Beschluss vom 02.07.2013 -
BVerwG 9 B 2.13ECLI:DE:BVerwG:2013:020713B9B2.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.07.2013 - 9 B 2.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:020713B9B2.13.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 2.13

  • Bayer. VG Ansbach - 09.11.2011 - AZ: VG 1 K 11.00610
  • Bayerischer VGH München - 27.09.2012 - AZ: VGH 20 B 12.821

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Juli 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ und Prof. Dr. Korbmacher
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. September 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 555,18 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) liegt nicht vor. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (Beschlüsse vom 29. April 2003 - BVerwG 9 B 65.02 - juris Rn. 3 und vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 9 B 41.09 - juris Rn. 16; stRspr). So liegen die Dinge hier. Das Berufungsgericht hat das gemeinsam mit dem Beitragsbescheid bekannt gegebene Schreiben der Beklagten vom 29. Juni 1984 als eigenständigen Verwaltungsakt gewertet, mit dem die Beitragsforderung gestundet wurde. Danach kam es für die Entscheidung des Berufungsgerichts auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage der Wirksamkeit der in dem Schreiben vom 26. März 1980 enthaltenen Stundungszusage nicht an.

3 2. Die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.

4 Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts sowie die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Rechtsfrage bestehen soll (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Daran fehlt es hier. Soweit es die Beschwerde unter Hinweis auf § 222 AO für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob die in der Stundungsabrede enthaltene Klausel „allein und ausschließlich grundstücksbezogen zu betrachten ist und/oder nicht auch die Person des Beitragsschuldners in die Betrachtung einzubeziehen ist“ (Beschwerdebegründung S. 5) und „ob bei einer Hofübergabe die Stundungsvoraussetzungen in Wegfall kommen oder nicht“ (Beschwerdebegründung S. 6), möchte sie der Sache nach geklärt wissen, ob § 222 AO der vom Berufungsgericht bejahten Möglichkeit einer grundstücksbezogenen Gewährung einer Stundung entgegensteht. Dies rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deswegen nicht, weil § 222 AO im Streitfall lediglich über den landesrechtlichen Anwendungsbefehl in § 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a des Bayerischen KAG Geltung beansprucht, insoweit in das irrevisible Landesrecht inkorporiert wird und daher nicht Maßstab einer revisionsgerichtlichen Überprüfung sein kann (stRspr; vgl. Urteil vom 19. März 2009 - BVerwG 9 C 10.08 - Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 135 Rn. 9).

5 Auch die Frage,
„ob dem Beitragsberechtigten ein ‚Sichberufen’ auf das Nichtvorliegen der Erforderlichkeit zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit abzusprechen ist, wenn von Anfang an diese Erforderlichkeit (womöglich auch unter anderen Voraussetzungen) nicht gegeben war“
(Beschwerdebegründung S. 7), rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zur Begründung seiner Rechtsauffassung, dass die Wirkungen einer unter einer Bedingung gewährten Vergünstigung nicht entfielen, wenn kein „zukünftiges“ Ereignis eintrete, weil die Umstände seit Erlass des Verwaltungsakts unverändert geblieben seien, auf Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gestützt. Hierauf geht die Beschwerdebegründung nicht ein und zeigt nicht auf, welcher Bedarf für eine erneute Klärung der höchstrichterlich entschiedenen Frage besteht.

6 Schließlich vermag auch die Frage, ob eine Zusage der Gemeinde, gegen den Willen eines Eigentümers keinen Bebauungsplan aufzustellen, gegen Bestimmungen des Baugesetzbuchs verstößt und zur Nichtigkeit einer mit der entsprechenden Zusage in Zusammenhang stehenden Stundung führt, die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zu rechtfertigen. Die Frage würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Wie im Zusammenhang mit der Verfahrensrüge bereits ausgeführt, hat das Berufungsgericht dem Schreiben der Beklagten vom 29. Juni 1984 Verwaltungsaktsqualität zuerkannt, so dass es für die Wirksamkeit der Stundung nicht darauf ankommt, ob die im Schreiben vom 26. März 1980 enthaltene Stundungszusage wegen der in diesem Schreiben außerdem erteilten Zusage, keinen Bebauungsplan gegen den Willen des Grundstückseigentümers aufzustellen, nichtig ist. Das Schreiben der Beklagten vom 29. Juni 1984 selbst enthält keine auf die Bebauungsplanung bezogenen Aussagen.

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG und Nr. 3.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom Juli 2004. Zu einer von den Vorinstanzen abweichenden Streitwertfestsetzung besteht entgegen der Auffassung der Beklagten kein Anlass. Eine „immerwährende“ Stundung ist nicht Streitgegenstand der gegen die Aufhebung der Stundungsverfügung gerichteten Anfechtungsklage.