Urteil vom 18.07.2013 -
BVerwG 2 WD 3.12ECLI:DE:BVerwG:2013:180713U2WD3.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 18.07.2013 - 2 WD 3.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:180713U2WD3.12.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 3.12

  • Truppendienstgericht Nord 6. Kammer - 08.11.2011 - AZ: TDG N 6 VL 10/08

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 18. Juli 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtlicher Richter Oberstabsarzt Busch und
ehrenamtlicher Richter Oberstabsfeldwebel Busch,
Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des früheren Soldaten gegen das Urteil der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 8. November 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Der frühere Soldat trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe

I

1 1. Der im März 1958 geborene frühere Soldat erlernte den Beruf des Facharbeiters für Holztechnik und schloss parallel dazu die 10. Klasse der allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule ab. Im Mai 1976 trat er in den Dienst der Nationalen Volksarmee ein. Zuletzt wurde er dort als Kompaniefeldwebel im Dienstgrad eines Stabsfeldwebels verwendet. Nach der Wiedervereinigung verblieb der frühere Soldat im vorläufigen Dienstgrad eines Oberfeldwebels im Dienst der Bundeswehr. Im März 1991 wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit und im Februar 1993 in das eines Berufssoldaten berufen. Er wurde zuletzt am 1. Juni 2007 zum Stabsfeldwebel befördert. Mit Ablauf des 31. März 2011 schied er planmäßig aus dem Dienst aus.

2 Nach der Vorlaufausbildung für Unteroffiziere mit Kompaniefeldwebel-Aufgaben der NVA an der Heeresfliegerwaffenschule im September 1990 wurde der frühere Soldat am Standort ... - nach einer Verwendung von Oktober 1991 bis Februar 1992 als Panzerjägerfeldwebel bei der Panzerjägerkompanie ... - beim Stab/Stabskompanie Heimatschutzbrigade ..., der späteren Panzergrenadierbrigade ..., als Versorgungsfeldwebel eingesetzt. Ab November 2001 wurde er als Truppenversorgungsbearbeiter zum ... versetzt, ab Januar 2007 in derselben Funktion zum Stab des ....

3 2. Der frühere Soldat wurde mehrfach planmäßig beurteilt. In der letzten Beurteilung vom 24. Januar 2005 wurden seine Leistungen (im Dienstgrad Hauptfeldwebel) bei Höchstnote „7“ siebenmal mit „7“ und neunmal mit „6“ bewertet, woraus ein Durchschnittswert von „6,437“ folgt. Erläuternd heißt es, der frühere Soldat sei eine besonders positive Führungspersönlichkeit, die die an sie gestellten Anforderungen mit beispielgebendem Engagement erfülle. Er zeichne sich durch Ideenreichtum, soziale und fachliche Kompetenz und eine tadellose Berufsauffassung aus. Besonders überzeugend seien sein Leistungswille und seine Leistungsbereitschaft. Der Umgang mit Soldaten sei herzlich und geprägt von menschlicher Wärme, Kameradschaft und Führungskompetenz. Unterstellte Soldaten und zivile Mitarbeiter führe er mit ausgesprochener Souveränität. Er wahre die notwendige Distanz zu seinen Untergebenen, aber auch die nötige Nähe, um vertrauensvoll führen zu können. Im Unteroffizierskorps sei er nicht nur beliebt, sondern derjenige, der die Dienststelle im Sinne des Gemeinschaftskorps vorantreibe; allein Einsatzerfahrung fehle ihm noch. Der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte stimmte dem zu. Der frühere Soldat sei eine besonders fähige und leistungsstarke Führungspersönlichkeit mit hoher geistiger Beweglichkeit und fachlicher Kompetenz, die herausragende Arbeitsergebnisse erziele. Er gehöre in seinem Zuständigkeitsbereich zur Spitzengruppe der Unteroffiziere.

4 In der Sonderbeurteilung vom 14. Dezember 2006 wurden die Leistungen des früheren Soldaten bei Höchstnote „7“ zehnmal mit „7“ und sechsmal mit „6“ bewertet, woraus ein Durchschnittswert von „6,625“ folgt. Erläuternd heißt es, der frühere Soldat habe einen ausgesprochen feinen Charakter und einen trockenen Humor. Er sei grundanständig, ehrlich und übernehme für sein Handeln die Verantwortung. Als Portepeeunteroffizier sei er über die Kommandogrenzen hinaus anerkannt, uneigennützig und hilfsbereit. Er bringe sich harmonisch in die soldatische Gemeinschaft ein. Als Vorgesetzter führe er vertrauensvoll. Gerade für die jüngeren Kameraden sei er ein Vorbild. Die Förderung zum Stabsfeldwebel werde mit besonderem Nachdruck befürwortet. Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte der Beurteilung zu. Der frühere Soldat gehöre zur Spitzengruppe der Portepeeunteroffiziere im Kommando.

5 Der in der Hauptverhandlung vor der Truppendienstkammer als (früherer) nächster Disziplinarvorgesetzter vernommene Hauptmann F. hatte dort ausgesagt, der frühere Soldat sei ein Kompaniefeldwebel wie man ihn sich nur wünschen könne. In Noten hätte er ihm eine „7,7“ bis „8,2“ erteilt. Auf die Förderung zum Oberstabsfeldwebel habe der frühere Soldat verzichtet, weil er im Hinblick auf seine seinerzeit pflegebedürftige - im März 2009 verstorbene - Mutter nicht habe versetzt werden wollen. Als Führer und Erzieher habe er sich gradlinig verhalten. Der frühere Soldat sei ein emotionaler Mensch. Er - der frühere Soldat - habe ihm anvertraut, homosexuell zu sein. Von dem disziplinarisch bedeutsamen Vorfall hätten die Mat-Gruppe, der G1, der Rechtsberater und er Kenntnis gehabt; die Mannschaften hätten nichts weiter mitbekommen. Den Logistikbereich habe der frühere Soldat nach dem Vorfall nicht mehr betreten dürfen. In seinen Leistungen sei er auch nach dem Vorfall gleich herausragend geblieben. In der Berufungshauptverhandlung hat der Zeuge F. ebenfalls ausgesagt, er habe den früheren Soldaten als hoch qualifizierten Soldaten in Erinnerung, der hervorragende Arbeit geleistet und sich im höchsten Beurteilungssegment bewegt habe. Er würde ihn auf der Grundlage seines letzten Kenntnisstandes weiterhin mit der Note „7,7“ bis „8,2“ beurteilen, wobei ausschlaggebend dafür auch die hervorragenden Ergebnisse einer Überprüfung nach § 78 BHO seien. Eine Überprüfung, die keine Beanstandungen ergebe, sei sehr außergewöhnlich.

