Beschluss vom 01.03.2007 -
BVerwG 1 B 200.06ECLI:DE:BVerwG:2007:010307B1B200.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.03.2007 - 1 B 200.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:010307B1B200.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 200.06

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 08.08.2006 - AZ: OVG 16 A 4877/05.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. März 2007
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Richter
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. August 2006 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in einer den Erfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dar.

2 Die Beschwerde macht geltend, der Rechtssache komme „grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu“. Grundsätzliche Bedeutung habe eine Rechtssache u.a. dann, wenn die in der Revisions-/Berufungsentscheidung „zu erwartende Klärung von Tatsachenfragen“ verallgemeinerungsfähige Auswirkungen entfalte. Es stelle sich die grundsätzliche Rechtsfrage,
„ob in Widerrufsfällen in Bezug auf den Irak die drei Tatbestandsmerkmale des grundlegenden Charakters, der Wiederherstellung des Schutzes und der Stabilität und Dauerhaftigkeit der Veränderung nach Art. 1 C Nr. 5 I. (gemeint: Satz 1) GFK erfüllt sein müssen, bevor ein Widerruf rechtmäßig ergehen kann“ (Beschwerdebegründung S. 5).

3 Der angefochtene Widerrufsbescheid sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtswidrig, da die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht vorlägen. Das Berufungsgericht berücksichtige nicht, dass diese Vorschrift entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter Beachtung der Kriterien des Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK auszulegen sei. Gehe man hiervon aus, so lägen die Voraussetzungen für einen Widerruf des Flüchtlingsstatus des Klägers angesichts der derzeitigen Situation im Irak nicht vor.

4 Die Beschwerde ist bereits im rechtlichen Ansatz verfehlt, da § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG, der - anders als § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO - im Falle verallgemeinerungsfähiger Auswirkungen auch die Klärung von Tatsachenfragen einschließt (vgl. Urteil vom 31. Juli 1984 - BVerwG 9 C 46.84 - BVerwGE 70, 24 zu der Vorgängerregelung des § 32 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG a.F.), allein die Zulassung der Berufung und nicht diejenige der Revision regelt.

5 Auch wenn man annähme, dass die Beschwerde die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erstrebt, kann ihr dies nicht zum Erfolg verhelfen. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt nach dieser Vorschrift voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen wird. Eine solche lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Die aufgeworfene Frage betrifft in erster Linie die tatsächliche Situation im Irak. Die Beschwerde greift in der Art einer Berufungsbegründung die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts an. Damit kann sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht erreichen. Soweit sie - neben Tatsachenfragen - überhaupt Rechtsfragen anspricht, macht sie nicht ersichtlich, inwiefern diese der rechtsgrundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfen. Indem die Beschwerde dem Berufungsgericht vorhält, § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sei entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter Beachtung der Kriterien des Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK auszulegen (Beschwerdebegründung S. 3), macht sie geltend, das Berufungsgericht habe diese höchstrichterliche Rechtsprechung nicht beachtet. Tatsächlich hat sich das Bundesverwaltungsgericht in jüngster Zeit ausführlich zur Auslegung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG und zum Erfordernis der Berücksichtigung des Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK geäußert (Urteile vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276; vgl. auch Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - NVwZ 2006, 1420). Die Beschwerde zeigt keine rechtliche Problematik auf, die einer erneuten oder weitergehenden Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Soweit sie die Auffassung vertritt, für die Beendigung des Flüchtlingsstatus müssten nach Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK „die drei Tatbestandsmerkmale des grundlegenden Charakters, der Wiederherstellung des Schutzes und der Stabilität und Dauerhaftigkeit der Veränderung erfüllt“ sein (Beschwerdebegründung S. 3), setzt sie sich nicht - wie erforderlich - mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auseinander (vgl. Urteil vom 1. November 2005 a.a.O., BVerwGE 124, 276 <281 ff.>). Entsprechendes gilt, soweit die Beschwerde auf die UNHCR-Richtlinie zum internationalen Schutz verweist (vgl. dazu BVerwGE 124, 276 <284>).

6 Die Darlegung der Beschwerde, das Berufungsgericht habe § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgelegt, kann schließlich die Zulassung der Revision auch dann nicht rechtfertigen, wenn man sie als Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) versteht. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, seine Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Es fehlt bereits an der erforderlichen genauen Bezeichnung einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der das Berufungsurteil abweichen soll. Darüber hinaus ist eine rechtssatzmäßige Abweichung nicht gegeben. Es trifft namentlich nicht zu, dass das Berufungsgericht bei der Auslegung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK nicht berücksichtigt haben soll. Vielmehr ist das Berufungsgericht auf diese Bestimmung im Einzelnen eingegangen und hat insoweit das erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. November 2005 ausdrücklich berücksichtigt (UA S. 5).

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.