Verfahrensinformation

Die Klägerin ist peruanische Staatsangehörige. Sie hielt sich im Juni 2010 ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland auf. Es wurde gegen sie ein Strafverfahren wegen illegalen Aufenthalts eingeleitet und sie wurde in Abschiebungshaft genommen. Am 1. Juli 2010 wies die Stadt Hamburg die Klägerin aus. Der Ausweisungsbescheid wurde im Jahr 2011 bestandskräftig. Am 22. Juli 2010 wurde die Klägerin in ihr Heimatland abgeschoben. Das Landgericht Hamburg stellte rechtskräftig fest, dass die angeordnete Abschiebungshaft rechtswidrig war, weil das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft hierzu nicht vorlag. Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom April 2011 forderte die Beklagte die Klägerin zur Erstattung der Flugkosten i.H.v. ca. 1 700 € als Kosten der Abschiebung auf. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung maßgeblich darauf gestützt, dass die fehlende Zustimmung der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 AufenthG keine eigenen Rechte der Klägerin verletze, soweit die Abschiebung betroffen sei. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Folgen einer fehlenden Zustimmung der Staatsanwaltschaft beziehe sich nur auf die Abschiebungshaft, nicht jedoch auf die Abschiebung selbst. Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision. Im Mittelpunkt des Streits steht die Frage, ob die fehlende Zustimmung der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung nach § 72 Abs. 4 AufenthG auch dem Schutz des Ausländers dient.


Pressemitteilung Nr. 103/2016 vom 14.12.2016

Fehlende Zustimmung der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung verletzt keine Rechte des Ausländers

Ist gegen einen ausreisepflichtigen Ausländer ein Strafverfahren eingeleitet worden und noch nicht abgeschlossen, verletzt die fehlende Zustimmung der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung nach § 72 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) keine eigenen Rechte des Ausländers. Das Zustimmungserfordernis dient vielmehr ausschließlich dem staatlichen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung. Die fehlende Zustimmung der Staatsanwaltschaft steht daher der Pflicht des Ausländers zur Erstattung der Kosten seiner Abschiebung nicht entgegen. Das hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig heute entschieden.


Der Entscheidung lag der Fall einer peruanischen Staatsangehörigen zugrunde, die im Juni 2010 in Hamburg ohne Aufenthaltserlaubnis aufgegriffen wurde. Gegen sie wurde ein Strafverfahren wegen illegalen Aufenthalts eingeleitet und Abschiebungshaft angeordnet. Am 1. Juli 2010 wies die Stadt Hamburg die Klägerin aus und ordnete ihre Abschiebung an. Dieser Bescheid wurde im Jahr 2011 bestandskräftig. Am 22. Juli 2010 wurde die Klägerin in ihr Heimatland abgeschoben. Das Landgericht Hamburg stellte fest, dass die Abschiebungshaft rechtswidrig war, weil das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft hierzu nicht vorlag. Der Bundesgerichtshof wies die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde zurück. Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom April 2011 forderte die Beklagte die Klägerin zur Erstattung der Flugkosten i.H.v. 1 734 € als Kosten der Abschiebung auf. Die hiergegen gerichtete Klage blieb auch in der Revisionsinstanz ohne Erfolg.


Das Bundesverwaltungsgericht hat an seiner Rechtsprechung festgehalten, dass die Zustimmung der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 AufenthG nur der Wahrung öffentlicher Interessen dient, nicht der Wahrung eigener Rechte der Klägerin, soweit die Abschiebung betroffen ist. Das Fehlen der Zustimmung begründet daher insoweit keine eigene Rechtsverletzung der Klägerin. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach bei der Abschiebungshaft das fehlende Einvernehmen der Staatsanwaltschaft zu einer Verletzung des Ausländers in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) führt, bezieht sich nur auf die Rechtsverletzung durch diese besonders intensive Eingriffsmaßnahme, nicht hingegen auf die Abschiebung selbst. Ein maßgeblicher Unterschied zwischen diesen beiden staatlichen Zwangsmaßnahmen liegt darin, dass die Abschiebungshaft in den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz bei Freiheitsentziehungen nach Art. 104 Abs. 1 GG eingreift, der für bloße Eingriffe in die Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) wie im Fall einer Abschiebung nicht gilt. Dessen ungeachtet stand einer inzidenten Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abschiebung im Rahmen der Kostenfestsetzung auch die Bestandskraft der Abschiebungsanordnung entgegen.