6 Oberstabsfeldwebel M. als langjährige Vertrauensperson der Unteroffiziere hat in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, er kenne den früheren Soldaten seit 1991 und habe ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihm. Der frühere Soldat sei für bis zu 15 Soldaten zuständig gewesen. Sein Ruf im Unteroffizierkorps sei sehr gut gewesen; auf sexuelle Übergriffe durch den früheren Soldaten sei er in seiner Funktion als Vertrauensperson zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden; auf Gerüchte gebe er nichts.

7 Oberleutnant R., der den früheren Soldaten seit 2002 kennt, hat diesen in der Berufungshauptverhandlung als integren Soldaten beschrieben, der erfahren und durch die Ergebnisse der Prüfung nach § 78 BHO besonders positiv aufgefallen sei.

8 3. Der Auszug aus dem Zentralregister vom 27. Mai 2013 weist als Eintrag das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts ... vom 23. September 2010 aus, mit dem der frühere Soldat wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 63 € und einem Monat Fahrverbot verurteilt worden ist. Der aktuelle Auszug aus dem Disziplinarbuch weist auf die in den Jahren 1992, 1999, 2003 und 2005 wegen vorbildlicher Pflichterfüllung erteilten förmlichen Anerkennungen hin. Im September 2005 hat der frühere Soldat eine Leistungsprämie in Höhe von 1 000 € erhalten.

9 4. Der frühere Soldat ist berechtigt, das Tätigkeitsabzeichen Versorgungsdienste Stufe I und Versorgungspersonal Stufe III (Gold) und die Ehrenmedaille der Bundeswehr und das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Silber zu tragen.

10 5. Der kinderlose frühere Soldat ist ledig, lebt jedoch seit 2006 in einer festen Beziehung. Er erhält Versorgungsbezüge in Höhe von 1 982,37 € brutto und 1 775,51 € netto. Von einem dem früheren Soldaten zustehenden einmaligen Ausgleichsbetrag in Höhe von 8 315 € wurden ihm 3 500 € ausgezahlt. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind geordnet. Die finanziellen Belastungen belaufen sich monatlich - einschließlich einer Rücklage von 200 € - auf etwa 1 200 €. Der frühere Soldat ist an einer Burkitt-Leukämie erkrankt und bedarf nach einer Chemotherapie noch ärztlicher Kontrolle.

II

11 1. Nach Anhörung ist gegen den früheren Soldaten mit am 5. März 2008 ausgehändigter Verfügung des Kommandeurs ... vom 29. Februar 2008 das Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Die Vertrauensperson ist angehört worden. Nach seiner abschließenden Anhörung hat ihm die Wehrdisziplinaranwaltschaft mit Anschuldigungsschrift vom 10. Juli 2008 folgenden Sachverhalt als schuldhafte Verletzung seiner Pflichten zur Last gelegt:
„1. Am 22.11.2007 zwischen 20.00 Uhr und 21.15 Uhr, bei einer Feier der Materialgruppe des Stabsquartiers ... im Gebäude 85 in der ... in ..., griff der Soldat dem damaligen Hauptgefreiten H. viermal ans Gesäß, obwohl dieser das nicht wollte. Später an demselben Abend küsste er den Zeugen H. gegen dessen Willen auf die Wange. Der Soldat wusste, oder hätte wissen müssen und können, dass der Zeuge H. dieses jeweils nicht wollte.
2. Bei einer Feier der Materialgruppe des Stabsquartiers ... im Gebäude 85 in der ... in ..., zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen August und November 2007, sagte der Soldat zu dem damaligen Obergefreiten S.: ‚Warum bist du so kalt zu mir?’ und fragte ihn, ob er nicht merken würde, wie der Soldat zu ihm stehe. Außerdem sagte er an diesem Abend, zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten, mehrere Male zum Zeugen S.: ‚Ich mag dich.’ Der Zeuge S. wollte dies alles nicht, was der Soldat wusste oder hätte wissen müssen und können.
3. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Frühjahr 2006, bei einer Feier der Materialgruppe des Stabsquartiers ... in der ... in ..., streichelte der Soldat dem damaligen Hauptgefreiten A. gegen dessen Willen über den Arm und sagte gleichzeitig zu ihm: ‚Du kannst gern nachher noch vorbeikommen.’ Beides wollte der Zeuge A. nicht, was der Soldat auch wusste oder hätte wissen können und müssen.
4. Bei der Verabschiedungsfeier des damaligen Hauptgefreiten G. in der ... in ... im März 2006, als gegen Ende der Feier das Lied ‚Amsterdam’ gespielt wurde, stellte der Soldat sich auf einen Tisch, begann dort zu tanzen und zog sich seine Feldbluse und das Unterhemd aus. Er forderte mehrere Kameraden mit niedrigerem Dienstgrad auf, mit ihm zu tanzen. Als diese das nicht taten und weggingen, stieg er vom Tisch und lief ihnen hinterher.
5. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Sommer 2003 bei einer Feier des Stabsquartiers ... vor dem Gebäude 61 in der ... in ... fasste der Soldat dem damaligen Obergefreiten S. zunächst auf den Oberschenkel und dann in den Schritt, obwohl dieser das nicht wollte, was der Soldat wusste oder hätte wissen müssen und können.“

12 2. Die 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat den früheren Soldaten mit Urteil vom 8. November 2011 in den Dienstgrad eines Hauptfeldwebels außer Dienst herabgesetzt. Sie hat alle Vorwürfe als erwiesen angesehen und festgestellt, er habe dadurch vorsätzlich gegen seine Pflicht zur Kameradschaft, die Fürsorgepflicht sowie die Pflicht zur Achtungs- und Vertrauenswahrung im dienstlichen Bereich verstoßen. Der Schwerpunkt des Dienstvergehens liege wegen der körperlichen und nicht lediglich verbalen Attacken in den unter den Anschuldigungspunkten 1 und 5 beschriebenen sexuellen Belästigungen, so dass eine Degradierung geboten sei. Auch die sehr guten dienstlichen Leistungen, die Nachbewährung, die schwere Erkrankung des Soldaten und der Umstand, dass er beim Anschuldigungspunkt 1 in eine Falle des Zeugen Hauptfeldwebel T. getappt sei, änderten daran nichts.

