Beschluss vom 01.04.2004 -
BVerwG 4 BN 10.04ECLI:DE:BVerwG:2004:010404B4BN10.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.04.2004 - 4 BN 10.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:010404B4BN10.04.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 10.04

  • OVG Mecklenburg-Vorpommern - 19.11.2003 - AZ: OVG 3 K 38/99

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. April 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. November 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 200 € festgesetzt.

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerde meint, das Verfahren sei geeignet, zur weiteren Klärung der Rechtsfrage beizutragen, ob ein Antragsteller im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan, der einen Flugplatz zum Gegenstand hat, deswegen von vornherein nicht antragsbefugt ist bzw. sein kann, weil die Auswirkungen des Flugplatzbetriebs und insoweit insbesondere der Schutz vor Fluglärm Gegenstand der Genehmigung nach § 6 LuftVG ist bzw. wäre. Damit wird indes keine Frage aufgeworfen, die eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigen könnte.
Dabei ist zunächst hervorzuheben, dass die Frage in der gestellten Form in einem Revisionsverfahren nicht zu klären wäre, da das Normenkontrollgericht sich in seinem Urteil nur auf eine fehlende Antragsbefugnis der Antragstellerin als Gemeinde bezieht. Denn es gelangt zu der Schlussfolgerung, die Antragstellerin könne nicht geltend machen, "durch" den angegriffenen Bebauungsplan in der Weise verletzt zu sein oder werden zu können, dass das interkommunale Abstimmungsgebot nach § 2 BauGB verletzt ist, weil ihr Gemeindegebiet Fluglärm ausgesetzt sein würde, der sich durch die nach den Festsetzungen des Bebauungsplans ermöglichten Erweiterungen der Nebenanlagen und der Errichtung des Motels des Flugplatzes ergeben würde (Urteilsabdruck S. 10).
Ferner kann nicht die in der gestellten Frage enthaltene Voraussetzung zu Grunde gelegt werden, der Bebauungsplan, habe "einen Flugplatz zum Gegenstand". Vielmehr legt das Normenkontrollgericht näher dar, dass bereits im Jahre 1991 eine Genehmigung zur Anlegung und zum Betrieb des Verkehrslandeplatzes sowie zur Errichtung von baulichen Anlagen auf dem Verkehrslandeplatz erteilt worden sei und später weitere luftverkehrsrechtliche Bescheide erlassen wurden (Urteilsabdruck S. 3). Ferner führt das Gericht aus, dass die Auswirkungen von Fluglärm in einem Genehmigungsverfahren nach § 6 LuftVG zu prüfen wären bzw. sind (Urteilsabdruck S. 12 ff.). Der Bebauungsplan betrifft demgegenüber nur einzelne Gebäude auf dem Flughafengelände.
Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Beschluss des Senats vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 4 CN 10.02 - (juris, Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen) Folgendes geklärt: Die zur früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung - auf die auch die Beschwerde verweist -, wonach ein Nachteil auch bei einem "handgreiflich-praktischen" Ursachenzusammenhang zwischen einer Norm und einer nachfolgenden Entscheidung (dort einer Naturschutzverordnung und einem durch deren Aufhebung ermöglichten Bebauungsplan für einen Golfplatz) zu bejahen war (vgl. Beschluss vom 18. Dezember 1987 - BVerwG 4 NB 1.87 - Buchholz 406.401 § 15 BNatSchG =NVwZ 1988,728), lässt sich unter der Geltung des neu gefassten § 47 Abs. 2 VwGO nicht mehr aufrechterhalten. Die Antragsbefugnis setzt nach geltendem Recht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die angegriffene Norm oder deren Anwendung voraus. Diesen Anforderungen trägt das Normenkontrollgericht vorliegend Rechnung, indem es nach einer Rechtsverletzung fragt, die unmittelbar durch den angegriffenen Bebauungsplan entsteht, und deren Vorliegen im Hinblick auf das Erfordernis eines luftverkehrsrechtlichen Verfahrens verneint.
Es handelt sich entgegen den Ausführungen in der Beschwerde vorliegend auch nicht um einen der Fälle, in denen ein Bebauungsplan im Wege der Normenkontrolle angegriffen werden kann, obwohl noch weitere Rechtsakte nachfolgen, da diese als vom Normgeber geplante Folgemaßnahmen gleichsam mit angelegt waren. Damit werden Konstellationen erfasst, in denen der Bebauungsplan einen Konflikt aufgeworfen, aber nicht ausreichend bewältigt hat, und deshalb absehbar ist, dass im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erlass des Bebauungsplans weitere Maßnahmen zur Konfliktlösung ergriffen werden (vgl. hierzu BVerwG, insbesondere den Beschluss vom 14. Februar 1991 - BVerwG 4 NB 25.89 - NVwZ 1991, 980, aus dem die Beschwerde eingehend zitiert und der das Interesse eines emittierenden Betriebes, vor einschränkenden betrieblichen