BVerwG 1 C 11.15 - Urteil vom 14. Dezember 2016

Vorinstanzen:

OVG Hamburg, 5 Bf 1/13 - Urteil vom 26. März 2015 -

VG Hamburg, 9 K 2708/11 - Urteil vom 22. Oktober 2012 -


Urteil vom 14.12.2016 -
BVerwG 1 C 11.15ECLI:DE:BVerwG:2016:141216U1C11.15.0

Kostenerstattung bei Abschiebung ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft

Leitsätze:

1. Die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG vor Vollzug einer Abschiebung stellt eine Verfahrensregelung dar, die allein der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses dient und kein subjektives Recht des Ausländers begründet (Bestätigung von BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1998 - 1 C 17.97 - BVerwGE 106, 351 für die Rechtslage nach § 64 Abs. 3 AuslG 1990).

2. Eine Abschiebungsanordnung erledigt sich nicht mit dem Vollzug der Abschiebung. Die Bestandskraft der Anordnung steht der Geltendmachung einer Fehlerhaftigkeit der Abschiebung auch dann entgegen, wenn sie erst nach Vollzug der Abschiebung eingetreten ist (Aufgabe von BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2014 - 1 C 3.13 - BVerwGE 149, 320, Rn. 19 eine Anordnung nach § 82 Abs. 4 AufenthG zur Vorsprache bei der Botschaft betreffend).

  • Rechtsquellen
    AufenthG §§ 66, 67, § 72 Abs. 4 Satz 1, § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 2
    FamFG § 424 Abs. 1
    GG Art. 2 Abs. 1, Art. 104 Abs. 1
    VwGO § 113 Abs. 1 Satz 1

  • VG Hamburg - 22.10.2012 - AZ: VG 9 K 2708/11
    OVG Hamburg - 26.03.2015 - AZ: OVG 5 Bf 1/13

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 11.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:141216U1C11.15.0]

Urteil

BVerwG 1 C 11.15

  • VG Hamburg - 22.10.2012 - AZ: VG 9 K 2708/11
  • OVG Hamburg - 26.03.2015 - AZ: OVG 5 Bf 1/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig sowie
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke, Dr. Rudolph
und Dr. Wittkopp
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. März 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin, eine peruanische Staatsangehörige, wendet sich gegen die Heranziehung zu Kosten ihrer Abschiebung im Jahr 2010.

2 Die Klägerin wurde am 22. Juni 2010 von der Polizei anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung in Hamburg kontrolliert. Sie wies sich gegenüber den Polizeibeamten mit einem peruanischen Pass aus, der weder ein Visum noch einen Aufenthaltstitel enthielt. Weiter wurden bei ihr Bargeld in Höhe von mehr als 9 500 € und zwei goldene Uhren gefunden und vorläufig sichergestellt. Sie wurde wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vorläufig festgenommen und von der Polizei als Beschuldigte vernommen.

3 Die Beklagte stellte am 22. Juni 2010 beim Amtsgericht Hamburg einen Antrag auf Verhängung von Haft zur Vorbereitung der Abschiebung, dem das Gericht durch Beschluss vom gleichen Tag entsprach. Die Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 AufenthG war bis längstens 15. Juli 2010 befristet. Am 13. Juli 2010 wurde für den 22. Juli 2010 für die Klägerin ein Flug von Frankfurt nach Lima für 1 734 € gebucht.