13 3. Gegen das ihm am 15. Dezember 2011 zugestellte Urteil hat der Soldat am Montag, dem 16. Januar 2012, unbeschränkt Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil aufzuheben und das gerichtliche Disziplinarverfahren einzustellen. Die unter den Anschuldigungspunkten 1 - 4 dargelegten Pflichtverletzungen seien nicht nachgewiesen; eine Verurteilung wegen der unter Anschuldigungspunkt 5 dargelegten und von ihm gestandenen Pflichtverletzung verbiete sich, weil sie bereits zehn Jahre zurückliege. Das Verfahren sei deshalb einzustellen.

III

14 Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung des früheren Soldaten ist zulässig, jedoch unbegründet. Zwar ist der frühere Soldat von den Anschuldigungen nach Punkt 2 und Punkt 3 frei zu stellen; die im Übrigen festgestellten Pflichtverletzungen verlangen jedoch eine Herabsetzung im Dienstgrad, sodass das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis Bestand hat.

15 Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher auf der Grundlage eines - wie vorliegend - ohne schwere Mängel durchgeführten Verfahrens im Rahmen der Anschuldigung (1.) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, (2.) sie rechtlich zu würdigen und (3.) unter Zugrundelegung der in § 38 WDO festgelegten Bemessungsfaktoren (4.) die angemessene Disziplinarmaßnahme zu verhängen. Dabei ist er an das Verschlechterungsverbot gebunden, weil lediglich der Soldat Rechtsmittel eingelegt hat (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 331 Abs. 1 StPO).

16 1. In tatsächlicher Hinsicht steht zur Überzeugung des Senats Folgendes fest:

17 a) Zum Anschuldigungspunkt 1: Der frühere Soldat hat am 22. November 2007 nach dem Genuss alkoholischer Getränke zwischen 20.00 Uhr und 21.15 Uhr bei einer Feier der Materialgruppe des ... im Gebäude 85 in der ... in ... dem damaligen Hauptgefreiten H. anlässlich eines gemeinsamen Tanzens mindestens zweimal willentlich und wissentlich ans Gesäß gefasst, obwohl dieser das nicht wollte, was der frühere Soldat auch wusste. Zuvor hatte sich der Zeuge Hauptgefreiter d.R. H. auf Initiative des Zeugen Hauptfeldwebel T. dem früheren Soldaten tanzend und in dem Bewusstsein genähert, dass der frühere Soldat dies wegen seiner homosexuellen Orientierung als erotische Zuwendung verstehen könnte. Der Zeuge Hauptfeldwebel T. hatte den früheren Soldaten zu der Feier deshalb eingeladen, weil er ihn zu einem sexuellen Übergriff provozieren lassen wollte. Der hierfür ursprünglich vom Zeugen als Objekt des Übergriffs vorgesehene Zeuge Hauptgefreiter d.R. S. hatte die Mitwirkung aber verweigert. Am selben Abend küsste der frühere Soldat anlässlich der Verabschiedung den Zeugen Hauptgefreiter d.R. H. wissentlich und willentlich auf die Wange, wobei er wusste, dass dieser auch dies nicht wollte.

18 Der frühere Soldat hat ein solches Verhalten zwar bestritten; zur Überzeugung des Gerichts steht es jedoch auf der Grundlage der Aussagen der Zeugen Hauptgefreiter d.R. H., Hauptfeldwebel d.R. O., Hauptgefreiter d.R. S., Hauptfeldwebel T. sowie der durch Verlesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführten erstinstanzlichen Aussage des Hauptgefreiten d.R. S. fest.

19 aa) Soweit es das Fassen an das Gesäß betrifft, hat der Zeuge Hauptgefreiter d.R. H. ausgesagt, der Zeuge Hauptfeldwebel T. habe ihn aufgefordert, mit dem früheren Soldaten zu tanzen, und dabei geäußert, er solle sich bei dem früheren Soldaten „doch mal ein Küsschen“ abholen. In dem Bewusstsein, dass dadurch eine erotische Situation erzeugt werden solle, habe er sich dem früheren Soldaten genähert und ihn dabei auch an den Händen angefasst. Bei dem etwa 5 - 10 Minuten andauernden Tanz habe ihn dann der frühere Soldat mindestens 2 - 3 Mal für jeweils 2 - 3 Sekunden an das Gesäß gefasst, obwohl er sich bereits nach dem ersten Anfassen weggedreht und damit Ablehnung signalisiert habe. Er habe nicht so recht gewusst, wie er mit diesem Verhalten eines Vorgesetzten habe umgehen sollen.

20 Die Aussage des Zeugen Hauptgefreiter d.R. H. war glaubhaft. Sie beschreibt das Kerngeschehen inhaltlich übereinstimmend mit der von ihm bereits vor dem Truppendienstgericht gemachten Aussage. Belastungseifer war beim Zeugen nicht erkennbar. Er hat vielmehr erklärt, es zunächst als Spaß angesehen zu haben, mit dem früheren Soldaten zu tanzen. Nach dem Eindruck des Senats von dem Zeugen besitzt dieser auch nicht die Fähigkeit, seine Schilderung ohne Rückgriff auf tatsächlich Erlebtes frei zu erfinden und an der Darstellung dann über mehrere Vernehmungen im Kern gleichbleibend zu berichten. Er gehört zudem nicht zu der Gruppe jener Soldaten, die in das gegen den früheren Soldaten gerichtete Komplott des deshalb disziplinarisch durch (in der Berufungshauptverhandlung teilweise verlesenes) Urteil des Truppendienstgerichts Nord vom 29. September 2009 gemaßregelten Zeugen Hauptfeldwebel T. involviert waren. Der Zeuge Hauptgefreiter d.R. H. war vielmehr kurzfristig vom Zeugen Hauptfeldwebel T. in dessen Plan, den früheren Soldaten in eine verfängliche und damit erpressbare Situation zu bringen, einbezogen worden, nachdem der Zeuge Hauptgefreiter d.R. S. sich geweigert hatte, einer entsprechenden Aufforderung nachzukommen. Selbst wenn der Zeuge Hauptgefreiter d.R. H. in der Zeit danach vom Zeugen Hauptfeldwebel T. beeinflusst worden sein sollte, hätte dies allenfalls darin bestanden, das Geschehen herunterzuspielen, nicht aber, es zu dramatisieren. Dem Zeugen Hauptfeldwebel T. war nämlich daran gelegen, die Auswirkungen des von ihm gegen den früheren Soldaten geschmiedeten Komplotts angesichts der sich für ihn abzeichnenden disziplinarischen Maßregelung nach Kräften zu begrenzen. In diesem Sinne hat er dann auch in der Berufungshauptverhandlung ausgesagt, ihm seien zunehmend die weitreichenden Auswirkungen seines Fehlverhaltens deutlich geworden. Dies erkläre, warum er zunächst wahrheitswidrig behauptet habe, einen Kuss des früheren Soldaten auf die Wange des Hauptgefreiten d.R. H. nicht gesehen zu haben.

