Beschluss vom 02.06.2004 -
BVerwG 7 B 38.04ECLI:DE:BVerwG:2004:020604B7B38.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.06.2004 - 7 B 38.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:020604B7B38.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 38.04

  • VG Leipzig - 22.10.2003 - AZ: VG 1 K 152/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Juni 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 22. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 102 258 € festgesetzt.

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die vermögensrechtliche Berechtigung der Beigeladenen hinsichtlich eines früheren Unternehmensgrundstücks festgestellt wird. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil das betroffene Grundstück - anders als die Klägerin mit ihrer Klage geltend gemacht hat - erst nach der Stilllegung des Unternehmens seine Unternehmenszugehörigkeit verloren habe.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Es ist weder der geltend gemachte Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erkennbar (1.), noch verleiht die von der Klägerin als klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (2.).
1. Die Klägerin rügt, der Feststellung des Verwaltungsgerichts, das Unternehmen der Beigeladenen sei im Jahre 1951 ausgeschlachtet und stillgelegt worden, liege keine ordnungsgemäße richterliche Überzeugungsbildung und somit ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO zugrunde. Die Bekundungen der Zeugin S., auf die sich das Gericht berufe, trügen diese Feststellung nicht; im Übrigen stehe sie im Widerspruch zum Akteninhalt.
Es mag hier dahin gestellt bleiben, ob mit dem Vorwurf der Aktenwidrigkeit der getroffenen Feststellung überhaupt ein Verfahrensmangel bezeichnet wird oder ob dieser Einwand dem sachlichen Recht zuzuordnen ist; denn er ist nicht berechtigt. Die Klägerin zeigt keine Widersprüche zwischen dem durch Bezugnahme im Urteil festgestellten Akteninhalt und den übrigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts auf. Vielmehr zieht sie aus dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge Schlussfolgerungen, die im Widerspruch zu der vom Verwaltungsgericht als glaubhaft beurteilten Aussage der Zeugin stehen. Eine Feststellung ist aber nicht aktenwidrig, wenn sich das Gericht - wie hier - unter Würdigung weiterer Umstände vom Gegenteil dessen überzeugt hat, was nach Auffassung der Klägerin aus den Akten hervorzugehen scheint (vgl. dazu Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Rn. 206 f. zu § 137 VwGO).
Der Sache nach wendet sich die Klägerin daher mit dem Einwand der Aktenwidrigkeit ebenso wie mit ihrer Rüge insgesamt gegen die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht und damit gegen die Anwendung materiellen Rechts, die nicht mit der Verfahrensrüge angreifbar ist. Obwohl sie sich auf § 108 Abs. 1 VwGO beruft, beschränkt sie sich weitgehend darauf, der Tatsachen- und Beweiswürdigung des Gericht ihre eigene Version des Geschehensablaufs entgegenzuhalten, ohne Umstände zu benennen, welche die Annahme eines Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rechtfertigen können. Das gilt im wesentlichen auch, soweit sie sinngemäß eine Verletzung der Denkgesetze rügt. Von einem solchen Verfahrensverstoß durch unrichtige Schlussfolgerungen kann nur dann gesprochen werden, wenn nur eine einzige Folgerung möglich, jede andere aber aus denkgesetzlichen Gründen schlechterdings unmöglich ist, und wenn das Gericht die in diesem Sinne allein denkbare Folgerung nicht gezogen hat. Dieser Vorwurf ist allenfalls im Hinblick darauf berechtigt, dass das Verwaltungsgericht - den Bekundungen der Zeugin folgend - von einer Treuhänderstellung des in der Zeugenaussage erwähnten Herrn S. ausgegangen ist. Da das Unternehmen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts am 4. Januar 1951 in die Rechtsträgerschaft des VVB Land Sachsen übergegangen ist, ist schwer vorstellbar, dass zu derselben Zeit ein neuer Treuhänder im Rechtsinne bestellt worden ist. Selbst wenn man hierin einen Mangel richterlicher Überzeugungsbildung sieht, kann das nicht zum Erfolg des Rechtsbehelfs führen, weil die angegriffene Entscheidung nicht auf dem Mangel beruht. Maßgeblich für die Bewertung der Zeugenaussage war nicht, ob die Zeugin die tatsächliche Rolle des Herrn S. im Betrieb rechtlich zutreffend eingeordnet hat, was von ihr ohnehin nicht erwartet werden konnte, sondern dass er nach ihren Bekundungen den Auftrag hatte, den Betrieb aufzulösen, und dies dann auch geschehen ist.
2. Die von der Klägerin als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage,
ob eine Stilllegung eines Unternehmens im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG auch dann vorliegt, wenn ein Teilbereich des ehemaligen Unternehmens in reduzierter Form weitergeführt wird,
rechtfertigt ebenfalls nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sie sich dort gar nicht stellen würde. Nach den unmissverständlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist das Unternehmen nicht in reduzierter Form, sondern überhaupt nicht weitergeführt worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.