4 Am 15. Juli 2010 wurde die Klägerin zum Antrag auf Verlängerung der Haft durch das Amtsgericht angehört. Dort erklärte ihr Bevollmächtigter, die Klägerin werde freiwillig zur begleiteten Abschiebung erscheinen. Das Gericht verlängerte mit Beschluss vom gleichen Tag die Haft bis zum 23. Juli 2010. In der Begründung des Beschlusses heißt es u.a.: "Die Verlängerung ist erforderlich, weil nunmehr ein Rückflug für den 22.07.2010 gebucht werden konnte."

5 Am 16. Juli 2010 setzte das Amtsgericht den Haftbeschluss gemäß § 424 FamFG außer Vollzug und erteilte der Klägerin die Anweisung, sich am 19. Juli 2010 bei der Ausländerbehörde zu melden, jeder Vorladung der Behörde Folge zu leisten, insbesondere für den 22. Juli 2010 zur Abschiebung, sowie das Bundesgebiet nicht unerlaubt zu verlassen. Am 22. Juli 2010 wurde die Abschiebung vollzogen.

6 Das Landgericht Hamburg stellte mit Beschluss vom 20. August 2010 fest, dass die angeordnete Haft rechtswidrig war. Die von der Beklagten erhobene Rechtsbeschwerde wurde mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. Februar 2011 zurückgewiesen (V ZB 224/10 - NVwZ 2011, 767). Der Bundesgerichtshof führt in seiner Begründung aus, dass die Haft ohne das nach Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft weder hätte angeordnet noch verlängert werden dürfen.

7 Die Beklagte wies die Klägerin mit der an ihren Bevollmächtigten gerichteten Verfügung vom 1. Juli 2010 gemäß § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 2 AufenthG (damaliger Fassung) aus dem Bundesgebiet aus. Gleichzeitig enthält der Tenor der Verfügung folgende Textpassage:
"Gemäß § 58 Abs. 3 AufenthG wird Ihre Mandantin aus der Abschiebungshaft in Ihr Heimatland (Peru) abgeschoben. Die Abschiebung wurde ihr am 22.06.2010 angekündigt. Es wird darauf hingewiesen, dass die Abschiebung auch in einen anderen Staat erfolgen kann, in den Ihre Mandantin einreisen darf oder der zu Ihrer Rückübernahme verpflichtet ist (§ 59 Abs. 2 AufenthG)."

8 Die Verfügung enthielt im Anschluss an den verfügenden Teil eine Rechtsbehelfsbelehrung. Daran schließt sich eine Begründung für die verfügte Ausweisung und die Abschiebung an.

9 Der Bevollmächtigte der Klägerin erhob am 22. Juli 2010 Widerspruch gegen die Ausweisungsverfügung. Den vornehmlich auf die fehlende Zustimmung der Staatsanwaltschaft gestützten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2010 zurück. Hiergegen erhob die Klägerin im September 2010 Klage mit dem Ziel der Aufhebung der Verfügung (Az: 9 K 2600/10). Nachdem das Verwaltungsgericht am 12. Juli 2011 den Hinweis erteilte, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, nachdem die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 22. September 2010 von der Erhebung der öffentlichen Klage gemäß § 154b Abs. 3 StPO abgesehen hatte, nahm der Bevollmächtigte der Klägerin die Anfechtungsklage mit Schriftsatz vom 18. Juli 2011 zurück. Das gerichtliche Verfahren wurde mit Beschluss vom 21. Juli 2011 eingestellt.

10 Am 7. Juli 2011 befristete die Beklagte die Sperrwirkungen der am 1. Juli 2010 verfügten Ausweisung und der am 22. Juli 2010 vollzogenen Abschiebung auf den 21. Juli 2013. In dem sich anschließenden Klageverfahren haben die Beteiligten im Oktober 2012 einen Vergleich geschlossen, mit dem sich die Beklagte verpflichtete, die Sperrwirkung der Ausweisung und Abschiebung auf den 21. Januar 2013 zu befristen.