21 Die Aussagen sowohl des Zeugen Hauptgefreiter d.R. S. als auch des Zeugen Hauptfeldwebel d.R. O. ließen die Aussage des Zeugen Hauptgefreiter d.R. H. nicht unglaubhaft werden, bestätigen sie vielmehr partiell. Der Zeuge Hauptgefreiter d.R. S. hat zwar erklärt, nicht gesehen zu haben, dass der frühere Soldat den Zeugen Hauptgefreiter d.R. H. am Po angefasst habe; zugleich hat er ausgeführt, jedoch gesehen zu haben, wie der frühere Soldat dem Zeugen Hauptgefreiter d.R. H. einen Klaps auf den Po oder die Seite gegeben habe, wobei er sich nicht mehr an den Anlass erinnern könne. Der Zeuge Hauptfeldwebel d.R. O. schließlich konnte sich, wenn auch nur dunkel, nach Vorhalt indes zunehmend deutlicher, daran erinnern, dass an dem besagten Abend ein Soldat namens H. vom früheren Soldaten in unangemessener Form berührt worden war. Der Hauptgefreite d.R. S. hat zudem erstinstanzlich ausgesagt, zwar nicht gesehen zu haben, dass der frühere Soldat den Zeugen Hauptgefreiter d.R. H. an das Gesäß gefasst, dieser ihm jedoch noch am selben Abend davon weinend berichtet habe.

22 bb) Soweit es den Kuss betrifft, hat der Zeuge Hauptgefreiter d.R. H. ausgesagt, nach dem „Begrabschen“ habe er den Raum zunächst verlassen und geweint. Nach etwa einer halben Stunde sei er in die Räumlichkeiten zurückgegangen, wobei der frühere Soldat ihm dann beim Gehen überraschend einen Kuss auf die linke Wange gegeben habe, der seinem Charakter nach mehr ein „Abschiedsbussi“ gewesen sei. Der Senat hält auch diese Aussage für glaubhaft.

23 Sie wird gestützt durch die Aussage des Zeugen Hauptfeldwebel T. Er hat in der Berufungshauptverhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass er angesichts der sich seinerzeit abzeichnenden disziplinarischen Verfolgung zunächst wahrheitswidrig bestritten habe, einen Kuss des früheren Soldaten auf die Wange des Zeugen Hauptgefreiter d.R. H. gesehen zu haben, um die nachteiligen Auswirkungen seines Komplotts überschaubar erscheinen zu lassen. Der Senat hat in der Berufungshauptverhandlung zudem den Eindruck gewonnen, dass die disziplinargerichtliche Maßregelung bei diesem Zeugen nachhaltige Wirkungen gezeigt hat und dieser nunmehr wahrheitsgemäß aussagt. Dessen Aussage ist zudem auch deshalb glaubhaft, weil er im Übrigen beteuert hat, nicht bestätigen zu können, dass der frühere Soldat den Zeugen Hauptgefreiter d.R. H. auch an das Gesäß gefasst habe. Hieraus wird fehlender Belastungseifer und das Bemühen deutlich, nur das auszusagen, was von der eigenen Wahrnehmung noch in Erinnerung ist.

24 Hinzu tritt, dass auch der glaubwürdige Zeuge Hauptgefreiter d.R. S. einen Kuss des früheren Soldaten auf die Wange des Hauptgefreiten d.R. H. bestätigt hat, ohne Belastungseifer erkennen zu lassen; er hat vielmehr das an sich gute Verhältnis zwischen ihm und dem früheren Soldaten betont. Den Aussagen aller drei Zeugen entspricht, dass auch der Hauptgefreite d.R. S. erstinstanzlich davon berichtet hat, an dem fraglichen Abend gesehen zu haben, wie der frühere Soldat den Hauptgefreiten d.R. H. auf die Wange geküsst habe.

25 Dass der Zeuge Hauptfeldwebel T. den früheren Soldaten zu der Feier eingeladen hatte, damit „etwas passiert“, haben er selbst und der Zeuge S. übereinstimmend und damit glaubhaft bestätigt. Beide Zeugen bestätigen auch, dass der frühere Soldat nach dem Plan des Zeugen T. aktiv zu einem Übergriff provoziert werden sollte. Vor diesem Hintergrund ist es nicht glaubhaft, dass der Zeuge T. - entgegen der Aussage des Zeugen H. - in Abrede stellt, den Zeugen H. aufgefordert zu haben, auf den früheren Soldaten in der genannten Absicht zuzugehen.

26 b) Zum Anschuldigungspunkt 2: Der frühere Soldat hat bei einer Feier der Materialgruppe des ... im Gebäude 85 in der ... in ... zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen August und November 2007 nach dem Genuss alkoholischer Getränke willentlich und wissentlich zu dem damaligen Obergefreiten S. „Warum bist du so kalt zu mir?“ gesagt und ihn gefragt, ob er nicht merken würde, wie er zu ihm stehe. Ferner sagte der frühere Soldat an diesem Abend zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten mehrere Male zum Zeugen S.: „Ich mag dich.“ Dies steht zur Überzeugung des Gerichts auf der Grundlage der in der Berufungshauptverhandlung verlesenen erstinstanzlichen Aussage des Zeugen S. fest. Aus noch darzulegenden Rechtsgründen war der frühere Soldat von diesem Anschuldigungspunkt jedoch freizustellen.

27 c) Zum Anschuldigungspunkt 3: Dem früheren Soldaten kann nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Gewissheit nachgewiesen werden, zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Frühjahr 2006 bei einer Feier der Materialgruppe des ... in der ... den damaligen Hauptgefreiten A. wissentlich und willentlich gegen dessen Willen über den Arm gestreichelt und gleichzeitig gesagt zu haben, er könne nachher noch gerne bei ihm vorbeikommen.

28 Der frühere Soldat hat ein solches Verhalten bestritten; das Gegenteil konnte ihm nicht mit der nach § 123 Satz 3, § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 261 StPO erforderlichen Gewissheit nachgewiesen werden. Nach dieser Regelung hat das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden. Die für die Überführung eines Angeschuldigten erforderliche Gewissheit erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen. Zwar ist zur Überführung des Angeschuldigten keine „mathematische Gewissheit“ erforderlich, der Beweis muss jedoch mit lückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein. Die Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruhen. Allein damit wird die Unschuldsvermutung (vgl. Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention) widerlegt (Urteil vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 - BVerwGE 117, 371 <376> = NZWehrr 2003, 214 <216>).

