Beschluss vom 27.01.2014 -
BVerwG 10 B 2.14ECLI:DE:BVerwG:2014:270114B10B2.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.01.2014 - 10 B 2.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:270114B10B2.14.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 2.14

  • VG Bremen - 23.03.2009 - AZ: VG 4 K 3157/06
  • OVG Bremen - 11.06.2013 - AZ: OVG 1 A 75/12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Januar 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
beschlossen:

  1. Der Antrag der Klägerin, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt Jan L., B., beizuordnen, wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 11. Juni 2013 wird verworfen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Der Klägerin kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

2 2. Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

3 Wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begehrt, setzt die hinreichende Darlegung dieses Zulassungsgrundes gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch nicht geklärten und sowohl für das Berufungsgericht als auch die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus und verlangt außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Beschwerde nicht.

4 Die Beschwerde leitet die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache daraus ab, dass in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht geklärt sei,
„ob § 48 der Landes-Verwaltungsverfahrensgesetze, insbesondere § 48 VwVfG-NRW, eine ausreichende gesetzliche Grundlage darstellt, um durch Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis der Eltern eines Deutschen den Verlust der durch Geburt erlangten deutschen Staatsbürgerschaft zu bewirken;
insbesondere: ob § 48 der Landes-Verwaltungsverfahrensgesetze auch in denjenigen Fällen eine ausreichende gesetzliche Grundlage darstellt, in denen die Elternteile des Deutschen die Aufenthaltserlaubnis nicht aufgrund eigener Täuschungen, sondern aufgrund von Täuschungen der Großeltern des Deutschen erhalten haben.“

5 Diese Fragen rechtfertigen eine Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie sich allein auf § 48 VwVfG beziehen, der Gesetzgeber für die sich aus der rückwirkenden Aufhebung eines Aufenthaltstitels gegenüber einem Dritten ergebenden staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgewirkungen inzwischen aber eine Regelung im Staatsangehörigkeitsgesetz getroffen hat. Die von der Beschwerde konkret aufgeworfenen Rechtsfragen betreffen folglich ausgelaufenes Recht, ohne dass die Beschwerde darlegt, warum sie dennoch ausnahmsweise einer grundsätzlichen Klärung bedürfen.

6 Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 158) - wie auch die Beschwerde nicht verkennt - die Rücknahme rechtswidriger Einbürgerungen in § 35 StAG ausdrücklich geregelt, in § 17 Abs. 1 StAG als neuen Grund für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nach § 35 StAG eingefügt, hiervon die Rückwirkungen auf eine kraft Gesetzes erworbene deutsche Staatsangehörigkeit Dritter ausgenommen, sofern diese das fünfte Lebensjahr vollendet haben (§ 17 Abs. 2 StAG), und die entsprechende Anwendung des Absatzes 2 angeordnet bei Entscheidungen „nach anderen Gesetzen, die den rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit Dritter zur Folge hätten, insbesondere bei der Rücknahme der Niederlassungserlaubnis nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes, bei der Rücknahme einer Bescheinigung nach § 15 des Bundesvertriebenengesetzes und bei der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft nach § 1599 des Bürgerlichen Gesetzbuches“ (§ 17 Abs. 3 Satz 1 StAG). Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen verhalten sich nicht zu den durch dieses neue „Regelungssystem“ in das Staatsangehörigkeitsrecht eingefügten Regelungen.

7 Rechtsfragen, die sich auf auslaufendes oder ausgelaufenes Recht beziehen, haben nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine richtungweisende Klärung für die Zukunft herbeiführen soll (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 8. Oktober 2007 - BVerwG 3 B 16.07 - juris Rn. 2 f.; vom 5. Oktober 2009 - BVerwG 6 B 17.09 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 4 und vom 29. Dezember 2010 - BVerwG 5 B 42.10 - juris Rn. 3).

8 Eine Revisionszulassung kommt wegen solcher Fragen daher nur ausnahmsweise in Betracht. Ein derartiger Ausnahmefall liegt vor, wenn das in Rede stehende Recht noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist der Beschwerdeführer darlegungspflichtig; es müssen Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen dargelegt und ersichtlich sein (Beschlüsse vom 26. Februar 2002 - BVerwG 6 B 63.01 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 36 S. 27 <S. 29> und vom 15. Oktober 2009 - BVerwG 1 B 3.09 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 18). Dieser Darlegungsanforderung wird die Beschwerde nicht gerecht.

9 Eine Revisionszulassung wegen Fragen zu ausgelaufenem Recht kommt ausnahmsweise auch dann in Betracht, wenn die Fragen sich zu den Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen; dies ist ebenfalls substantiiert darzulegen (stRspr; vgl. Beschluss vom 21. Mai 2013 - BVerwG 3 B 91.12 - juris Rn. 5 m.w.N.). Auch diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerde nicht mit dem pauschalen Hinweis, dass sich die aufgeworfenen Rechtsfragen immer noch stellten, weil durch die Änderung des § 17 StAG die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgeworfenen Fragen nicht ausreichend beantwortet seien, und § 17 Abs. 2 und 3 StAG keine selbständigen Normen seien, welche den Verlust der Staatsangehörigkeit regelten. Gleiches gilt für den Hinweis auf die - hier nicht einschlägige - Regelung zu den Fernwirkungen der Rücknahme einer Einbürgerung (§ 35 Abs. 5 StAG).

10 In diesem Zusammenhang setzt sich die Beschwerde insbesondere nicht damit auseinander, dass nach der Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts die Folgewirkungen von Rücknahmeentscheidungen auf den gesetzlichen Erwerb der Staatsangehörigkeit von Dritten keinen Verlustgrund im Sinne des § 17 Abs. 1 StAG darstellen, sondern der Gesetzgeber in Fällen, in denen ein Kind - wie hier - die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG kraft Gesetzes von einem Elternteil erworben hat, dessen Aufenthaltserlaubnis nach der Geburt mit Wirkung ex-tunc nach § 48 VwVfG zurückgenommen wird, davon ausgeht, dass damit rückwirkend eine für den Staatsangehörigkeitserwerb durch Geburt maßgebende gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung entfällt. Die Folgewirkungen von Rücknahmeentscheidungen gegenüber Dritten hat der Gesetzgeber allerdings in § 17 Abs. 2 und 3 StAG dahingehend begrenzt, dass sie - abgesehen von Fällen der erfolgreich angefochtenen Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB (§ 17 Abs. 3 Satz 2 StAG) - nicht eintreten, wenn die betroffene Person das fünfte Lebensjahr vollendet hat. In Bezug auf diese dem aktuellen Staatsangehörigkeitsrecht zugrundeliegende Gesetzessystematik stellen sich etwa verbliebene Rechtsfragen allenfalls in anderer - vom Berufungsgericht nicht behandelter und von der Beschwerde nicht aufgeworfener - Art.

11 3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

12 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. 42.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand Juli 2004, abgedruckt in NVwZ 2004, 1327; durch die Neufassung 2013 insoweit unverändert).