Beschluss vom 03.03.2010 -
BVerwG 9 B 77.09ECLI:DE:BVerwG:2010:030310B9B77.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.03.2010 - 9 B 77.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:030310B9B77.09.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 77.09

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 26.03.2009 - AZ: OVG 14 A 3168/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. März 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. März 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 895,46 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist nicht begründet.

2 1. Mit der Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) kann die Klägerin nicht durchdringen.

3 a) Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des übergeordneten Gerichts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt insoweit, dass die sich widersprechenden Rechtssätze der Berufungsentscheidung einerseits und der Entscheidung des übergeordneten Gerichts andererseits in der Beschwerdebegründung angegeben werden. Die Klägerin rügt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts weiche von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 2007 - GmS-OGB 1.07 - und dem Urteil vom 25. Juni 2008 - BVerwG 9 C 8.07 - (Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 28) ab. Das Bundesverwaltungsgericht habe seine frühere Auffassung, dass ein Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 GrStG nur bei atypischer Sachlage und vorübergehender Ertragsminderung in Betracht komme, aufgegeben und sich der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofes angeschlossen. Im Urteil vom 25. Juni 2008 habe das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt: „Ob der erzielte - geringe - Ertrag auf eine atypische Situation zurückzuführen ist und/oder länger anhält, ist unerheblich“. Demgegenüber habe das Oberverwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung den Grundsteuererlass abgelehnt, weil die geltend gemachte Ertragsminderung nicht wie erforderlich auf atypische Umstände oder einen strukturell bedingten Leerstand zurückzuführen sei.

4 Damit hat die Klägerin jedoch die Divergenz nicht hinreichend dargelegt. Denn der zitierte Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts hat nicht die von der Beschwerde angenommene Bedeutung, wenn er - wie geboten - in dem Kontext gelesen wird, in dem er steht, nämlich im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Ermittlung des Rohertrags bei der Bewertung eines bebauten Grundstückes im Sachwertverfahren gem. § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GrStG a.F. Dort heißt es: „...Die Ermittlung der Minderung des normalen Rohertrags erfordert in diesem Fall die Gegenüberstellung des von der Klägerin erzielten Ertrages und des an Ertrag ‚Üblichen’...§ 33 GrStG hebt mit dem ‚Üblichen’ auf das ab, was Objekte vergleichbarer Beschaffenheit an Ertrag bringen. Gefordert ist ein Vergleich mit ‚anderen’...“. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt. Im Hinblick auf die Erlassvoraussetzungen wird in den von der Beschwerde genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts an anderer Stelle darauf abgestellt, dass „ein Grundsteuererlass nicht nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht kommt, sondern auch strukturell bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur erfassen kann“ (Beschluss vom 24. April 2007 - GmS-OGB 1.07 -; Urteil vom 25. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11). Dieser Rechtssatz trägt der Fragestellung des Bundesfinanzhofs in seinem Beschluss vom 26. Februar 2007 - II R 5/05 - (BB 2007, 818) Rechnung: „Dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes wird die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob ein Grundsteuererlass gemäß § 33 Abs. 1 GrStG nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht kommt oder auch strukturell bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur erfassen kann.“ Damit hat das Bundesverwaltungsgericht nicht entschieden, dass es generell nicht mehr darauf ankomme, ob die Ertragsminderungen atypisch seien.

5 b) Soweit die Beschwerde die Zulassung wegen einer Abweichung von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 1983 - BVerwG 8 C 150.81 - (BVerwGE 67, 123), vom 6. September 1984 - BVerwG 8 C 60.83 - (Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 22) und vom 25. Juni 2008 (a.a.O.) geltend macht, kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Sie meint, das Oberverwaltungsgericht habe den Grundsteuererlass zu Unrecht mit dem Argument abgelehnt, die Klägerin habe die Ertragsminderung auch zu vertreten, da sie sich mit vorläufig geringeren Mietzahlungen durch ihre weitgehend zahlungsunfähige Mieterin für das (Teil-)Objekt einverstanden erklärt habe. Demgegenüber habe nach der zitierten Rechtsprechung ein Steuerpflichtiger eine Ertragsminderung nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruhe, die außerhalb seines Einflussbereiches lägen. Das Oberverwaltungsgericht habe sich nicht näher mit ihrem Vorbringen auseinander gesetzt, wonach sie alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft habe, den Mietausfall zu verhindern. Damit hat die Klägerin nicht, wie erforderlich, divergierende Rechtssätze dargelegt. Vielmehr greift sie in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels angebliche Mängel der Sachverhaltswürdigung des Oberverwaltungsgerichts an.

6 2. Die Grundsatzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr.1 VwGO bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

7 Die Klägerin bezeichnet als grundsätzlich bedeutsam sinngemäß die Frage,
ob der Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG das Merkmal der Atypizität voraussetzt.

8 Diese Frage betrifft nur eine von zwei selbstständig tragenden Begründungen, mit denen das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf einen Grundsteuererlass zurückgewiesen hat. Einerseits ist es davon ausgegangen, dass die geltend gemachte Ertragsminderung nicht auf atypische Umstände oder einen strukturell bedingten Leerstand zurückzuführen sei. Unabhängig davon hat es darauf abgestellt, dass die Klägerin die Ertragsminderung zu vertreten habe. Bei einer solchen mehrfachen, die Entscheidung jeweils selbstständig tragenden Begründung kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr.; vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 15).
Die gegen die zweite Begründung erhobene Divergenzrüge bleibt jedoch, wie oben dargelegt, ohne Erfolg.

9 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.