29 Zwar hat der Hauptgefreite d.R. A. ausweislich seiner durch Verlesung in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Aussage vor dem Truppendienstgericht das unter Anschuldigungspunkt 3 beschriebene Geschehen behauptet; er hat jedoch ebenso ausgesagt, dem Zeugen S. den Vorfall zur Kenntnis gebracht und mit ihm darüber gesprochen zu haben. Dieser habe ihm empfohlen, dem früheren Soldaten zukünftig aus dem Wege zu gehen. In der Berufungshauptverhandlung hat demgegenüber der präsente Zeuge S. auf Nachfrage des Senats nachdrücklich bestritten, dass jemals ein Soldat wegen sexueller Belästigungen des früheren Soldaten an ihn herangetreten sei, insbesondere nicht der Zeuge Hauptgefreiter d.R. A. Da sich der Senat von der Glaubwürdigkeit des Zeugen S. in der Berufungshauptverhandlung aufgrund des von ihm dort gewonnenen Eindrucks überzeugen konnte, nicht jedoch auch von der des - vom Erscheinen in der Berufungshauptverhandlung im allseitigen Einverständnis entbundenen - Zeugen Hauptgefreiter d.R. A., begründete dies vernünftige Zweifel an der Richtigkeit der von diesem Zeugen getroffenen Aussagen, sodass die nach § 261 StPO erforderliche Überzeugung vom Vorliegen des angeschuldigten Verhaltens nicht vorlag. Der frühere Soldat war daher vom Vorwurf dieser Pflichtverletzung freizustellen.

30 d) Zum Anschuldigungspunkt 4: Der frühere Soldat stand nach dem Genuss alkoholischer Getränke bei der Verabschiedungsfeier des damaligen Hauptgefreiten G. in der ...in ... im März 2006, als gegen Ende der Feier ein Schlager gespielt wurde, tanzend und mit freiem Oberkörper auf dem Tisch. Dass er darüber hinaus mehreren Kameraden hinterher gegangen war, um sie ebenfalls zum Tanzen zu bewegen, steht hingegen nicht fest.

31 Der frühere Soldat hat ein solches Verhalten zwar bestritten; zur Überzeugung des Gerichts steht es jedoch auf der Grundlage der Aussage des glaubwürdigen Zeugen Hauptgefreiter d.R. N. fest. Dieser Zeuge, der sich besonders um eine differenzierte Darstellung des seinerzeitigen Geschehens bemühte und keinen Belastungseifer erkennen ließ, konnte sich daran erinnern, den früheren Soldaten im fraglichen Zeitraum mit freiem Oberkörper etwa fünf Minuten zu einem Schlager auf dem Tisch tanzend gesehen zu haben.

32 Da dieser Zeuge sich indes nicht daran erinnern konnte, dass der frühere Soldat seinerzeit darüber hinaus anderen untergebenen Soldaten nachgegangen wäre, begründete dies auf Seiten des Senats vernünftige Zweifel. Sie mussten im Hinblick auf die bereits zu § 261 StPO dargelegten Grundsätze dazu führen, den früheren Soldaten von diesem zusätzlichen Vorwurf freizustellen.

33 e) Zum Anschuldigungspunkt 5: Der frühere Soldat fasste nach dem Genuss alkoholischer Getränke zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Sommer 2003 bei einer Feier des ... vor dem Gebäude 61 in der ... in ... dem damaligen Obergefreiten S. wissentlich und willentlich zunächst auf den Oberschenkel und dann in den Schritt, obwohl dieser das nicht wollte, was der Soldat auch wusste. Der frühere Soldat hat sich dafür in unmittelbarem Anschluss daran und am nächsten Tag beim Zeugen Obergefreiter d.R. S. entschuldigt. Dass er bei der zweiten Entschuldigung den Zeugen zugleich eingeladen hätte, ihn in seiner gleich der Kaserne gegenüberliegenden (Zweit-)Wohnung zu besuchen, war nicht feststellbar.

34 Der frühere Soldat hat gestanden, den Zeugen Obergefreiten d.R. S. in den Schritt gefasst zu haben, nachdem er diesem zuvor an dessen Oberschenkel gefasst habe. Dem Geständnis des früheren Soldaten entspricht, dass der Zeuge Obergefreiter d.R. S. diesen Sachverhalt in der Berufungshauptverhandlung ausdrücklich bestätigt hat.

35 Soweit der Zeuge Obergefreiter d.R. S. darüber hinaus behauptet hat, der frühere Soldat habe sich bei ihm zwar am Tag nach dem Übergriff entschuldigt, damit jedoch zugleich die Einladung zu einem Besuch in seiner der Kaserne gegenüberliegenden Zweitwohnung verbunden, legt der Senat diesen Umstand seiner Entscheidung nicht zugrunde. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein solches Verhalten nicht ohnehin eine selbstständige Pflichtverletzung begründet hätte, die hätte angeschuldigt werden müssen, um zu Lasten des früheren Soldaten disziplinarrechtlich gewürdigt werden zu können (Urteil vom 27. Juni 2013 - BVerwG 2 WD 5.12 -); dieser Umstand steht jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest.

36 Der Zeuge Obergefreiter d.R. S. hat insoweit ausgesagt, er sei mit dem früheren Soldaten allein gewesen, als dieser sich am Tag nach dem sexuellen Übergriff bei ihm entschuldigt habe; der frühere Soldat sei zu ihm zu diesem Zweck herüber in sein, des Zeugen, Büro gekommen. Dabei erinnerte sich der Zeuge erst auf Vorhalt früherer Aussagen daran, dass der frühere Soldat sich bereits am Abend des Vorfalls bei ihm entschuldigt hatte. Nicht vereinbar mit den Angaben des Zeugen S. zu der zweiten Entschuldigung ist die Aussage des Zeugen Hauptfeldwebel F., der glaubhaft ausgesagt hat, er sei zusammen mit dem Zeugen S. zum Büro des früheren Soldaten herübergegangen, welcher sich dann auch in seiner Gegenwart entschuldigt habe. Er könne sich nicht daran erinnern, dass der frühere Soldat anlässlich dessen den Zeugen Obergefreiter d.R. S. aufgefordert habe, ihn in seiner (Zweit-)Wohnung zu besuchen. Der Zeuge Obergefreiter d.R. S. hat darüber hinaus erklärt, er könne nicht ausschließen, dass der frühere Soldat mit der Einladung vielleicht auch nur gemeint habe, er solle ihn in seinem Dienstzimmer aufsuchen. Angesichts dieser Unstimmigkeit und des Umstands, dass der Zeuge Hauptfeldwebel F. den Geschehensverlauf strukturierter darzustellen vermochte als der Zeuge Obergefreiter d.R. S., entstanden durchgreifende Zweifel des Senats. Sie veranlassten ihn, insoweit zugunsten des früheren Soldaten anzunehmen, er habe sich auch am Tag nach dem Vorfall uneingeschränkt und aufrichtig entschuldigt.

