Beschluss vom 02.09.2003 -
BVerwG 9 B 35.03ECLI:DE:BVerwG:2003:020903B9B35.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.09.2003 - 9 B 35.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:020903B9B35.03.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 35.03

  • Niedersächsisches OVG - 27.01.2003 - AZ: OVG 9 LB 281/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. September 2003
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht V a l l e n d a r und Prof. Dr. R u b e l
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 288,09 € festgesetzt.

Die auf die Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Die für die Zulassung der Revision geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu.
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Frage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde bezeichnet als klärungsbedürftig die Fragen:
"1. Folgt aus dem bundesverfassungsrechtlichen Gebot zur bereichsspezifischen Anwendung des Gleichheitssatzes bei der rechtlichen Prüfung der Heranziehung zu einem Fremdenverkehrsbeitrag, für welchen es nach irrevisiblen Landesrecht u.a. auf eine objektiv verfestigte Beziehung zum Erhebungsgebiet ankommt, (dass) dieses Kriterium einschränkend dahingehend auszulegen (ist), dass die objektiv verfestigte Beziehung in einem stärkeren Verhältnis gegeben sein muss als zu (jedem) anderen beliebigen Ort im Bundesgebiet?
2. Stellt es einen Verstoß gegen das bundesverfassungsrechtliche Gebot zur bereichsspezifischen Anwendung des Gleichheitssatzes dar, wenn eine örtliche Abgabe für eine überörtliche Tätigkeit erhoben wird?"
Diese Fragen betreffen teilweise die Auslegung und Anwendung von Landesrecht, dessen Nachprüfung dem Revisionsgericht versagt ist (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Sie werden auch nicht dadurch zu solchen des revisiblen Rechts, dass die Beschwerde sie mit der Auslegung und Anwendung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG zu verknüpfen sucht, indem sie geltend macht, die Vorinstanz habe diese Verfassungsbestimmung "stillschweigend" zur Auslegung des Landesrechts herangezogen. Denn den Gründen des angefochtenen Urteils
ist hierfür nichts zu entnehmen. Die Beschwerde beschränkt sich insoweit auf Schlussfolgerungen, die durch den Inhalt des Urteils nicht belegt werden. Die Vorinstanz beantwortet die Frage, ob die Klägerin im Erhebungsgebiet wirtschaftliche Leistungen anbietet, die eine für eine Veranlagung zu Fremdenverkehrsbeiträgen zu fordernde "Ortsbezogenheit" aufweisen (UA S. 9), ausschließlich nach dem Landesrecht. Die Frage, ob das auf diese Weise gewonnene Auslegungsergebnis auch von Art. 3 Abs. 1 GG gefordert wäre, wird nicht aufgeworfen und hat somit für die Vorinstanz keine Rolle gespielt. Eine für die Entscheidung des Tatsachengerichts nicht maßgebliche Rechtsfrage vermag aber die Zulassung der Revision wegen Rechtsgrundsätzlichkeit nicht zu rechtfertigen (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 1986 - BVerwG 2 B 94.85 - Buchholz 310 § 75 VwGO Nr. 11).
Für klärungsbedürftig hält die Beschwerde schließlich die Frage,
"ob durch die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen lediglich allgemeine Vorteile entstehen können, d.h. nur solche, die durch eine stärkere Nachfrage ausgelöst werden, weil durch die Erhebung der Wirtschaftskraft eine Steigerung der Einwohnerzahlen in der erhebungsberechtigten Gemeinde erfolgt".
Auch diese Frage beantwortet sich - falls sie nicht eine bloße Tatsachenfrage ist - nach dem irrevisiblen Landesrecht und rechtfertigt deswegen die Zulassung der Revision nicht.
2. Die Beschwerde kann auch mit ihren Divergenzrügen (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht durchdringen.
Eine Divergenzrüge erfordert, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat; dagegen reicht es auch insoweit nicht aus, wenn lediglich eine fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen aufgezeigt wird, die die zuletzt genannten Gerichte in ihrer Rechtsprechung aufgestellt haben (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26, S. 14). Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.
Die Beschwerde bezieht sich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. August 1989 - 2 BvR 329/88 - (NVwZ 1989, 1052 f.); dort sei entschieden, es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn Dienstleistungen, die nicht örtlich, sondern überörtlich nachgefragt würden, mit einer örtlichen Abgabe belegt würden. Diese Aussage kann dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts so aber nicht entnommen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich ausgeführt, dass die nach Maßstäben des Abgabenrechts zu beurteilende Frage, ob Steuerberater in der Regel zu den Personen gehören, denen aus dem Kurbetrieb oder dem Fremdenverkehr mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile erwachsen, auch nicht dadurch zu einer Frage des Verfassungsrechts wird, weil die dortige Beschwerdeführerin versucht hat, sie mit Art. 3 Abs. 1 GG zu verknüpfen, indem sie geltend gemacht hat, die Dienstleistungen eines Steuerberaters würden überörtlich nachgefragt. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht darauf verwiesen, dass es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei, wenn die Fremdenverkehrsabgabe nur von Personen erhoben werde, die in der Gemeinde ansässig seien; die Abgabenhoheit der Gemeinde sei insoweit auf ihr Gemeindegebiet begrenzt. Eine hiervon abweichende Aussage der Vorinstanz zeigt die Beschwerde nicht auf.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 2, § 14 GKG.