Beschluss vom 01.07.2004 -
BVerwG 7 B 35.04ECLI:DE:BVerwG:2004:010704B7B35.04.0

Beschluss

BVerwG 7 B 35.04

  • VG Greifswald - 11.11.2003 - AZ: VG 2 A 3179/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Juli 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K r a u ß und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. November 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 55 000 € festgesetzt.

I


Der Rechtsvorgänger der Beigeladenen, ein Bildhauer, kaufte 1983 vom staatlichen Verwalter das streitgegenständliche als Eigenheimgrundstück bezeichnete Grundstück. Der Rückübertragungsantrag der Kläger wurde im Widerspruchsverfahren abgelehnt. Ihre gegen den Widerspruchsbescheid gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil insbesondere ausgeführt, der Rechtserwerb des Rechtsvorgängers der Beigeladenen sei als unredlich anzusehen, weil er unter Verstoß gegen die Grundstücksverkehrsverordnung der DDR ein zweites Eigenheim erworben habe und diesen Rechtsverstoß kannte oder hätte kennen müssen (§ 4 Abs. 3 Buchst. a VermG).

II


Die Beschwerde der Beigeladenen ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Abweichung von der in der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, vgl. 1.). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 2.). Schließlich liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 3.).
1. Eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nur dann vor, wenn die Vorinstanz mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) widersprochen hat. Daran fehlt es hier.
In dem von der Beschwerde herangezogenen Urteil vom 10. Dezember 1998 - BVerwG 7 C 42.97 - (Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 63 S. 145) stellt das Bundesverwaltungsgericht die in der DDR geltende Rechtslage dar. Unabhängig davon, dass das Recht der DDR nicht i.S. des § 137 Abs. 1 VwGO revisibel ist, weicht das verwaltungsgerichtliche Urteil nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Vielmehr geht das Verwaltungsgericht ausdrücklich von dieser Entscheidung aus und wendet sie auf den vorliegenden Einzelfall an.
In seinem Urteil zitiert das Bundesverwaltungsgericht u.a. die Gemeinsame Richtlinie der Ministerien des Innern und der Finanzen zur Regelung des Verfahrens der Leitung und Kontrolle des Grundstücksverkehrs vom 16. Mai 1978 in der Fassung vom 19. Mai 1983 (abgedruckt in: Schriftenreihe des Bundesamts zur Regelung offener Vermögensfragen, Heft 1, Dokument 25). Aus dem Urteil ergibt sich auch, dass das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass diese Richtlinie das DDR-Recht wiedergibt. Die Beschwerde meint, das verwaltungsgerichtliche Urteil enthalte abstrakte Rechtssätze, die im Widerspruch zu dieser Richtlinie stünden. Wenn dies der Fall wäre, würde dies keine Divergenz i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründen. Im Übrigen trifft dies nicht zu. Die Beschwerde trägt vor, die Richtlinie erfasse nur Grundstücke, die ausschließlich als Wohn- oder Erholungsgrundstücke genutzt würden. Dies ist nicht der Fall. Die Richtlinie erfasst nach ihrem eindeutigen Wortlaut Wohn- oder Erholungsgrundstücke, die nur von dem Erwerber und seiner Familie genutzt werden. Zu dem Fall, dass der Erwerber das Grundstück nicht ausschließlich zu Wohnzwecken nutzt, äußert sich die Richtlinie nicht.
Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung den Rechtssatz aufgestellt, der Begriff "Eigenheim" i.S. des Rechts der DDR sei objektiv. Es sei die bestimmungsgemäße Nutzung maßgeblich, auf die tatsächliche Nutzung käme es hingegen nicht an. Etwas anderes könne erst dann gelten, wenn sich durch eine bauliche Veränderung eine Änderung der bestimmungsmäßigen Nutzung ergebe. Hierzu enthalten das herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und die darin zitierte Richtlinie keine Ausführungen.
Im Übrigen wendet sich die Divergenzrüge im Stile einer Berufungsbegründung gegen die tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung des vorliegenden Einzelfalls.
2. Grundsätzlich bedeutsam i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Auch daran fehlt es hier.
Die Beschwerde hält sinngemäß für klärungsbedürftig die Frage,
ob nach den einschlägigen Vorschriften des DDR-Rechts ein Eigenheim nur dann vorliegt, wenn ein Gebäude tatsächlich als solches genutzt wird und/oder zu diesem Zweck gekauft wurde.
Diese Frage beurteilt sich ausschließlich nach dem Recht der DDR. Dieses ist nicht Bundesrecht und damit nicht revisibel (§ 137 Abs. 1 VwGO).
3. Es liegt auch kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem das verwaltungsgerichtliche Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt.
Dem Verwaltungsgericht mussten sich nicht weitere Ermittlungen zur tatsächlichen Nutzung beider im Eigentum des Rechtsvorgängers der Beigeladenen stehenden Grundstücke aufdrängen. Ein Verfahrensfehler läge nur vor, wenn auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts weitere Ermittlungen notwendig gewesen wären. Dies ist nicht der Fall, weil nach der - oben geschilderten - materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts grundsätzlich die bestimmungsgemäße Nutzung maßgeblich war.
Soweit die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht hätte näher aufklären müssen, inwiefern eine Veränderung der Gebäude auf den streitgegenständlichen Flurstücken und auf dem bereits früher von dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen erworbenen Grundstück erfolgt war, wird ein Verfahrensfehler nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Insbesondere wird nicht vorgetragen, welche Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten und wieso sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung aufdrängen musste, obwohl sie von der bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Beigeladenen nicht beantragt worden war.
Auch einer weiteren Aufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) zu den beiden Wertgutachten bedurfte es nicht. Denn die Frage, ob das zweite Wertgutachten ein Gefälligkeitsgutachten war, das einen niedrigeren als den tatsächlichen Wert angab und damit dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu einem Kauf unter dem Verkehrswert verhalf, war nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat die Unredlichkeit des Erwerbs mit der Begründung angenommen, der Rechtsvorgänger der Beigeladenen habe ein zweites Eigenheim unter Verstoß gegen DDR-Recht erworben und habe diesen Verstoß gekannt oder kennen müssen. Daran hätte sich nichts geändert, wenn das zweite Wertgutachten richtig gewesen wäre und der Rechtsvorgänger der Beigeladenen damit zum Verkehrswert erworben hätte. Der insoweit unklare Satz in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Umstände komme die Kammer nicht zu einer anderen Überzeugung, vermag daran nichts zu ändern, dass die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu dem zweiten Wertgutachten, das als nicht nachvollziehbar bewertet wird, nicht entscheidungserheblich waren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.