37 2. Der frühere Soldat hat durch das nachgewiesene Verhalten vorsätzlich ein Dienstvergehen nach § 23 SG begangen.

38 a) Durch das unter 1a) festgestellte Verhalten hat er gemäß § 7 Abs. 2 des Gesetzes über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten (Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz) seine dienstlichen Pflichten vorsätzlich verletzt. Zu ihnen gehört danach auch, eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz zu unterlassen (Urteil vom 23. Juni 2011 - BVerwG 2 WD 21.10 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 56 = NZWehrr 2012, 206). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der flüchtige und lediglich auf die Wange des Zeugen Hauptgefreiter d.R. H. anlässlich der Verabschiedung gesetzte Kuss nicht einen geringfügigen Eingriff darstellt, der von § 3 Abs. 4 Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz noch nicht erfasst wird (vgl. BRDrucks 329/06 S. 34 <zu Abs. 3>); jedenfalls das mehrfache und unerwünschte Anfassen an das Gesäß des Zeugen Hauptgefreiter d.R. H. stellt eine sexuell bestimmte körperliche Berührung dar, die ihn in seiner Würde verletzte.

39 Einher geht damit ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht nach § 12 Satz 2 SG, der alle Soldaten verpflichtet, die Würde, die Ehre und die Rechte von Kameraden zu achten. Mit dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung sind Übergriffe der vom früheren Soldaten getätigten Art unvereinbar (Urteil vom 26. Oktober 2005 - BVerwG 2 WD 33.04 - NZWehrr 2006, 161 <162> = juris Rn. 18), wobei rechtlich irrelevant ist, ob der Übergriff auf einen Soldaten anderen oder gleichen Geschlechts erfolgt (Urteil vom 9. Oktober 2001 - BVerwG 2 WD 10.01 - BVerwGE 115, 174 <176 f.> = Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 17 S. 39 = NZWehrr 2002, 79 <80>).

40 Daraus folgt zugleich, dass der frühere Soldat, der aufgrund seines Dienstgrades auch Vorgesetzter des Zeugen H. nach § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 der Vorgesetztenverordnung - VorgV - war, ebenso vorsätzlich gegen die Pflicht nach § 10 Abs. 3 SG verstoßen hat, für seinen Untergebenen zu sorgen.

41 Mit der Verletzung verbindet sich ferner ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Verpflichtung des früheren Soldaten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, sich innerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die seine dienstliche Stellung erforderte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (vgl. Urteil vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 29).

42 b) Mit dem unter 1b) festgestellten Verhalten hat der frühere Soldat noch keine disziplinarisch zu ahndende Verletzung soldatischer Pflichten begangen, sodass er insoweit aus Rechtsgründen freizustellen ist. Das nachdrückliche Bekunden einer über die kameradschaftliche Nähe hinausgehenden Sympathie ist zwar im soldatischen Umfeld unüblich und jedenfalls dann geeignet, disziplinarische Relevanz zu erlangen, wenn an ihm trotz klarer Zurückweisung in einer Rechte von Kameraden oder Kameradinnen (nach § 12 Satz 2 SG) beeinträchtigenden Weise festgehalten wird; diese Intensität hat die Sympathiebekundung des früheren Soldaten jedoch noch nicht aufgewiesen.

43 c) Durch das unter 1d) festgestellte Verhalten hat der frühere Soldat vorsätzlich gegen die Verpflichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen, sich innerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die seine dienstliche Stellung als Stabsfeldwebel erfordert.

44 d) Durch das unter 1e) festgestellte Verhalten hat der frühere Soldat vorsätzlich gegen § 2 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 des zum Zeitpunkt dieser Pflichtverletzung maßgeblichen und zum 18. August 2006 durch Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1897) aufgehobenen Gesetzes zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (BeschSchG) vom 24. Juni 1994 (BGBl I S. 1406, 1412, ber. S. 2103) verstoßen, welches gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 BeschSchG auch für Soldaten galt (Urteil vom 24. April 2007 - BVerwG 2 WD 9.06 - BVerwGE 128, 319 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 57 <jeweils Rn. 33>).

45 Wie § 3 Abs. 4 in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz erklärt es sexuell bestimmte körperliche Berührungen zu einem Dienstvergehen, wenn sie von dem Belästigten erkennbar abgelehnt werden. Dass der Zeuge Obergefreiter d.R. S. den Griff in den Schritt für den früheren Soldaten erkennbar ablehnte, steht außer Frage, weil nach seiner glaubhaften Aussage nicht ansatzweise Umstände vorlagen, die die Annahme des früheren Soldaten gerechtfertigt hätten, ihm in den Schritt fassen zu dürfen. Angesichts des massiven Eingriffs, der sich jenseits jeglicher Geschmacksfragen bewegte, war es auch nicht erforderlich, dass der Zeuge Obergefreiter d.R. S. seine ablehnende Haltung dem früheren Soldaten zuvor ausdrücklich hätte verdeutlichen müssen (vgl. zu diesem Erfordernis nach früherem Recht BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - juris Rn. 19; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 3 Rn. 157).

46 Der nach der Rechtsprechung des Senats erforderliche funktionale Bezug zu einer Dienstverrichtung lag auch vor, da der sexuelle Übergriff nicht nur während einer Feier des ..., sondern darüber hinaus auch vor dem Gebäude 61 in der ..., mithin innerhalb dienstlicher Anlagen und somit einer Sphäre erfolgte, auf deren Organisation und Gestaltung der Arbeitgeber Einfluss nehmen konnte (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2005 a.a.O. S. 163 bzw. Rn. 46; Schlachter, in: Dieterich/Müller-Glöge/Preis/Schaub, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 7. Aufl. 2007, § 2 BeschSchG Rn. 2).

47 Mit seinem Verhalten verstieß der frühere Soldat aus den unter 2a) dargelegten Gründen zugleich vorsätzlich gegen § 12 Satz 2 SG, § 10 Abs. 3 SG und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG.