11 Mit Leistungsbescheid vom 8. April 2011 setzte die Beklagte die aus Anlass der Abschiebung der Klägerin entstandenen Kosten auf 1 832,41 € fest. In dem Betrag enthalten sind u.a. Flugkosten in Höhe von 1 734,43 €. Den gegen den Leistungsbescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte am 29. September 2011 zurück.

12 Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Anfechtungsklage abgewiesen. In dem sich anschließenden Berufungsverfahren hat die Beklagte die streitigen Bescheide insoweit aufgehoben, als Kosten von mehr als 1 734,43 € (Flugkosten) festgesetzt wurden. Die Parteien haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 26. März 2015 das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt, soweit übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben wurden. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen.

13 Das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin könne zur Erstattung von Kosten für die Abschiebung am 22. Juli 2010 herangezogen werden, weil diese sie nicht in ihren subjektiven Rechten verletze. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt ihrer Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. In der Ausweisungsverfügung sei die Abschiebung aus der Haft nach § 59 Abs. 5, § 58 Abs. 3 AufenthG angeordnet worden. In diesem Fall bedürfe es keiner Androhung mit Fristsetzung. Die nach § 59 Abs. 5 Satz 2 AufenthG erforderliche Frist für die Ankündigung der Abschiebung von mindestens einer Woche sei gewahrt, denn der Klägerin sei die Abschiebung bereits am 22. Juni 2010 angekündigt worden. Zwar sei die Klägerin nicht unmittelbar aus der Haft abgeschoben worden. Die Außervollzugsetzung des Haftbefehls wenige Tage vor der Abschiebung habe aber nicht dazu geführt, dass nunmehr eine Abschiebungsandrohung habe erlassen werden müssen. Die berechtigten Interessen der Klägerin seien durch eine rechtzeitige Abschiebungsankündigung gewahrt worden, weil sie dadurch hinreichend Gelegenheit gehabt habe, ihre Angelegenheiten im Bundesgebiet zu regeln.

14 Die fehlende Erteilung des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft mit dem Vollzug der Abschiebung nach § 72 Abs. 4 AufenthG verletze die Klägerin nicht in eigenen Rechten. Denn diese Verfahrensregelung diene nicht dem Schutz des Ausländers, sondern allein der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses. Dem stehe nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung in Fällen des fehlenden Einvernehmens nach § 72 Abs. 4 AufenthG entgegen. Diese beziehe sich nur auf die Verhängung von Haft. Die Abschiebung selbst stelle - anders als die Haft - keine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG dar. Der Bundesgerichtshof habe hervorgehoben, dass sich seine rechtliche Beurteilung nicht auf die von der Ausländerbehörde verfügte Abschiebung erstrecke. Die Kostenforderung der Beklagten, die sich nur noch auf die tatsächlich entstandenen Flugkosten beziehe, sei vom Umfang der Kostenerstattungspflicht nach § 67 AufenthG erfasst und rechtlich nicht zu beanstanden.

15 Mit der vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht die Klägerin insbesondere geltend, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verletze die Abschiebung sie in eigenen Rechten. Das zwangsweise Außerlandesbringen stelle jedenfalls einen Eingriff in die persönliche Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG dar. Der Eingriff sei unverhältnismäßig gewesen, da die Abschiebung mangels Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nicht hätte stattfinden dürfen. Sei die Abschiebung rechtswidrig, bestehe an ihr kein öffentliches Interesse, welches das private Interesse, vor Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs verschont zu bleiben, überwiegen könne.

16 Die Beklagte tritt der Revision entgegen und bezieht sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts. Ergänzend beruft sie sich auf die Bestandskraft von Ausweisungsverfügung und Abschiebungsanordnung, nachdem die Klägerin ihre Klage hiergegen zurückgenommen habe.

17 Der Vertreter des Bundesinteresses bei dem Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und tritt der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts bei, dass das Erfordernis der Beteiligung der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 AufenthG allein der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses diene.

