Beschluss vom 01.06.2005 -
BVerwG 3 B 124.04ECLI:DE:BVerwG:2005:010605B3B124.04.0

Beschluss

BVerwG 3 B 124.04

  • VG Gera - 24.08.2004 - AZ: VG 2 K 2658/03 GE

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Juni 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k und Dr. D e t t e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
  2. Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 24. August 2004 wird zurückgewiesen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 18 296,71 € festgesetzt.

Die Klägerin wendet sich gegen die angeordnete Rückzahlung von Ausgleichsleistungen nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
1. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann "bezeichnet" (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschluss vom 10. November 1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rn. 222 m.w.N.). Das setzt voraus, dass die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, die Mängel ergeben (Beschluss vom 18. März 1982 - BVerwG 9 CB 1076.81 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 35). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin bemängelt, das Verwaltungsgericht Gera sei aufgrund unzureichender Würdigung und wegen nicht ausreichender Erforschung des Sachverhalts (§ 86 VwGO) von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen und daher zu der unzutreffenden Feststellung gekommen, dass das in M. gelegene Grundstück als Ausgleichsleistung für die im Rahmen der Zwangsaussiedlung zurückgelassenen Vermögenswerte geleistet wurde und damit als Ersatzgrundstück im Sinne von § 2 Abs. 4 Satz 5 VwRehaG anzusehen sei. Dabei geht die Klägerin davon aus, dass die ihrer Meinung nach unzutreffende rechtliche Wertung des Vertrages vom 19. September 1963 als Kauf- bzw. Tauschvertrag zu dem falschen Ergebnis geführt habe. Diese Rüge vermag einen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht darzutun, auch wenn die Klägerin sie unter Darlegungen im Einzelnen zu untermauern sucht. Sie bezeichnet keinen Verfahrensmangel, sondern einen - angeblichen - Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts, der für sich gesehen die Zulassung der Revision nicht begründen kann. Ein Verfahrensmangel im Sinne der genannten Vorschrift ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die den äußeren Verfahrensablauf, also den Weg zum Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses, nicht jedoch dessen Inhalt und den inneren Vorgang der richterlichen Rechtsfindung betrifft (Beschluss vom 11. Januar 2002 - BVerwG 9 B 40.01 - juris m.w.N.). Zudem übersieht die Klägerin, dass es nach Auffassung des Verwaltungsgerichts dahinstehen kann, ob die erbrachte Gegenleistung seitens der damaligen staatlichen Stellen hinsichtlich des angebotenen Grundstücks in M. rechtlich als Tausch oder etwa als teilweise Leistung an Erfüllung statt im Rahmen eines Kaufes anzusehen ist (UA S. 8), so dass das Urteil nicht auf der angegriffenen Wertung beruhen kann.
2. Die Voraussetzungen einer Divergenzrevision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind ebenfalls nicht gegeben. Eine die Revision eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in der angefochtenen Entscheidung eine Rechtsauffassung vertritt, die einem bestimmten, vom Bundesverwaltungsgericht, dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder dem Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssatz widerspricht. Eine derartige Abweichung wird in der Beschwerdeschrift nicht prozessordnungsgemäß aufgezeigt. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschluss vom 21. Juni 1995 - BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18). Hier fehlt es bereits an der Gegenüberstellung sich widersprechender abstrakter Rechtssätze. Die Beschwerde meint lediglich, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gera weiche "im Kern" von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2000 - BVerwG 8 C 24.99 - ab. Sie rügt damit letztlich eine falsche Anwendung von Rechtssätzen, womit eine Divergenzrüge nicht mit Erfolg begründet werden kann.