48 Ob der frühere Soldat zudem gegen die von § 7 SG erfasste Pflicht zur Loyalität der Rechtsordnung gegenüber verstoßen hat, weil er § 31 Abs. 1 WStG verwirklicht hat (vgl. Urteile vom 25. September 2008 - BVerwG 2 WD 19.07 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 42 = NZWehrr 2009, 73 <75> = juris Rn. 32 und vom 24. April 2007 a.a.O. jeweils Rn. 41), kann dahingestellt bleiben. Da das zugunsten des früheren Soldaten wirkende Verschlechterungsverbot dem Senat verbietet, jenen um mehr als einen Dienstgrad zu degradieren, braucht er dann keinen weiteren erschwerenden Umständen nachzugehen, wenn die bereits festgestellten eine Herabsetzung um jedenfalls einen Dienstgrad gebieten. Dies ist der Fall, weil auch ohne strafrechtliche Relevanz ein schweres Dienstvergehen vorliegt, das auf der Grundlage der nachfolgenden Bemessungserwägungen eine Herabsetzung um jedenfalls einen Dienstgrad erfordert.

49 3. Bei der Bestimmung von Art und Maß der konkreten Maßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

50 a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, das heißt nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen, dessen Schwerpunkt in der sexuellen Belästigung von Untergebenen (gemäß Anschuldigungspunkte 1 und 5) liegt, ungeachtet einer etwaigen strafrechtlichen Relevanz (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2005 - BVerwG 2 WD 33.04 - NZWehrr 2006, 161 <165> = juris Rn. 69) schwer, zumal es sich in körperlichen Übergriffen ausdrückte. Der Dienstherr selbst hat durch die ZDv 14/3 den Schutz des verfassungsrechtlich garantierten sexuellen Selbstbestimmungsrechts namentlich im Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen in einer für jeden Vorgesetzten unmissverständlichen Deutlichkeit betont. Die Schwere des Dienstvergehens wird des Weiteren dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat nicht nur einmalig, sondern wiederholt einschlägig versagt hat und er als Stabsfeldwebel in einem herausgehobenen Vorgesetztenverhältnis stand (§ 10 Abs. 1 SG). Die Verfehlungen führten bei seinen Untergebenen auch tatsächlich zu massiven Zweifeln an seiner Vorbildfunktion.

51 Mildernd einzustellen war beim Anschuldigungspunkt 1 der Umstand, dass die Initiative zur Kontaktaufnahme nicht vom früheren Soldaten, sondern vom Zeugen Hauptgefreiter d.R. H. ausgegangen und auf ein gegen den früheren Soldaten vom Zeugen T. geschmiedetes Komplott zurückzuführen ist. Dieser hat damit zwar nicht zum Ausdruck gebracht, dass ihm der spätere sexuelle Übergriff erwünscht war; er hat dadurch jedoch gezielt die Aufmerksamkeit des früheren Soldaten auf sich gelenkt und dies erklärterweise in der Absicht, sich einen Spaß damit zu machen, dass der ihm bekanntermaßen homosexuell orientierte frühere Soldat der Kontaktaufnahme eine erotische Komponente beimessen würde.

52 b) Das Dienstvergehen zeitigte auch nachteilige Auswirkungen. Zwar wirkte es sich nicht auf die Personalplanung aus; insbesondere erfolgte keine Ablösung des früheren Soldaten vom Dienstposten. Auf die Förderung zum Oberstabsfeldwebel hatte der frühere Soldat zudem ohnehin verzichtet, um weiter ortsfest verwendet zu werden. Den Logistikbereich durfte der frühere Soldat allerdings nach dem Vorfall nicht mehr betreten. Hinzu kommt, dass seine Pflichtverletzungen ausweislich der Aussagen der Zeugen Oberleutnant R., Oberstabsfeldwebel M. sowie der Zeugin W. gerüchteweise bekannt geworden sind. Der Zeuge Hauptgefreiter d.R. N. hat darüber hinaus ausgesagt, Kameraden sei bedeutet worden, sich nicht in die Nähe des früheren Soldaten zu begeben, wenn er etwas getrunken habe. Der Zeuge Hauptfeldwebel F. sah sich zudem bereits 2003 veranlasst, den früheren Soldaten aufzufordern, zu Untergebenen Abstand zu wahren. Der jenseits der besonderen fachlichen Leistungen eingetretene Ansehens- und Vertrauensverlust steht mithin fest. Hinzu tritt, dass der unter Anschuldigungspunkt 1 beschriebene sexuelle Übergriff den im November 1986 geborenen, seinerzeit also knapp einundzwanzigjährigen Zeugen Hauptgefreiten d.R. H. dermaßen irritierte, dass er in Tränen ausbrach und von Kameraden beruhigt werden musste.

53 c) Das Maß der Schuld wird vor allem dadurch bestimmt, dass der Soldat durchgehend vorsätzlich gehandelt hat.

54 Dass der im Zusammenhang mit den festgestellten Dienstpflichtverletzungen festgestellte Alkoholkonsum auf den früheren Soldaten enthemmend gewirkt haben mag, wirkt sich nicht zu dessen Gunsten aus, weil keine Hinweise darauf vorliegen, dass er sich nicht vorwerfbar alkoholisiert hätte (vgl. Urteile vom 17. Januar 2013 - BVerwG 2 WD 25.11 - juris Rn. 72 ff. und vom 7. März 2013 - BVerwG 2 WD 28.12 - juris).

55 Auch sonstige Milderungsgründe in den Umständen der Tat liegen nicht vor (vgl. Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - m.w.N.). Die Annahme einer persönlichkeitsfremden Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten (vgl. Urteile vom 1. April 2003 - BVerwG 2 WD 48.02 - und vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 - m.w.N.) verbietet sich schon deshalb, weil mehrfache gleichartige Pflichtverletzungen vorliegen.

56 Ebenso sind die Voraussetzungen für eine Minderung aufgrund des Mitverschuldens von Vorgesetzten bzw. wegen Mängeln oder Versagen der Dienstaufsicht nicht gegeben. Ungeachtet dessen, dass jedem Vorgesetzten bekannt ist, Untergebene nicht sexuell belästigen zu dürfen und schon deshalb nicht erkennbar ist, dass der frühere Soldat insoweit aufsichtlicher Hilfe bedurft hätte (vgl. Urteil vom 13. Juni 2006 - BVerwG 2 WD 1.06 - juris Rn. 61), sind entsprechende Vorfälle weder an den Disziplinarvorgesetzten des früheren Soldaten, Hauptmann F., noch an Leutnant S. oder an Oberstabsfeldwebel M. von Untergebenen herangetragen worden, sodass diese keinen Anlass zum Einschreiten erkennen konnten (vgl. Urteile vom 16. Mai 2006 - BVerwG 2 WD 3.05 - NZWehrr 2006, 252 = juris Rn. 5 m.w.N., sowie vom 26. Oktober 2005 - BVerwG 2 WD 33.04 - NZWehrr 2006, 161 <165> = juris Rn. 64 ). Deshalb können die dem früheren Soldaten erteilten Beurteilungen, in denen ihm ein gerade funktionsangemessenes Näheverhältnis zu unterstellten Soldaten bescheinigt wird, auch nicht dahingehend gewertet werden, sie hätten ihn in seinem pflichtwidrigen Verhalten bestärkt.