Anforderungen zu Gunsten der geplanten heranrückenden Wohnbebauung verschont zu bleiben betrifft; vgl. ferner Beschluss vom 9. Juli 1992 - BVerwG 4 NB 39.91 - NVwZ 1993, 470: Gewerbebetrieb, der seinen Lagevorteil durch straßenverkehrsbehördliche Beschränkungen seines Liefer- und Kundenverkehrs als Folge der Festsetzung einer Fußgängerzone gefährdet sieht; Beschluss vom 13. Dezember 1996 - BVerwG 4 NB 26.96 - NVwZ 1997, 682: Abwehr einer Befreiung für den Bau einer neuen Werkszufahrt, deren Erteilung durch die Änderung der Festsetzungen eines Bebauungsplans ermöglicht wird). Dies ist bei der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung gerade nicht der Fall. Denn bei dieser ist, wie das Normenkontrollgericht zutreffend hervorhebt, die Frage der Belastung durch Fluglärm nicht im Bebauungsplan sondern im luftverkehrsrechtlichen Verfahren zu prüfen und zu entscheiden. Die luftverkehrsrechtliche Entscheidung stellt sich nicht als fortgeführte Bewältigung der Lärmproblematik dar, die im Bebauungsplan noch nicht vollständig oder in allen Einzelheiten zu lösen war. Vielmehr handelt die Luftverkehrsbehörde insoweit in eigener vorrangiger und nicht lediglich abgeleiteter Verantwortung. Im Hinblick auf die Regelung in § 38 BauGB ist sie an den Bebauungsplan nicht in der Weise gebunden, wie dies für die Baugenehmigungsbehörde gilt. Die Luftfahrtbehörde trifft die aus ihrer Sicht erforderlichen Festlegungen; dies gilt gegebenenfalls - wie auch vorliegend geschehen - auch für Hochbauten auf dem Flugplatzgelände (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 249.89 - NVwZ-RR 1991, 118 unter 14.1 ). Im Übrigen hat sich die Rechtsprechung bereits mit dem Verhältnis eines Baugenehmigungsverfahrens für Hochbauten auf einem Flughafengelände zum luftverkehrsrechtlichen Verfahren näher auseinander gesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2001 - BVerwG 9 A 3.01 - BVerwGE 115, 158 - Tegel). Auch das Normenkontrollgericht setzt sich hiermit eingehend auseinander. Auf diese Besonderheiten geht die Beschwerde, die sich auf die Auslegung von § 47 Abs. 2 VwGO konzentriert, jedoch nicht näher ein, so dass es keiner weiteren Ausführungen hierzu bedarf.
2. Ebenso wenig bedarf die weitere von der Beschwerde aufgeworfene Frage grundsätzlicher Klärung, ob die Antragsbefugnis für einen Normenkontrollantrag gegen eine gemeindliche Flugplatzplanung jedenfalls dann gegeben sein kann, wenn der Bebauungsplan und das zu seiner Aufstellung führende Verfahren den Anschein vermitteln, damit habe auch und gerade die Fluglärmproblematik bewältigt werden sollen. Denn das Normenkontrollgericht hat den Bebauungsplan nicht in der Weise ausgelegt, dass der Bebauungsplan den genannten Anschein vermitteln würde. Es hat weder Tatsachen festgestellt, die einen derartigen Anschein begründen könnten, noch ist es bei seiner vorrangig ihm obliegenden rechtlichen Würdigung des normativen Inhalts des - einen Teil des nicht revisiblen Rechts darstellenden - Bebauungsplans zu einem derartigen Auslegungsergebnis gelangt. Eine derartige Auslegung ergibt sich vorliegend auch keineswegs von selbst. Denn eine Bebauungsplanung kann sich etwa als im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB nicht erforderlich erweisen, wenn ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen erscheint. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn für die Verwirklichung der Festsetzungen eines Bebauungsplans weitere behördliche Entscheidungen erforderlich sind, mit denen von vornherein nicht zu rechnen ist. Auch andere Erwägungen mögen die Behörde, die für die Genehmigung des Bebauungsplans zuständig ist, veranlassen, zu Recht oder zu Unrecht (auch das Normenkontrollgericht lässt dies offen, vgl. Urteilsabdruck S. 16) Untersuchungen und Abstimmungen mit Fachbehörden zu fordern, die die den Plan aufstellende Gemeinde nicht für erforderlich gehalten hat, die sie aber durchführt, um die Genehmigung des Bebauungsplans zu erreichen (vgl. hierzu die Schilderung des Verfahrensablaufs Urteilsabdruck S. 5 - 7). Daraus folgt indes nicht, dass der Bebauungsplan dadurch auch einen weitergehenden Inhalt erhält, der die Annahme einer Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs. 2 VwGO rechtfertigt. Vorliegend legt das Normenkontrollgericht demgegenüber unter Hinweis auf mehrere Entscheidungen der für das Luftverkehrsrecht zuständigen Senate des Bundesverwaltungsgerichts eingehend dar (Urteilsabdruck S. 13 - 16), dass über die Frage der Belastung durch den Fluglärm im Rahmen der Genehmigungen der Luftverkehrsbehörde, die dabei eine planerische Ermessensentscheidung trifft, zu befinden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.