3. Auch die Voraussetzungen einer Grundsatzrevision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nämlich nur, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung dazu beitragen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Anhaltspunkte dafür, dass hier diese Voraussetzungen gegeben sein könnten, sind nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt, aber auch nicht ersichtlich. Zwar werden in der Beschwerdebegründung einzelne Fragen dargelegt, die grundsätzlich bedeutsam sein sollen. Die Beschwerdebegründung richtet diese Fragen jedoch auf den Tatbestand des vorliegenden Falles aus, statt eine konkrete klärungsbedürftige Fragestellung mit übergeordneter Bedeutung herauszuarbeiten. Damit beschränkt sie sich - mit Ausnahme der nachfolgend erörterten Frage - letztlich darauf, die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts anzugreifen und grundsätzliche Bedeutung zu behaupten. Mit bloßen Angriffen gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz kann jedoch die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt werden. Das gilt selbst dann, wenn dazu verfassungsrechtliche Erwägungen angeführt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 1990 - BVerwG 5 B 94.89 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 282).
Die Klägerin rügt eine nicht verfassungskonforme restriktive Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 1, 5 und 6 VwRehaG, die nicht dem vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 17. Mai 2000 (- BVerwG 8 C 24.99 - VIZ 2000, 528) herausgestellten Kompensationsgedanken entspreche. Dem Beschwerdevorbringen lässt sich die konkrete Frage entnehmen, ob für den nach § 2 Abs. 4 Satz 5 und 6 VwRehaG zu entrichtenden Wert des Ersatzgrundstücks, das sich nicht mehr im Eigentum des Berechtigten befindet, auf den Zeitpunkt seiner Veräußerung abzustellen ist oder ob hierfür der Zeitpunkt der anspruchsbegründenden Schädigung maßgebend ist.
Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es aber nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Einer Rechtsfrage kommt nämlich nicht schon deshalb grundsätzliche Bedeutung zu, weil zu ihr noch keine ausdrückliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt; es fehlt auch dann an der Klärungsbedürftigkeit, wenn sich die Rechtsfrage durch Auslegung der maßgeblichen Rechtsvorschriften anhand der anerkannten Auslegungskriterien ohne weiteres beantworten lässt oder durch die bisherige Rechtsprechung als geklärt angesehen werden kann (Beschluss vom 31. Juli 1987 - BVerwG 5 B 49.87 - Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 14). Letzteres trifft auch dann zu, wenn die vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage gibt (Beschluss vom 28. September 1995 - BVerwG 10 B 6.94 -). Ein solcher Fall ist hier gegeben, zumal hinsichtlich der mit § 2 Abs. 4 VwRehaG zusammenhängenden Fragen die von der Beschwerde selbst angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2000 (- BVerwG 8 C 24.99 -) vorliegt. Die Auslegung der hier maßgeblichen Rechtsvorschrift des § 2 Abs. 4 Satz 6 VwRehaG ergibt, dass auf den Zeitpunkt des Eigentumsverlustes des Ersatzgrundstücks abzustellen ist. Der Wortlaut bezieht sich auf das als Entschädigung übereignete Ersatzgrundstück und stellt in den Folgesätzen ausschließlich auf dieses Grundstück betreffende Vorgänge oder Rechte ab. Für die Annahme, dass mit dem in Satz 6 des § 2 Abs. 4 VwRehaG genannten "Zeitpunkt des Eigentumsverlustes" der Zeitpunkt der schädigenden Maßnahme gemeint ist, gibt es keine Anhaltspunkte. Auch lässt sich eine solche Annahme nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf das hier vertretene Verständnis der Norm stützen. Dem Berechtigten kommen mit der Rückgabe von entzogenen Grundstücken die zwischenzeitlich erwachsenen Wertsteigerungen aufgrund gestiegener Bodenpreise zugute. Im Gegenzug hat der Berechtigte die mit dem Eigentumsverlust des als Entschädigung erhaltenen Ersatzgrundstücks ggf. realisierte und vereinnahmte Wertsteigerung zu entrichten, soweit sie nicht nach § 2 Abs. 4 Satz 7 VwRehaG außer Betracht bleibt. § 2 Abs. 4 VwRehaG bezweckt den Ausgleich erfahrener Vorteile (BTDrucks 12/7048 S. 36 f. zu § 2 Abs. 4 Satz 6 <neu>). Im Falle der Rückgabe des entschädigten Vermögenswertes soll im Gegenzug die empfangene Entschädigung in den öffentlichen Haushalt zurückfließen, um es nicht zu einer doppelten Wiedergutmachung desselben Schadens kommen zu lassen. Aus dem komplementären Verhältnis von Entzug und Entschädigung folgt bei Rückgabe des Vermögensgegenstandes die Pflicht zur Erstattung (vgl. Urteil vom 17. Mai 2000 - BVerwG 8 C 24.99 -). Soweit ein Vermögensgegenstand nicht oder nicht vollständig zurückgegeben werden kann, tritt an seine Stelle ein Entschädigungsanspruch, so dass auch insoweit das komplementäre Verhältnis von Entzug und Entschädigung gewährleistet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.