II

18 Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der allein noch streitigen Flugkosten in Höhe von 1 734,43 € im Ergebnis ohne Verstoß gegen Bundesrecht zurückgewiesen. Die Klägerin haftet für diese Kosten ihrer Abschiebung. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass das Fehlen des erforderlichen Einvernehmens mit der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG a.F. keine eigenen Rechte der Klägerin verletzt (1.). Dessen ungeachtet kann die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Leistungsbescheids schon deshalb nicht auf die Fehlerhaftigkeit der angeordneten Abschiebung gestützt werden, weil die Abschiebungsanordnung der Beklagten bestandskräftig geworden ist (2.).

19 Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ist die Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten behördlichen Entscheidung (hier: Widerspruchsbescheid vom 29. September 2011). Mithin ist im vorliegenden Verfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162) anzuwenden, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften vom 23. Juni 2011 (BGBl. I S. 1266). Die im Rahmen der Prüfung des Leistungsbescheids inzident zu beurteilende Rechtmäßigkeit der Abschiebung vom 22. Juli 2010 bestimmt sich hingegen nach der im Zeitpunkt der Maßnahme geltenden Rechtslage (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - 1 C 11.14 - BVerwGE 151, 102 Rn. 8 m.w.N.). Nicht maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschiebung vom 22. Juli 2010 ist daher die Rückführungsrichtlinie vom 16. Dezember 2008 (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. L 348 S. 98). Diese Richtlinie wurde erst durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der EU und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex in nationales Recht - Richtlinienumsetzungsgesetz vom 22. November 2011 - (BGBl. I S. 2258) mit Gültigkeit ab 26. November 2011 umgesetzt, wobei zum Zeitpunkt der Abschiebung auch die bis zum 24. Dezember 2010 laufende Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war.

20 Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 66 Abs. 1 und § 67 Abs. 1 und 3 AufenthG a.F. Nach § 66 Abs. 1 AufenthG a.F. hat der Ausländer die Kosten zu tragen, die im Zusammenhang mit der Abschiebung entstehen. Den Umfang der zu erstattenden Kosten bestimmt § 67 Abs. 1 AufenthG a.F. Danach umfassen die Kosten einer Abschiebung auch die Beförderungskosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets und bis zum Zielort außerhalb des Bundesgebiets (§ 67 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG a.F.). Die Kosten werden nach § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG a.F. durch Leistungsbescheid in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erhoben.

21 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haftet der Ausländer für die Kosten einer Abschiebung nur, wenn die zu ihrer Durchsetzung ergriffenen Amtshandlungen und Maßnahmen ihn nicht in seinen Rechten verletzen. Insoweit trifft das Aufenthaltsgesetz für Maßnahmen, die - wie die Abschiebung - selbständig in Rechte des Ausländers eingreifen, eine eigenständige und vorrangige Regelung gegenüber den Vorschriften des Verwaltungskostengesetzes, auf die § 69 Abs. 2 Satz 2 AufenthG a.F. nur verweist, soweit das Aufenthaltsgesetz keine abweichende Regelung enthält (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - 1 C 11.14 - BVerwGE 151, 102 Rn. 10 m.w.N.).

22 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass das Fehlen des erforderlichen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft zur angeordneten Abschiebung gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG a.F. keine eigenen Rechte der Klägerin verletzt.

23 Nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBI. I S. 162) darf ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Für die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens reicht es aus, wenn der Betroffene durch die Polizei als Beschuldigter wegen des Verdachts einer Straftat vernommen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 224/10 - NVwZ 2011, 767 Rn. 10). Diese Voraussetzung lag hier zum Zeitpunkt der Abschiebung vor, weil die Klägerin bereits am 22. Juni 2010 als Beschuldigte wegen des Verdachts des illegalen Aufenthaltes nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG vernommen worden war. Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft war von der Beklagten nicht eingeholt worden. Das Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft auch erst nach der Abschiebung der Klägerin mit Verfügung vom 22. September 2010 nach § 154b Abs. 3 StPO eingestellt.

