Beschluss vom 05.06.2018 -
BVerwG 4 BN 40.17ECLI:DE:BVerwG:2018:050618B4BN40.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.06.2018 - 4 BN 40.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:050618B4BN40.17.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 40.17

  • VGH Mannheim - 04.07.2017 - AZ: VGH 3 S 1827/15

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Juni 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Prof. Dr. Külpmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

3 a) Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig wirft die Beschwerde (sinngemäß) die Frage auf,
ob die planende Gemeinde im Rahmen der Sammlung des Abwägungsmaterials verpflichtet ist, bei Differenzen zwischen Katastererhebungen und Angaben betroffener Grundstückseigentümer eine Erhebung vor Ort durchzuführen, um den tatsächlichen Baubestand hinsichtlich des Maßes der baulichen Ausnutzung festzustellen, wenn im Bebauungsplan auch das Maß der baulichen Nutzung im Verhältnis zum Bestand festgesetzt werden soll.

4 Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie sich rechtsgrundsätzlicher Klärung entzieht.

5 Gemäß § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten. Zu ermitteln sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats (grundlegend BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 - 4 C 105.66 - BVerwGE 34, 301 <309>) alle Belange, die nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen. Welche Belange dies sind, beurteilt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls.

6 Der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 14) hat festgestellt, dass die Antragsteller im Rahmen der dritten Auslegung des Bebauungsplan-Entwurfs die überbaute Grundfläche ihres Grundstücks mit 221 m2 beziffert hätten, ohne diesbezüglich Pläne oder sonstige Nachweise vorzulegen, und um eine Erhöhung der bebaubaren Fläche auf 230 m2 gebeten hätten. Berechnungen zur überbauten Grundfläche hätten die Antragsteller erstmals nach Satzungsbeschluss vorgelegt. In Würdigung dieser Umstände hat es der Verwaltungsgerichtshof als abwägungsfehlerfrei angesehen, dass sich die Antragsgegnerin auf die Angaben im Liegenschaftskataster gestützt habe; auch angesichts der Darstellung des Wohngebäudes der Antragsteller im Orthofoto im Vergleich mit dessen Darstellung in der Planzeichnung habe sich der Antragsgegnerin die Ermittlung der überbauten Grundfläche "vor Ort" nicht aufdrängen müssen. Diese auf den konkreten Einzelfall bezogene Würdigung ist einer verallgemeinerungsfähigen, rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Der von der Beschwerde in diesem Zusammenhang behauptete allgemeine Erfahrungssatz, dass der tatsächliche Baubestand nicht in der Regel, aber doch in erheblichem Umfang vom genehmigtem bzw. katastermäßig erfassten Baubestand abweiche, verleiht der Rechtssache als Tatsachenbehauptung nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, von der die Beschwerde ausgeht.

7 b) Auch die Frage,
ob die Rüge eines Fehlers im Abwägungsvorgang (nach § 215 BauGB) neben der Darstellung dieses Fehlers auf dem eigenen Grundstück der Antragsteller auch die Darstellung entsprechender Fehler auf fremden Grundstücken erfordert, um der Anstoßfunktion gegenüber der planenden Gemeinde zu entsprechen,
führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen.

8 Der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 27) hat einen Fehler im Abwägungsvorgang darin gesehen, dass die Antragsgegnerin entgegen ihrer eigentlichen Zielsetzung, mit dem Bebauungsplan eine moderate Nachverdichtung zu ermöglichen, Festsetzungen getroffen habe, die dieser Planungsabsicht zuwider liefen, wie sich exemplarisch an verschiedenen Grundstücken im Plangebiet zeigen lasse. Dieser Fehler im Abwägungsvorgang erweise sich jedoch im Ergebnis als unbeachtlich, weil er nicht innerhalb der Frist des § 215 Abs. 1 BauGB gerügt worden sei. Der ausschließlich auf das eigene Grundstück bezogene Einwand der Antragsteller werde diesen Anforderungen nicht gerecht. In diesem Schreiben heiße es zwar sinngemäß, die vom Bebauungsplan anvisierte Ermöglichung einer moderaten Nachverdichtung werde verfehlt. Begründet werde dies jedoch ausschließlich damit, dass die Antragsgegnerin bei der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials nicht die tatsächlich überbaute Grundfläche auf dem Grundstück der Antragsteller zugrunde gelegt habe, so dass - bezogen auf dieses Grundstück - von einer Reduzierung der baulichen Ausnutzbarkeit auszugehen sei. Diese Rüge habe der Antragsgegnerin keinen Anlass geben müssen, ihre Planung im Hinblick auf das Ziel einer moderaten Nachverdichtung einer generellen Überprüfung zu unterziehen.

9 Die Beschwerde rügt, der Verwaltungsgerichtshof verkenne, dass die Antragsteller keine pauschale Rüge erhoben hätten, sondern beachtliche Mängel innerhalb der Jahresfrist dezidiert und unter Beifügung von konkreten Plänen bezogen auf ihr eigenes Grundstück vorgebracht hätten. Die Beschwerde geht jedoch daran vorbei, dass der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich des Grundstücks der Antragsteller nicht von einem Abwägungsmangel ausgegangen ist. Die Beschwerde stützt ihre Grundsatzfrage mithin auf eine Prämisse, von der in einem Revisionsverfahren nicht auszugehen wäre. Dass die Antragsteller mit der Geltendmachung eines nicht vorliegenden Fehlers der Rügeobliegenheit des § 215 Abs. 1 BauGB nicht genügen, bedarf nicht der rechtsgrundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren.

10 2. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht dargetan.

11 Die Beschwerde macht geltend, die Rüge eines vorgerichtlichen Bevollmächtigten sei durch Bezugnahme im Antragsschriftsatz zum Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Hierauf sei das Normenkontrollgericht unter Verletzung des Anspruchs der Antragsteller auf rechtliches Gehör nicht eingegangen.

12 Richtig ist, dass ein von den Antragstellern bevollmächtigter Architekt gegenüber dem Stadtplanungsamt der Antragsgegnerin mit der Bitte um Überprüfung und Änderung des Bebauungsplan-Entwurfs vorgetragen hat, dass bei den geplanten Festsetzungen für die maximale First- und Wandhöhe ein zweigeschossiger Baukörper wegen der Topographie des Grundstücks nicht realisiert werden könne. Richtig ist ferner, dass die Antragsteller im Normenkontrollverfahren im Antragsbegründungsschriftsatz vom 29. März 2016, S. 11, darauf hingewiesen haben, dass ihr Vertreter im Aufstellungsverfahren die Festsetzung der Wand- und Gebäudehöhe ebenfalls gerügt habe, "allerdings mit anderer Begründung und mit anderer Zielrichtung". Im Hinblick darauf, dass sich die Festsetzung der Gebäudehöhe und der Wandhöhe - so der Vortrag im Antragsschriftsatz weiter - bereits wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz als unwirksam erweise, sei hierauf "nicht weiter einzugehen". Angesichts dieser klaren Positionierung hatte auch der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung, sich hiermit auseinanderzusetzen. Der behauptete Verstoß gegen das rechtliche Gehör liegt deshalb nicht vor.

13 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.