdigung durch das Berufungsgericht für unzutreffend hält. Ein Verstoß gegen § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist damit nicht dargelegt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG fest.