24 Die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG vor Vollzug einer Abschiebung stellt eine Verfahrensregelung dar, die allein der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses dient und kein subjektives Recht des Ausländers begründet. Dies hat der Senat durch Urteil vom 5. Mai 1998 bereits für die Rechtslage nach § 64 Abs. 3 AuslG 1990 so entschieden (1 C 17.97 - BVerwGE 106, 351 <355>). Hieran hat sich durch die gesetzliche Neuregelung in § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG und durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beteiligungserfordernis bei Anordnung von Abschiebungshaft nichts geändert.

25 Die Regelung des § 64 Abs. 3 AuslG 1990 ist wortgleich in § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG übernommen worden. In § 72 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ist nur ein weiteres Beteiligungserfordernis in Fällen des Zeugenschutzes hinzugetreten, dessen Regelungszweck hier nicht zu beurteilen ist. Zudem ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zum Aufenthaltsgesetz, dass § 72 Abs. 4 AufenthG der vorausgegangenen Regelung des § 64 Abs. 3 AuslG 1990 entspricht (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 94). Zwar hat der Bundesgerichtshof im Verfahren über die Rechtmäßigkeit der gegen die Klägerin verhängten Abschiebungshaft entschieden, dass die Abschiebungshaft einen schwerwiegenden Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darstellt, weshalb er in seinen Rechten verletzt ist, wenn die Abschiebungshaft unter Verletzung der einschlägigen Rechtsvorschriften - wie hier von § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG - angeordnet wurde (BGH, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 224/10 - NVwZ 2011, 767 Rn. 12). Zugleich hat der Bundesgerichtshof jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von 1998 zu § 64 Abs. 3 AuslG 1990 klargestellt, dass sich seine Entscheidung nur auf die Rechtmäßigkeit des Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht des Ausländers durch die vom Amtsgericht veranlasste Inhaftierung bezieht und nicht auf die Abschiebung als ausländerbehördliche Maßnahme (a.a.O. Rn. 13).

26 Die BGH-Rechtsprechung zur Abschiebungshaft ist auf die ausländerbehördliche Abschiebung nicht zu übertragen (so auch VGH Mannheim, Beschluss vom 8. Dezember 2011 -11 S 3155/11 - AuAS 2012, 38 <38 f.>; Urteil vom 6. November 2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 62; OVG Bremen, Beschluss vom 15. November 2010 - 1 B 156/10 - juris Rn. 8; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. September 2011 - 11 PA 298/11 - AuAS 2011, 268 <269>; Gutmann, in GK-AufenthG, Stand: Oktober 2015, § 72 Rn. 29 und 38; Hailbronner, AuslR, Stand: Februar 2016, § 72 AufenthG Rn. 16; Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR 11. Aufl. 2016, § 72 AufenthG Rn. 15). Ein maßgeblicher Unterschied zwischen diesen beiden staatlichen Zwangsmaßnahmen liegt darin, dass die Abschiebungshaft in den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz bei Freiheitsentziehungen nach Art. 104 Abs. 1 GG eingreift, der für Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) wie im Fall einer Abschiebung nicht gilt. Daher kann sich ein Betroffener gegen Maßnahmen, die - wie die Abschiebung - keine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darstellen, nur wenden, wenn sie objektiv rechtswidrig sind und ihn in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ergibt sich danach aus dem einfachen Recht - hier: § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG a.F. -, dass eine bestimmte verfahrensrechtliche Anforderung ausschließlich dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt ist, ist ein dieses verletzendes Handeln der Verwaltung zwar objektiv rechtswidrig. Gleichwohl fehlt es aber an der Verletzung eines subjektiven, dem Einzelnen zustehenden Rechts im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der den Verwaltungsgerichten die Aufhebung eines nur objektiv rechtswidrigen Verwaltungsaktes verwehrt und insoweit in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auch die allgemeine Handlungsfreiheit begrenzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. November 2005 - 1 B 58.05 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 14 Rn. 4). Dies gilt auch dann, wenn die Rechtmäßigkeit der Maßnahme inzident in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu prüfen ist. Denn kann der Betroffene mangels Verletzung in einem eigenen subjektiv-öffentlichen Recht nicht die Aufhebung einer objektiv rechtswidrigen Maßnahme erreichen, kann er den ihn nicht in eigenen Rechten verletzenden Mangel auch nicht in einem Folgeverfahren rügen, in dem es inzident darauf ankommt, ob die Maßnahme zu einer Verletzung in eigenen Rechten geführt hat.