57 d) Hinsichtlich der Zumessungskriterien Persönlichkeit und bisherige Führung sind dem früheren Soldaten das zum Anschuldigungspunkt 5 abgelegte Geständnis und seine hervorragenden dienstlichen Leistungen zugute zu halten, welche auch in förmlichen Anerkennungen ihren Niederschlag gefunden haben. Da der frühere Soldat seine Leistungen auch nach der letzten Pflichtverletzung noch einmal gesteigert hat, liegt zudem eine Nachbewährung vor. Ihr steht nicht entgegen, dass der frühere Soldat zwischenzeitlich wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs strafrechtlich verurteilt wurde. Diese Tat war für den Dienstherrn weder Anlass, sie disziplinarisch zu ahnden, noch weist sie einen einschlägigen inhaltlichen Bezug zu den streitgegenständlichen Pflichtverletzungen oder den Dienst auf (Urteil vom 4. Juli 2013 - BVerwG 2 WD 21.12 -).

58 Ferner spricht für den früheren Soldaten, dass er sich unmittelbar nach dem unter Anschuldigungspunkt 5 beschriebenen Vorfall bei dem Zeugen Obergefreiter d.R. S. sogleich und am nächsten Tag erneut entschuldigt hat. Dem entspricht, dass er sich auch in der Berufungshauptverhandlung zu diesem Fehlverhalten uneingeschränkt bekannt hat. Ob er auch die sonstigen Pflichtverletzungen aufrichtig bereut, war als Folge seines prozessual zulässigen und daher nicht zu seinem Nachteil zu gewichtenden Verhaltens nicht festzustellen (Urteil vom 14. Oktober 2009 - BVerwG 2 WD 16.08 - juris). Zu Gunsten der Persönlichkeit des Soldaten ist fernerhin zu berücksichtigen, dass er sich nach dem unter Anschuldigungspunkt 5 beschriebenen Vorfall bis 2007 freiwillig einer psychologischen Behandlung unterzogen hat.

59 e) Die Beweggründe des früheren Soldaten sprechen nicht für ihn, da er ausschließlich aus sexuellen Motiven gehandelt hat.

60 4. Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts der Ausspruch einer - gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 62 Abs. 1 Satz 3 WDO zulässigen - Herabsetzung um einen Dienstgrad erforderlich und angemessen. Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung von einem zweistufigen Prüfungsschema aus (vgl. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.):

61 a) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“. Bei sexuellen Belästigungen bildet ihn regelmäßig die Herabsetzung im Dienstgrad (vgl. Urteil vom 23. Juni 2011 - BVerwG 2 WD 21.10 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 56 = NZWehrr 2012, 206 = juris Rn. 49).

62 b) Auf der zweiten Stufe prüft er, ob im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien im konkreten Fall Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Verschärfung oder Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem anhand der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Für die „Eigenart und Schwere des Dienstvergehens“ kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt oder in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich versagt hat. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums „Maß der Schuld“ ist neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen in Betracht zu ziehen (Urteil vom 15. März 2012 - BVerwG 2 WD 9.11 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 10).

63 Hiernach liegt zwar auch unter Einbeziehung der zum Anschuldigungspunkt 4 festgestellten, isoliert als eher leicht und mit einer einfachen Disziplinarmaßnahme angemessen zu ahndenden Pflichtverletzung kein besonders schwerer Fall vor, der die Grundlage des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Integrität des früheren Soldaten zerstört hätte und deshalb die Höchstmaßnahme erforderte. Ebenso wenig liegen jedoch Umstände vor, die einen leichteren Fall begründen und zu einer milderen Maßnahmeart führen (vgl. Urteil vom 7. März 2013 - BVerwG 2 WD 28.12 - juris Rn. 55).

64 aa) Dass die zum Anschuldigungspunkt 5 festgestellte Pflichtverletzung bereits zehn Jahre zurückliegt, rechtfertigt keine mildere Maßnahmeart. Der Gesetzgeber hat durch § 17 WDO eine differenzierte, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in zeitlicher Hinsicht Rechnung tragende Regelung dazu getroffen, welche Disziplinarmaßnahmen nach welchen Zeiträumen nicht mehr verhängt werden dürfen. Nachdem er bei der gerichtlichen Disziplinarmaßnahme „Herabsetzung im Dienstgrad“ dem Zeitpunkt, zu dem die ihre Verhängung gebietende Pflichtverletzung begangen wurde, keine Bedeutung beigemessen hat, würde diese gesetzgeberische Wertung unterlaufen, wenn dem Zeitfaktor bei der Maßnahmebemessung gleichwohl das von der Verteidigung behauptete Gewicht beigelegt würde.

65 bb) Ebenso wenig verlangen die weit überdurchschnittlichen fachlichen Leistungen des früheren Soldaten eine mildere Maßnahmeart. Die persönliche Integrität eines Soldaten steht gleichberechtigt neben dem Erfordernis der fachlichen Qualifikation, sodass die vorliegend gravierenden Defizite in der persönlichen Integrität des früheren Soldaten nicht allein durch dessen fachliche Kompetenz ausgeglichen werden können (Urteil vom 23. Juni 2011 a.a.O. Rn. 52).

66 cc) Die hervorragenden Leistungen des früheren Soldaten, insbesondere seine Nachbewährung, sind jedoch bei der Festlegung des Ausmaßes der Herabsetzung im Dienstgrad zu beachten. Stellt man die zulasten des früheren Soldaten wirkenden Aspekte - namentlich das wiederholte vergleichbare Fehlverhalten - den für ihn sprechenden Umständen - vor allem den in seiner Person liegenden Milderungsgründen und dem Tatumstand der Tatprovokation durch ein gegen ihn gerichtetes und disziplinarisch geahndetes Komplott - gegenüber, ist damit die Beschränkung der Dienstgradherabsetzung auf nur einen Dienstgrad gerechtfertigt.

67 5. Da das Rechtsmittel des früheren Soldaten erfolglos geblieben ist, hat er die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen. Es bestand kein Anlass, die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen trotz seiner Verurteilung aus Billigkeitsgründen nach § 140 Abs. 2 WDO dem Bund aufzuerlegen.