Beschluss vom 01.02.2007 -
BVerwG 4 B 1.07ECLI:DE:BVerwG:2007:010207B4B1.07.0

Beschluss

BVerwG 4 B 1.07

  • Sächsisches OVG - 26.09.2006 - AZ: OVG 1 B 951/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Februar 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. September 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 335 678,64 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Die auf die Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

2 1.1 Die Klägerin möchte in einem Revisionsverfahren rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,
ob im Rahmen der Erstattungspflicht des § 48 Abs. 3 VwVfG zivilrechtliche Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Verkäufer eines Grundstücks im Rahmen des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB berücksichtigungsfähig sind.

3 Diese Frage bedarf, soweit sie sich in einem Revisionsverfahren in rechtsgrundsätzlicher Weise stellen würde, nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 VwVfG hat die Behörde, wenn ein nicht unter Absatz 2 fallender rechtswidriger Verwaltungsakt zurückgenommen wird, dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Dass es der Schutzwürdigkeit des Vertrauens eines Grundstückserwerbers auf den Bestand eines Bauvorbescheids und einer Baugenehmigung entgegenstehen kann, wenn er nicht selbst Adressat der Bescheide war, sondern - wie hier - das Baurecht und die gesamte Genehmigungsplanung einschließlich der Baugenehmigung mit dem Grundstück erworben hat (vgl. § 1 des notariellen Kaufvertrages vom 16. Dezember 1993), und er, nachdem sich herausgestellt hat, dass das Grundstück nicht - wie im Kaufvertrag vertraglich vorausgesetzt - bebaubar ist, einen ihm zustehenden Anspruch auf Wandlung des Kaufvertrages nicht rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung geltend macht, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre, liegt auf der Hand. Der Anspruch auf Ausgleich des Vermögensnachteils nach § 48 Abs. 3 VwVfG ist zwar nicht subsidiär gegenüber zivilrechtlichen Gewährleistungsansprüchen; das schließt jedoch nicht aus, im Rahmen der im jeweiligen Einzelfall festzustellenden Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf den Bestand einer Baugenehmigung eine wegen fehlender Bebaubarkeit des Grundstücks mögliche, aber nicht rechtzeitig geltend gemachte Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrags als anspruchsausschließendes Mitverschulden zu werten. Es entbehrt auch nicht eines rechtfertigenden Grundes, den Erwerber eines Grundstücks, der das Baurecht nicht selbst beantragt hat, sondern vom Verkäufer erwerben wollte, nach Rücknahme der Baugenehmigung auf einen bestehenden Wandlungsanspruch gegen den Verkäufer zu verweisen. Erhält der Erwerber gegen Rückgabe des Grundstücks den gezahlten Kaufpreis zurück, verbleibt ihm insoweit kein Vermögensnachteil. Dem Grundstücksveräußerer entgeht der Verkaufsgewinn; dieser wird gemäß § 48 Abs. 3 VwVfG jedoch nicht ersetzt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, § 48 Rn. 143; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 48 Rn. 194, § 49 Rn. 131).

4 Ob die nicht rechtzeitige Geltendmachung eines ursprünglich bestehenden Wandlungsanspruches vorwerfbar ist und damit die Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf den Bestand einer Baugenehmigung entfallen lässt, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab und entzieht sich damit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung.

5 1.2 Die Frage,
ob im Rahmen des § 254 BGB eine Verpflichtung des gemäß § 48 Abs. 3 VwVfG Erstattungsberechtigten besteht, bereits vor dem Feststehen eines Vermögensnachteils zivilrechtliche Regressansprüche einzuklagen,
ist, soweit sie sich in dem Revisionsverfahren stellen würde, einer rechtsgrundsätzlichen Klärung ebenfalls nicht zugänglich. Das Oberverwaltungsgericht hat der Klägerin erst ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Aufhebungsbescheides entgegengehalten, dass sie die Wandlung des Kaufvertrages hätte verlangen können (vgl. UA S. 28). Ob es dem Erwerber eines Grundstücks zuzumuten ist, die Wandlung des Grundstückskaufvertrages zu verlangen, bevor die Rücknahme einer für das Grundstück erteilten Baugenehmigung unanfechtbar oder jedenfalls vollziehbar geworden ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Von Bedeutung ist u.a., ob ein Rechtsmittel gegen die Rücknahme der Baugenehmigung Aussicht auf Erfolg hätte und wann die Wandlungsansprüche verjähren.

6 2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

7 2.1 Die Klägerin meint, das Oberverwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) und seine Hinweispflicht (§ 104 Abs. 1 VwGO) verletzt. Es sei, ohne den Sachverhalt weiter aufzuklären oder ihr einen Hinweis zu geben, davon ausgegangen, dass sie im Fall rechtzeitiger Geltendmachung des Wandlungsanspruchs von der Gaydoul Verwaltungs GmbH die Erstattung des Kaufpreises hätte erlangen können. In der mündlichen Verhandlung habe sie jedoch vorgetragen, dass die Firma Gaydoul Verwaltungs GmbH 1997 bereits vermögenslos gewesen sei; zum Beleg hierfür habe sie eine Wirtschaftsauskunft vom 23. Februar 1996 und eine Kurzfassung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1998 vorgelegt. Dass das Oberverwaltungsgericht hierauf nicht ausdrücklich eingegangen ist, lässt nicht den Schluss zu, dass es den Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Denn aus den vorgelegten Unterlagen ergab sich nicht, dass die Gaydoul Verwaltungs GmbH dann, wenn die Klägerin ihren Wandlungsanspruch rechtzeitig, also bis zum 14. April 1995, geltend gemacht und vor dem Oberlandesgericht spätestens Anfang 1997 ein obsiegendes Urteil erstritten hätte, nicht zahlungsfähig gewesen wäre. Die Wirtschaftsauskunft vom 23. Februar 1996, die einen Kreditrahmen von 10 000 DM empfahl, enthielt den ausdrücklichen Hinweis, dass ein Einblick in die finanziellen Verhältnisse nicht möglich sei und die allgemeine Gesamtsituation als befriedigend bezeichnet werden könne. Auch der im Jahresabschluss zum 31. Dezember 1998 für das Vorjahr ausgewiesene Fehlbetrag musste - wie der erläuternde Hinweis in der Bilanz auf steuerliche Sonderabschreibungen im Rahmen einer Unternehmensbeteiligung belegt - nicht auf eine Überschuldung hindeuten. Vor diesem Hintergrund hatte das Oberverwaltungsgericht ohne entsprechende Beweisanträge der Klägerin keinen Anlass, die Zahlungsfähigkeit der Gaydoul Verwaltungs GmbH von Amts wegen weiter aufzuklären. Den beschränkten Aussagegehalt der vorgelegten Unterlagen konnte die Klägerin auch ohne einen richterlichen Hinweis erkennen. Dass das Haftungskapital des Gesellschafters lediglich 51 000 € beträgt, lässt Rückschlüsse auf die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft nicht zu.

8 2.2 Soweit die Beschwerde geltend macht, die nicht rechtzeitige Geltendmachung des Wandlungsanspruchs habe bei unterstellter Anwendbarkeit des § 254 Abs. 1 BGB nur zu einer Schadensteilung, nicht aber zu einer Reduzierung des Anspruchs auf Null führen können, macht sie keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, sondern einen Fehler geltend, der die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung betrifft und infolgedessen nur unter den - hier nicht dargelegten - Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO zur Zulassung der Revision führen kann (vgl. Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266).

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.