27 2. Ungeachtet dessen kann eine mögliche Fehlerhaftigkeit der Abschiebung schon deshalb der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Leistungsbescheids nicht entgegengehalten werden, weil die ihr zugrunde liegende Abschiebungsanordnung der Beklagten bestandskräftig geworden ist.

28 Der Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 2010 umfasste neben der Ausweisung der Klägerin auch eine Abschiebungsanordnung ("wird Ihre Mandantin aus der Abschiebungshaft in ihr Heimatland (Peru) abgeschoben"). Dies hat das Berufungsgericht festgestellt (UA S. 12). Die diesbezüglichen tatrichterlichen Feststellungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine solche Abschiebungsanordnung ist für die Wirksamkeit einer Abschiebung als Maßnahme der verwaltungsrechtlichen Zwangsvollstreckung rechtlich zwar nicht durchweg geboten, aber zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - 1 C 11.14 - BVerwGE 151, 102 Rn. 13 m.w.N. zur Zulässigkeit einer gesetzlich nicht geregelten Zurückschiebungsverfügung). Sie kann auch in Bestandskraft erwachsen. Hier ist Bestandskraft eingetreten, wobei offenbleiben kann, ob sich die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage gegen die Verfügung vom 1. Juli 2010 überhaupt auf die angeordnete Abschiebung erstreckte. Denn die Klägerin hat ihre Klage im Juli 2011 zurückgenommen. Damit ist die Abschiebungsanordnung spätestens mit Klagerücknahme in Bestandskraft erwachsen.

29 Die Bestandskraft der Abschiebungsanordnung steht der Geltendmachung einer Fehlerhaftigkeit der Abschiebung auch dann entgegen, wenn sie - wie hier - erst nach Vollzug der Abschiebung (hier: am 22. Juli 2010) eingetreten ist. Die Anordnung hat sich mit dem Vollzug der Abschiebung nicht erledigt. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt vielmehr erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (Urteil vom 25. September 2008 - 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1). Daran gemessen hatte sich die Anordnung hier mit dem Vollzug der Abschiebung nicht erledigt. Vielmehr gehen von einer Abschiebungsanordnung weiterhin rechtliche Wirkungen aus (so auch Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: August 2015, § 58 Rn. 135). Denn die Verfügung bildet die Grundlage für den Leistungsbescheid über die Erhebung von Abschiebungskosten. Der Senat hält daher an seiner gegenteiligen Auffassung im Urteil vom 8. Mai 2014 (1 C 3.13 - BVerwGE 149, 320 - Rn. 19 eine Anordnung nach § 82 Abs. 4 AufenthG zur Vorsprache bei der Botschaft betreffend) nicht fest.

30 Eine Erledigung ist im vorliegenden Fall auch nicht mit der Außervollzugssetzung der Haftanordnung durch das Amtsgericht und der nachfolgenden Haftentlassung eingetreten. Denn die mit Verfügung vom 1. Juli 2010 angeordnete Abschiebung stand nicht unter der Bedingung, aus der Haft vollzogen zu werden, vielmehr stellte die Abschiebung aus der Haft lediglich eine Vollzugsmodalität dar. Damit kommt es im vorliegenden Verfahren auch nicht darauf an, dass die Haft wegen der fehlenden Zustimmung der Staatsanwaltschaft von Anfang an rechtswidrig war.

31 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.